Die Giftmischerin. Bettina Szrama

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Giftmischerin - Bettina Szrama страница 13

Die Giftmischerin - Bettina Szrama

Скачать книгу

Augen schaute sie die Mutter an. Die vom Weinen angeschwollenen Augen mit den verwischten Tränenspuren auf der durchsichtigen Haut berührten das Mutterherz. Doch geschickt wusste sie ihr Mitgefühl über das veränderte Aussehen vor der Tochter zu verbergen. Tröstend, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, sagte sie: »Na, siehst du. Ich bin doch deine Mutter und weiß, was dich aufheitert.«

      »Nichts weißt du, Mutter«, schluchzte Gesche, »überhaupt nichts.«

      Zumindest hatte sie nicht verlernt zu widersprechen, stellte Margarethe nun ernüchtert fest. Sie erwartete eine Erklärung und suchte in ihrem Ledertäschchen nach einem Taschentuch. Als sie es gefunden hatte, reichte sie es der Tochter mit den Worten: »Nun wische dir erst einmal die verlaufene Schminke vom Gesicht, Kind. Du siehst ja aus, wie eine aus diesen Häusern …«

      »Ja, sprich es ruhig aus. Ich sehe aus wie eine seiner Huren, und es ist mir sogar egal«, jammerte Gesche. Sie zerfloss weiterhin vor Selbstmitleid und gab ihr das bestickte Taschentuch zurück. »Seit Wochen meidet Miltenberg das Alleinsein mit mir. Bis spätabends ist er außer Haus und sucht sein Vergnügen bei Spiel und Trank in anrüchigen Etablissements. Vor ein paar Tagen erst hat ihn die Schwiegermutter, die er angeblich hasst, gebeten, ihn bei ihrer Abreise nach Braunschweig zu begleiten. Und Miltenberg hat nichts Eiligeres zu tun gehabt, als ihr zu folgen. Stell dir vor, der Mutter, jener Frau, die ihn einst fast ruiniert hat. Daraufhin habe ich voller Sehnsucht auf seine Rückkehr gewartet, in der Hoffnung, die kurze Trennung würde ihm vielleicht guttun und in meine Arme zurückführen. Aber Miltenberg hat sich nicht geändert. Er treibt es jetzt nur noch schlimmer als zuvor«, schluchzte sie hörbar.

      »Du bist ihm doch eine gute Ehefrau? Ist er vielleicht krank, dein Ehemann?«, fragte Margarethe, neugierig geworden, und nahm der Magd das Tablett mit der Schokolade aus den Händen. Mit einem kleinen Silberlöffel rührte sie das dampfende Getränk um und reichte es Gesche. »Das Servieren ist Aufgabe der Mägde«, rügte Gesche die Mutter und wurde dadurch für einen Augenblick von ihrem Kummer abgelenkt.

      »Ich kann mich schlecht an solchen Luxus gewöhnen. Musst Geduld mit mir alter Frau haben«, antwortete Margarethe und rückte vertraulich näher. Schon seit langer Zeit brannte ihr diese eine Frage auf den Lippen. »Vielleicht liegt es daran, dass du noch nicht schwanger von ihm bist?«

      »Wie soll ich denn schwanger von ihm werden, wenn er nicht in meinem Bett schläft.«

      »Dann ist er doch krank. Eine so hübsche Frau wie dich, mein Kind, lässt ein Mann nicht so kurz nach der Hochzeit allein.«

      »Möglich«, überlegte Gesche und erfand eine Notlüge. »Er hat es jetzt öfter an den Augen und ist sehr in sich gekehrt. Ich glaube, er leidet an Depressionen.«

      »Ja, es ist bestimmt seine erste Ehe, die ihm noch immer zu schaffen macht«, entschuldigte Margarethe den Schwiegersohn und pries seine Vorteile. »Dafür bekommst du doch aber alles, was du dir nur wünschst von ihm. Denk nur an die schönen Kleider, von denen du früher immer so geträumt hast, den kostbaren Schmuck und die vielen gesellschaftlichen Vergnügungen, bei denen du als große Dame auftrittst.«

      »Ach ja.« Gesche seufzte. »An meinen Kleidern habe ich schon meine eitle Freude und an dem Stand der vornehm gebietenden Dame auch. Aber bei all dem fühle ich mich so leer und einsam.«

      »Das liegt sicher daran, dass du dabei gänzlich in Gottesvergessenheit geraten bist. Du gehst nicht mehr zur Beichte, und selbst sonntags sieht man dich nicht in der Kirche.«

      »Ohne Miltenberg gehe ich nirgendwo allein hin, nicht einmal in die Kirche. Ich bin eine tugendhafte Ehefrau«, antwortete Gesche, ärgerlich über die Mutter, die sie nicht verstehen wollte.

      »Nun ist aber genug«, beendete Margarethe das Gespräch und überlegte, wie sie der Tochter helfen konnte. Gleich darauf kam ihr eine Idee. Sie ergriff Gesches Hände.

      »Sinchen«, liebevoll gebrauchte sie den Kosenamen aus der Kinderzeit, »stell dir vor, im nächsten Monat, im Juli, finden wieder die Korporals-Mahlzeiten statt. Vater und ich werden diesmal hingehen, und es wäre reizend, wenn ihr beide, dein Ehemann und du, uns auf diese Festlichkeiten begleiten würdet. Du weißt, wie lustig es auf diesem Gelage zugeht. Es bietet euch vielleicht ein wenig Abwechslung.«

      Sofort war Gesche wie umgewandelt. Der Vorschlag zauberte wieder Farbe und ein Lächeln in ihr Gesicht. Die Aussicht eines Ballbesuchs wirkte Wunder und vertrieb sofort jeden Kummer.

      »Oh, Mutter, du erfüllst mir damit einen Herzenswunsch!«, jubelte sie und schloss Margarethe stürmisch in die Arme. »Wie wird Miltenberg sich erst freuen.«

      Vor Freude völlig aufgelöst, zog sie Margarethe hinter sich her die Treppe hinauf, wo sich das eheliche Schlafzimmer befand. Dort öffnete sie lachend den Kleiderschrank und begann sogleich, eifrig in den Schubladen und Kästen zu wühlen. Margarethe beobachtete sie gespannt, während ihre Hände prüfend über die in Rosa gehaltene, golden bestickte Damastbettdecke strichen. So viel Wohlstand, dachte sie, viel zu schade, um darin zu liegen, und tat Miltenberg Abbitte dafür, dass er ihr Kind so verwöhnte, als Gesche zwei der kostbaren Stücke neben sie auf das Bett warf.

      »Welches Kleid, meinst du, wird mir zu Gesicht stehen? Das rote oder das blaue? Oder soll mir der Vater ein ganz neues aus glänzender weißer Seide nähen?«, plapperte sie, und Margarethe konnte sich nicht sattsehen an der zarten, grazilen Schönheit der Tochter, die über ein neues Kleid wie närrisch lachen konnte. Um sie glücklich zu sehen, wetteiferte sie mit Miltenberg, und so las sie ihr gern jeden Wunsch von den Augen ab. »Ich werde Vater beauftragen, dass er dir ein Kleid näht, um welches dich alle Offiziersdamen beneiden werden. Und ich schwöre dir, Madame Miltenberg, unser geliebtes Kind, wird in diesem Jahr die Schönste auf dem Fest sein.«

      Krampfhaft bohrten sich Gesches Fingernägel in das weiche Holz, bis die schmalen Knöchel vor Anstrengung weiß anliefen. Der kleine Mahagonitisch vor dem großen Spiegel hatte sie in ihrer Hilflosigkeit aufgefangen. Seit Minuten lehnte sie nun schon so mit geschlossenen Lidern, die Stirn gegen das kalte Glas gepresst. Nur langsam wollte das Gefühl der Ohnmacht von ihr weichen und ließ sie wieder klarer sehen und denken. Es war nicht das erste Mal, dass es ihr unwohl wurde und ihr Leib sich krampfartig zusammenzog. Hatte sie anfänglich versucht, sich einzureden, der Walzer und der reichlich geflossene Rotwein seien schuld an dem Übel, spürte sie nun mit dem feinen Instinkt des Weibes, dass sie von ihrem Gatten schwanger ging. Die Erkenntnis war niederschmetternd für sie. So niederschmetternd, dass sich ihr hübsches Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzog. Allein im Foyer, überkam sie plötzlich beißende Ironie. Sie neigte den Oberkörper nach hinten, um den Bauch zu betonen, und sagte bissig zu ihrem Spiegelbild: »Nun, fühlst du dich so glücklich, Madame? Dick und hässlich. Niemand wird dich mehr beachten. Einsamkeit und geistige Leere werden dein künftiges Leben bestimmen.« Oh, wie sie sich vor diesem Leben fürchtete, wie sehr sie sich vor den Schmerzen einer Geburt ängstigte und wie sehr sie dieses ungeborene Kind in ihrem Bauch bereits jetzt dafür hasste.

      Lautes Gekicher im Hintergrund ließ sie erschrocken zusammenfahren, und die Angst, dass ihr Geheimnis entdeckt worden war, trieb ihr schamhaft die Röte in die Wangen. Rasch legte sie ein Lächeln auf und zupfte verwirrt ein paar verirrte Löckchen aus der Stirn. Gleichzeitig strafften sich ihre Schultern. Sie hatte Miltenberg im Spiegel entdeckt, mit verschwitzter Brust, im offenen Hemd und mit zwei liederlichen Frauenzimmern. Die jungen Frauen kannte sie nicht. Sie gehörten zu jenen bunten, schillernden Offizierstöchtern, die wenig von Ehrbarkeit und Sitte hielten. Miltenberg in ihrer Mitte schien reichlich vom Wein genossen zu haben. Das blonde Haar klebte ihm wirr in wilden Locken am Kopf. Den Frack hatte er irgendwo abgelegt und das gebundene Tuch am Hals gelöst. Rote Schminke zierte die helle Seide. Obwohl alle drei unbeholfen über das Parkett schwankten, hielt er die Frauen fest in seinen Armen. Die drei schienen bester Laune zu sein. Die Weiber lachten und

Скачать книгу