Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020. A. F. Morland

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Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020 - A. F. Morland

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hatte es ihn noch rasend eifersüchtig gemacht, wenn er sich Kress an Katjas Seite vorgestellt hatte. Jetzt nicht mehr.

      Das war vorbei. Er hoffte, dass die beiden nach seinem Tod zusammenkamen und glücklich wurden. Wenn er noch einen letzten Wunsch hätte äußern dürfen, dann wäre es dieser gewesen.

      Das schrille Signal des Zugs sollte ihn von den Geleisen fegen, doch er ging unbeeindruckt weiter. Der Zugführer leitete eine aussichtslose Notbremsung ein.

      Viele Tonnen schoben den Zug kraftvoll weiter vorwärts, auf den klein aussehenden Mann zu, der nicht im Traum daran dachte, sich in Sicherheit zu bringen.

      Bremsen kreischten, Funken sprühten. Norbert Arndt blieb stehen, hob die Arme, streckte sie zur Seite und rief in den immer lauter werdenden Lärm hinein: „Katjaaa …! Ich liebe dich! Katjaaa!“

      Dann war der Zug heran und an ihm, in ihm und über ihm …

      40

      Als die Polizei zu Dr. Katja Arndt kam, wusste sie sofort, dass ihr Mann nicht mehr lebte. „Ich hab’ noch was zu erledigen“, hatte er gesagt, bevor er das Haus verlassen hatte, und dann hatte er sich selbst „erledigt“, um seine Frau von sich zu befreien, ihr weiteren Kummer und noch mehr Sorgen zu ersparen und einen Neustart mit Patrick Kress zu ermöglichen. Bestimmt hatten seine Überlegungen so ausgesehen.

      Habe ich irgendwie geahnt, was er vorhatte?, fragte sich Katja erschüttert. Habe ich es tief in meinem Innersten gewusst? Wieso habe ich ihn gehen lassen? Wieso habe ich ihn nicht zurückgehalten? Ich hätte es gekonnt. Er war schwer betrunken. Ich hätte ihn aufhalten können. Habe ich mich am Tod meines Mannes mit schuldig gemacht?

      Sie war eingekreist von Selbstvorwürfen. Ihre Gedanken rasten durch ein finsteres Labyrinth, suchten verzweifelt nach einem Ausgang, konnten jedoch keinen finden, und die Folge davon war ein Nervenzusammenbruch, der sie in die Paracelsus-Klinik brachte.

      Die Wirklichkeit wurde für sie zu einer glatten Scheibe, die jäh kippte. Katja hatte das Gefühl, zu stürzen und abzurutschen. Sie hatte keine Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten und den Fall in den irrealen Abgrund zu verhindern. Sie sauste über den Rand hinaus, hatte innerhalb weniger Augenblicke keinen Boden mehr unter sich, fiel, fiel, fiel und überschlug sich dabei ungezählte Male.

      Dr. Härtling sagte etwas zu ihr, das sie nicht verstand. Es klang sanft und tröstend, und dann zog Dr. Härtling oder sonst jemand ein schwarzes Laken über ihr Gesicht. Sie sah nichts mehr, spürte nichts mehr, konnte nicht mehr denken, hörte auf, bewusst zu existieren …

      Man hielt sie zwei Tage in einem schützenden Dämmerzustand und holte sie dann behutsam wieder an die Oberfläche des bitteren Bewusstseins.

      Dr. Härtling verbrachte sehr viel Zeit bei ihr, und wenn er anderweitig unabkömmlich war, kümmerte sich Schwester Annegret um sie. Katja war nie allein, hatte immer jemanden bei sich, mit dem sie reden, bei dem sie abladen konnte, was ihr tonnenschwer auf Geist und Seele drückte.

      „Weiß es meine Mutter schon?“, fragte sie, als wieder einmal der Klinikchef bei ihr war. „Irgend jemand muss es ihr sagen.“

      „Das hat Ihr Bruder bereits getan“, sagte Sören Härtling.

      „Wie hat sie’s aufgenommen?“

      „Sie war sehr traurig.“

      „Hat sich ihr Zustand nicht wieder verschlechtert?“

      Dr. Härtling schüttelte den Kopf. „Ihr Zustand ist stabil geblieben.“

      Katja strich mit der Hand fahrig über die Bettdecke. „Wieso ist das Schicksal manchmal so grausam?“

      „Alles hat irgendwo seinen übergeordneten Sinn, sagt man“, erwiderte der Klinikchef. „Der Mensch ist bloß zu klein, um ihn zu erkennen.“

      41

      Drei Tage nach Norberts Beerdigung erschien Dr. Katja Arndt wieder zum Dienst in der Paracelsus-Klinik. Sie musste arbeiten, um sich abzulenken, um den Kreislauf ihrer tristen Gedanken zu unterbinden, und um das Gefühl zu haben, zu etwas nütze zu sein.

      Eifrig und engagiert kümmerte sie sich um die ihr anvertrauten Patienten und stellte ihr persönliches Seelenleid hintan. Nichts war ihr wichtiger als für andere Menschen da zu sein, ihnen zu helfen und zu spüren, dass sie gebraucht wurde. Doch der Alptraum war für sie noch nicht zu Ende …

      Als sie die Klinik nach zwölf Stunden kräfteraubender Arbeit verließ, trat ihr plötzlich ein Mann in den Weg. Ein schleimiger Mittvierziger mit Basedowaugen, Gold im Mund, um den Hals und an den Fingern Jan Achberger.

      „Hallo, Frau Doktor“, sagte er mit übertriebener Freundlichkeit. „Wie geht es Ihnen?“

      Sie antwortete nicht, starrte den Blutsauger feindselig an.

      „Die Sache mit Ihrem Mann tut mir leid“, behauptete Achberger. „Ehrlich. Man ist schließlich kein Unmensch.“ Er nickte, als wäre er mit dem, was er gesagt hatte, sehr einverstanden. „Ich bedaure auch außerordentlich, dass ich auf Ihren Schmerz keine Rücksicht nehmen kann“, fuhr er mit betrübter Miene fort. „Ich bin Geschäftsmann und lebe nicht vom Draufzahlen. Ich muss sehen, wie ich mein Geld wiederkriege.“ Er rümpfte die Nase. „Ist nicht fair, was Norbert Ihnen angetan hat. Sich einfach so aus der Verantwortung zu stehlen und Sie mit einem Haufen Schulden sitzenzulassen.“ Er schüttelte den Kopf, als würde er ein so egoistisches Verhalten zutiefst verabscheuen. „Er kann keinen Augenblick an Sie gedacht haben. Er hätte das nicht tun dürfen. Das war nicht in Ordnung.“

      Achberger verlangte, dass Katja in den nächsten Tagen in sein „Büro“ kam, damit sie neue Zahlungsmodalitäten festlegen konnten. Dann wünschte er ihr einen guten Abend und verschwand.

      Seit Norberts schrecklichem Freitod war vieles in Bewegung geraten, und manches hatte sich aufgelöst und seine Gültigkeit verloren.

      Zu letzterem gehörte auch der Vertrag, den Katja bei „Flamingo“ unterschrieben hatte. Gabi Hauff hatte sie wissen lassen, dass sie sich nicht mehr daran gebunden zu fühlen brauche, und so war es möglich, dass Katja und Patrick zusammenkamen, ohne dass der junge Sektfabrikant dafür bezahlen musste.

      Aus dem gut honorierten Job war eine vorbildliche Freundschaft geworden, und wenn Patrick sich in dieser schweren Zeit nicht so sehr um Katja gekümmert hätte, wäre sie vielleicht einen ähnlichen Weg gegangen wie ihr Mann.

      Patrick spendete ihr Trost und bot ihr jenen Halt, den sie jetzt so dringend brauchte, und sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie ohne ihn verloren gewesen wäre. Als sie ihm von Jan Achbergers Auftritt vor der Paracelsus-Klinik erzählte, strich er ihr sanft übers aschblonde Haar und sagte: „Ich werde dafür sorgen, dass er dich in Ruhe lässt.“

      Sie sah ihn ängstlich an. „Was hast du vor?“

      „Ich werde zu ihm gehen und mit ihm reden.“

      „Dieser Mann ist gefährlich. Er arbeitet mit brutalen Gangstern zusammen. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt.“

      „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Patrick Kress lächelte zuversichtlich. „Ich bringe für

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