Die Giftmischerin. Bettina Szrama
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»Sie müssen verstehen, Herr Magister«, redete der Vater weiter, »dass ich mich schäme, für meinen Sohn als Brautwerber aufzutreten.«
»Ich würde mich dem Mädchen schon gern vorstellen, aber wie? Auf dem Korporalsball ist sie mir angenehm aufgefallen. Aber es war kein Herankommen. Die Schöne wurde von ihrer Familie bewacht wie ein seltenes Kleinod. Sie tanzte nicht einmal, obwohl es viele Männer gab, die das Glück gern gehabt hätten. Stattdessen drehte sie sich immerfort nur mit Marie im Kreise, der einzigen Tochter des Klavierlehrers.«
»Die beiden Familien sind miteinander befreundet. Ich kenne das Mädchen«, ergänzte von Post den jungen Miltenberg. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, meine Herren. Wie wäre es, wenn ich in Gerhards Namen als Freiwerber bei dem Schneidermeister Timm vorspreche, damit das mörderische Streiten endlich ein Ende hat und wieder Frieden in dieses schöne Haus einzieht. Ich schließe mich da ganz Ihrer Meinung an und finde auch, dass die liebliche Gesche Timm der Retter für das Miltenberg’sche Hauswesen ist. Ihr Vater ist ein einfacher Schneidermeister. Er gilt als arm, aber nicht unbedingt als gänzlich unvermögend. Allerdings würde ich Ihnen, Gerhard, raten, die Jungfer näher kennenzulernen. Denn nichts gedeiht ohne Liebe. Vielleicht mag Sie die Jungfer ja gar nicht und weist Ihr Werben zurück.«
»Das Mädchen wird doch nicht so dumm sein, ein Vermögen auszuschlagen.« Heinrich Miltenberg vermochte sich nicht vorzustellen, dass irgendjemand die Armut dem Reichtum vorziehen könnte.
»Eben sagten Sie noch, dass der finanzielle Ruin näher rücke?«, grinste von Post und winkte Gerhard heran. Wie Verschwörer steckten sie nun die Köpfe zusammen. »Ich würde vorschlagen, dass Sie das Kleid, welches Ihre verstorbene Ehefrau einst bei dem Schneidermeister Timm hat anfertigen lassen, der Jungfer Timm verehren und sie gleichzeitig mit zwei Theaterkarten beglücken. Dort sollte es Ihnen nicht schwerfallen, mit der schönen Gesche ein Gespräch über die Kunst und das Theater zu beginnen«, riet er dem Sohn und fasste ihn scharf ins Auge. »Danach bleibt Ihnen noch eine ganze Woche Zeit, um ihre Gunst zu buhlen, was Euch Schwerenöter ja nicht schwerfallen dürfte. Ich werde mich dann am kommenden Sonntag, Anfang Februar, als Freiwerber bei dem Schneidermeister Timm vorstellen.« Rasch streckte er die Hand aus und sagte abschließend: »Ihre Hand darauf, meine Herren. Machen wir eine Wette, dass schon im nächsten Monat März die jungen Leute vor dem Traualtar stehen werden.«
Die eben noch miteinander verfeindeten Herren Miltenberg erinnerten sich plötzlich wieder, dass sie Vater und Sohn waren. Ihre Gesichter glühten, und beide lobten ziemlich redselig die Vorzüge der schönen Gesche. Nachdem sie in die Hand des Magisters einschlugen, umarmten sie sich unter Tränen in nie gekannter Einigkeit, bis von Post, um nicht zu stören, sich leise auf Zehenspitzen rücklings mit einem verschmitzten Lächeln aus dem Zimmer schlich.
Mit klopfendem Herzen, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, schritt Gesche die breiten, mit Teppichen ausgelegten Stufen zu den Rängen hinauf. Die kleinen Füße versanken in dem weichen dunkelroten Flor und vermischten sich im Licht der Foyerbeleuchtung mit dem Rot ihrer Wangen, während ihre Augen neugierig die festlichen Roben der Besucher betrachteten. Dabei senkte sie bei jedem bewundernden Blick der anwesenden Herren verlegen die Lider. Insgeheim jedoch genoss sie die Aufmerksamkeit, die ihr, je näher sie dem Saal kam, zuteilwurde.
»Ich bin so aufgeregt«, flüsterte sie der Freundin zu, die beruhigend ihre Hand drückte.
»Keine Angst, Gesche«, antwortete Marie und schaute sich suchend um. »Dein Herr Vater wird dich schon nicht aus den Augen lassen.« Es sollte ein belustigender Hinweis darauf sein, dass Gesche mit ihren 21 Jahren keinen Schritt ohne die strenge Aufsicht der Eltern unternahm. »Wo ist dein Bruder, Gesche?«, fragte sie, während sie nach dem feschen Husaren unter den Theatergästen Ausschau hielt. Schon geraume Zeit betete sie Gesches Bruder heimlich an und hätte es sich gewünscht, dass er um sie freite.
»Sein Regiment, bei dem er sich hat einschreiben lassen, ist gestern nach Paris abgerückt. Mach dir keine Hoffnungen, liebe Marie. Mein Bruder Christoph genießt das Abenteuer. Er wird nie ein biederer Ehemann werden. Verschwende deine Aufmerksamkeit besser an die vielen unverheirateten Herren hier in der Komödie. Ist es nicht wunderschön? Hier finden wir bestimmt einen wohlhabenden Ehemann.«
»Für dich, Gesche hält sich hier sicher ein Freier verborgen. Woher sollten sonst die Karten für die teure Loge herkommen? Oder dein wunderschönes Kleid.«
Sie blickte ein wenig neidvoll auf Gesche und dann seufzend an sich herunter. »Heute schauen alle Menschen nur auf dich. Genieße es, Gesche. Ich bin gegen dich nur ein schwarzes, unbedeutendes Schäfchen.«
»Deine Worte machen mich traurig, Marie«, antwortete Gesche betrübt und blieb am Treppenabsatz stehen. »Wir ergänzen uns doch wie Geschwister.« Sie sah der dunkelhaarigen Marie herausfordernd in die rehbraunen Augen und strich ihr eine Locke aus der Stirn. »Du bist doch das Gegenstück zu mir, dunkel und feurig, wie eine rote Rose. Nein, nein, die Blicke der schneidigen Herren gelten eher dir als mir. Wenn sie mich ansehen, dann schauen sie nur wegen des aufwendigen Kleides. Es ist aber auch zu schön«, sinnierte sie und drehte sich kokett vor der goldenen Spiegelwand. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben trug sie kein Schultertuch aus Leinen, und sie betrachtete entzückt ihre runden Schultern, die sich im gedämpften Licht von der rot-goldenen Samttapete des Foyers weiß wie Alabaster abhoben. Die blonden Locken hatte ihr die Mutter in kleinen Löckchen kunstvoll zu einer kleinen Krone aufgetürmt und mit einem zum Kleid passenden Diamanthaarband festgesteckt. Zu dem lang fließenden Kleid aus romantischer zartroter Seide und heller Spitze trug sie elegante lange Handschuhe, die bis zum Ellbogen reichten. Dazu hatte sie die Taille zum ersten Mal geschnürt, was ihre kleinen weißen Brüste geheimnisvoll hervorhob.
»Du bist wunderschön, Gesche«, gestand ihr Marie neidlos zu. »Wenn man bedenkt, dass dieses Kleid einst für eine andere Trägerin genäht wurde und nun deinen herrlichen Körper schmückt. Du bist ein Glückspilz, man kann dir nur gratulieren, Gesche.«
»Wenn ich nur wüsste, wer mir dieses Kleinod geschenkt hat.« Gesche betrachtete ungeduldig drei Herren an der Getränketafel, die lautstark den hauseigenen Wein lobten. »Christoph kann es nicht gewesen sein. So viel Groten besitzt er nicht.«
»Das Kleid ist mindestens mehrere Reichstaler wert. So etwas kann nur ein wohlhabender Freier«, antwortete ihr Marie und zupfte an dem in Falten gelegten Überwurf aus kostbarem Atlas. »Aber wer?«, sinnierte Gesche. »Vater sagte, das Kleid hatte einst eine reiche Dame bei ihm in Auftrag gegeben.«
»Und dann nicht abgeholt …«, grinste Marie und zog Gesche vom Spiegel weg zu den Eingängen. Die hohen, mit Gold beschlagenen Türen standen offen, und vor jedem Eingang empfing ein junger Lakai in einer blauen Livree die Herrschaften. Gesche staunte und hielt, unschlüssig, zu welcher Tür sie sich wenden sollte, Marie am Arm zurück. »Welche Loge ist es?«, fragte sie ängstlich.
Marie wusste, es war ihr peinlich, ohne die Brille nichts auf dem Billett erkennen zu können.
Im gleichen Augenblick trat einer der französischen Lakaien auf sie zu, verbeugte sich bis zur Erde und fragte: »Darf ich die Damen zu ihrem Platz geleiten?«
Doch ein junger Herr im Zylinder, mit Haaren so schwarz und wild wie sein Anzug, schälte sich aus der Gruppe an der Getränketafel und kam ihm zuvor.
»Ich sehe, die Damen sind unschlüssig …?«, fragte der rasch Herbeigeeilte höflich und trennte die Freundinnen, indem er mit einer galanten Verbeugung jeweils einen zarten Kuss auf die dargebotenen Fingerspitzen hauchte.
»Peter Kassow ist mein Name. Darf ich