Die Giftmischerin. Bettina Szrama

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Die Giftmischerin - Bettina Szrama

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Miltenberg mehr wert als alle Taler auf dieser Welt. Denn dieser junge Mann will einzig und allein dich, mein Kind.« Er hoffte, damit ihre Entscheidung zu würdigen, um nicht den Eindruck zu hinterlassen, es ginge ihm nur um das Geschäftliche.

      Gesche erhob sich, umarmte den Vater und verbeugte sich manierlich vor dem Advokaten. »Monsieur von Post, ich empfinde es als eine Ehre.« Ein Strom von Tränen hinderte sie am Weitersprechen. Von Post, auf diese Art von ihrer Jungfräulichkeit überzeugt, wertete es als Erfolg seiner Mission. Denn Gesche hauchte mit letzter Beherrschung einen Kuss auf seinen Handschuh. Dann stürzte sie, vom Glück übermannt, zur Tür hinaus, rannte die Stufen zu ihrer Kammer hinauf und warf sich bäuchlings auf das Bett. Gleich darauf floss ein Strom Tränen aus ihr heraus und benetzte ihre Kissen. Die folgende Nacht verbrachte sie schlaflos in ihrem Bett, mit Träumen und Beten, unterbrochen von immer wiederkehrenden heftigen Tränenausbrüchen.

      »Es war ein so wunderschönes Fest, Kind. Noch nie habe ich vor Glück so geweint wie auf deiner Hochzeit«, wisperte Margarethe, die Nadel zwischen den Lippen, mit der sie geschickt Gesches Haar vom Knoten löste. Seit einer Stunde war sie bei der Tochter, um ihr beim Auskleiden zu helfen. Auf den Samtbezügen der Stühle lagen die Mieder und Unterröcke, während die Mägde geschäftig im Zimmer umherliefen, um die übrigen Hochzeitskleider in den Schränken und Truhen zu verstauen.

      »Was geschieht zwischen einem Mann und seiner Ehefrau?«, fragte Gesche leise die Mutter. Sie fühlte sich nicht wohl dabei.

      Bisher war der schönste Tag in ihrem Leben ganz nach ihren Wünschen gelaufen. Marie hatte sie morgens in aller Herrgottsfrühe mit schwerem Herzen angekleidet und auf dem Zimmer des Schwiegervaters wie eine Königin geschmückt. Dabei war ihr so manche Träne in den Brautstrauß gefallen, und sie hatte mehr als einmal die Prozedur mit dem Herrichten eines Opferlamms verglichen. Um acht Uhr kamen Vater und Mutter. Beide vergossen Tränen, als sie Gesche in dem weiten weißen Brautkleid sahen, und schlossen sie gerührt in ihre Arme. Gesche lachte leise vor sich hin. Ach, wie sehr hatte sie sich über Christophs Geschenk, ein Paar silberne Schuhe und ein Paar Seidenstrümpfe aus Hamburg, gefreut. Oh, wenn er sie doch hätte nur sehen können, in ihrem weißen Hochzeitskleid mit den Schuhen, die so gut zu den feinen Seidenstrümpfen passten. Die Trauung wurde im Miltenberg’schen Hause vollzogen, in der großen Hinterstube mit den wertvollen Ölgemälden. Pastor Horn hatte ihren Bund unter dem Bildnis der Mutter Jesu mit dem Kinde gesegnet. 30 der feinsten Herrschaften waren gekommen und hatten zu Abend gegessen. Bis um zwei Uhr nachts hatten sie getanzt und gelacht, und ihr Ehemann hatte nicht mit Komplimenten über ihre Schönheit gespart. Obwohl er mit Herrn von Post gewettet hatte, dass er nicht weinen würde, waren ihm die Tränen über die Wangen geflossen, als er zärtlich ihre Hände berührte und sie sanft auf den Mund geküsst hatte. Noch während sie speisten, hatte sie seine Finger auf ihrem Nacken gespürt. Kühle Finger, die ein seltsames Kribbeln hervorriefen. Heiß dagegen brannte sein Brautgeschenk, die goldene Halskette mit dem glitzernden Diamanten, auf ihrer weißen Brust. Jetzt lag er seltsam kalt zwischen ihren Brüsten. Sie nahm das Gestein zwischen ihre Finger und schloss die Augen. Dabei versuchte sie sich vorzustellen, was sie in diesem Augenblick für ihren Ehemann empfand. Doch so sehr sie es sich auch wünschte, es wollte kein Gefühl für ihn aufkommen. In ihrem Herzen gab es keine Regung, es blieb kalt, so kalt wie der Stein in ihrer Hand. Zu der anfänglichen Euphorie gesellte sich jetzt Angst, und sie bedauerte es lediglich, dass er sie nicht ein einziges Mal zum Tanze geführt hatte. Doch der Anblick ihres Spiegelbildes beruhigte sie wieder. Sie war stolz auf sich. Stolz auf ihre Schönheit, der alle Gäste, selbst der alte Herr Miltenberg, an diesem, ihrem schönsten Tag, gehuldigt hatten.

      »Bring deinem Ehemann den Gehorsam entgegen, den du uns, deinen Eltern, entgegengebracht hast. Alles andere findet sich von selbst«, wurde sie von Margarethe aus den Gedanken gerissen.

      Verwirrt schaute sie der Mutter ins Gesicht und erinnerte sich plötzlich an den Vater, wie er am Tag zuvor in ernstem Ton zu ihr geredet hatte, ihren Mann für alle Zeit treu zu lieben, ihn mit Fleiß und Ordnungsliebe zu erfreuen, fleißig in die Kirche zu gehen und den alten Schwiegervater zu ehren. Ihm ja immer die Speisen zu geben, deren sein kranker Körper bedurfte. »Darf ich keine Wünsche hegen, liebe Mutter?«, fragte sie plötzlich und nahm Margarethe den Kamm, mit dem sie ihr langes Haar glatt strich, aus der Hand.

      Margarethe schüttelte den Kopf. »Eine Frau hat ihrem Mann zu gehorchen. Du wirst ihn schon lieben, mein Kind, es sind deine eigenen Worte, erinnerst du dich …«, fügte sie etwas sanfter hinzu. »Bedenke, er ist ein sehr wohlhabender und schöner Mann. Schon das sind Gründe genug. Er wird dir die Welt zu Füßen legen, wenn du es nur verstehst, ihn an dich zu binden.«

      »Aber wie ist sie, die Liebe zwischen Mann und Frau, Mutter?« Gesche erinnerte sich an die tragische und zarte Liebe zwischen ihren Lieblingsfiguren Ferdinand und Luise. Seitdem träumte sie von ebenso romantischen Gefühlen. »Wird er zärtlich zu mir sein, Mutter?«

      »Als Ehefrau hast du deinem Mann Kinder zu gebären, Gesche. Einzig und allein deswegen wirst du diese Nacht bei deinem Gatten liegen. Allein deine jungfräuliche Tugendhaftigkeit ist entscheidend für dein weiteres Leben mit ihm als seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder.«

      Gesche sah, wie sie sich mühte, die schwere Bettpfanne unter das Laken zu schieben, mit einem verschmitzten Lächeln auf dem zu früh gealterten Gesicht. Noch nie war es ihr so deutlich geworden, wie rissig ihre Lippen vom ewigen Nadelhalten waren und wie sehr das Wollnähen ihre einst so klaren braunen Augen vorzeitig getrübt hatte. Sie spürte, dass die Mutter ihrer Frage auswich, und umfasste die über das Bett gebeugte Gestalt mit einem langen, nachdenklichen Blick.

      Ihr Kopf lag auf dem seidenen Kissen, zwischen Spitzen­volants und Daunenkissen, umgeben von der Flut ihrer blonden Haare. Leise hatten die Mutter und die Mägde den Raum verlassen, nicht ohne noch vorher die Bettpfanne zu entfernen und die Kerzen auf den silbernen Leuchtern an den Wänden auszulöschen. Nun blickte sie mit klopfendem Herzen hinauf zu den Schnitzereien am Baldachin.

      Jedes Geräusch, selbst das leise Piepsen einer verirrten Maus, verursachte ihr plötzlich Qualen banger Erwartung. Mit einem Mal war der Lärm der rauschenden Festlichkeit verklungen, und es herrschte wieder Stille im Haus. Eine lähmende Stille, die ihr große Angst einjagte. Die meisten Gäste waren spät wieder abgefahren oder schliefen, vom Wein berauscht, in den Zimmern. Eben noch von Vater und Mutter behütet wie ein Kleinod, spürte sie sich plötzlich in der Einsamkeit ausgestoßen wie ein Kuckuck aus dem warmen Nest. Schließlich wurde es ihr kalt, und sie zog die Bettdecke hinauf bis an das Kinn. Der seidene Stoff wärmte nicht, er fühlte sich kühl an, wie ein Totenlaken. Um sich abzulenken, versuchte sie, sich die letzten Stunden ins Gedächtnis zu rufen. Leichtfüßig wiegte sie sich noch einmal in den Armen der Offiziere unter den bewundernden Blicken der Zuschauer. Bei dem Gedanken an die vielen Geschenke, die sie bekommen hatte, begannen ihre Augen erneut zu glänzen. Marie, die den ganzen Tag nicht von ihrer Seite gewichen war, hatte sie zum Dank einen wertvollen goldenen Ring geschenkt, von denen sie nun im Überfluss hatte. Zu dumm nur, dass Marie ihr unter Tränen die Großzügigkeit mit einem Gegengeschenk vergalt, einer kleinen goldenen Mundtasse. Als sich später beim Vergleich der köstlichen Metalle herausstellte, dass der Ring eine falsche, wertlose Komposition war, verließ Marie die Festlichkeit wütend und enttäuscht. Bei dem Gedanken, dies könnte ein böses Omen für ihre Zukunft bedeuten, fror sie noch stärker. Wehmütig dachte sie an den Vater. Oh ja, den Vater hatte sie zu Recht stolz und glücklich gemacht. Richtig traurig war es ihr beim Abschied zumute gewesen, und sie wäre am liebsten wieder mit ihm nach Hause gegangen. Wie ihr so in diesem Moment die Tränen über die Wangen liefen, raschelte es hinter dem schweren Türvorhang und Gerhard trat in das Zimmer. Er stand im Halbdunkel, und sie vernahm vorerst nur seine schweren Schritte. Mehrmals verhielt er im Schritt, und es war wieder still. Dann hörte sie, wie er eine Schranktür öffnete und wie sein Kehlkopf glucksend auf und nieder hüpfte.

      Ihre Finger verkrampften

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