Die Stunde der Wahrheit. Christian Macharski
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Die Stunde der Wahrheit
Im Kuhstall von Landwirt und Ortsvorsteher Hastenraths Will wird ein verwirrter, älterer Herr aufgegriffen. Es stellt sich heraus, dass er an einer Amnesie leidet und vermutlich aufgrund eines traumatischen Erlebnisses sein Gedächtnis verloren hat. Der Mann ist hochintelligent und verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten. Vor allem sein Talent im buchhalterischen Bereich macht Hastenraths Will sich zunutze, da zur selben Zeit eine äußerst heikle Betriebsprüfung auf seinem Bauernhof stattfindet. Während der Mann ohne Gedächtnis, dem man den Namen Walter gibt, verzweifelt um seine Erinnerung kämpft, begeben sich auch Will, Hauptkommissar Kleinheinz und Richard Borowka auf Spurensuche. Je näher sie dem Geheimnis von Walters Identität kommen, desto mehr verwischt die Grenze zwischen Gut und Böse. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem die Ermittler auf schmerzliche Weise erkennen, dass es ein schmaler Grat ist, auf dem der Mensch wandelt.
Über den Autor
Christian Macharski wurde 1969 in Wegberg geboren. Seit 1991 ist er hauptberuflich als Kabarettist und Autor tätig. Er war 17 Jahre lang Teil des Comedyduos „Rurtal Trio“, das sich 2008 trennte, schrieb und inszenierte Programme für Kollegen sowie mehrere eigene Soloprogramme. Darüber hinaus arbeitete Macharski als Autor für verschiedene Fernsehsender (WDR, SAT1, RTL) sowie als Kolumnist für die Aachener Nachrichten und aktuell für die Rheinische Post. Die Figur des Hastenraths Will verkörpert Macharski regelmäßig auf der Bühne, im Radio und im TV. „Die Stunde der Wahrheit“ ist der achte Teil der beliebten Dorfkrimireihe um den ermittelnden Landwirt.
Außerdem als Taschenbuch erhältlich:
Das Schweigen der Kühe (ISBN print 978-3-9807844-4-3)
Die Königin der Tulpen (ISBN print 978-3-9807844-5-0)
Das Auge des Tigers (ISBN print 978-3-9807844-7-4)
Die Rache des Waschbären (ISBN print 978-3-9816638-4-6)
Der Tango des Todes (ISBN print 978-3-9807844-8-1)
Die Höhle des Löwen (ISBN print 978-3-9816638-0-8)
Die Geliebte des Mörders (ISBN print 978-3-9816638-6-0)
© 2018 by paperback Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Abdruck, auch auszugsweise,
nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags
Umschlaggestaltung: Kursiv, Oliver Forsbach
Fotos: Wilfried Venedey, Carl Brunn
Lektorat: Kristina Raub
Satz & Layout: media190, Wilfried Venedey
E-Book-Konvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN 978-3-947365-01-2
Die Personen und Handlungen der Geschichte sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Die Protagonisten des Romans basieren auf Bühnenfiguren des Comedy-Duos Rurtal Trio.
Für Claudia
Prolog
Hastenraths Will nahm einen letzten, tiefen Schluck aus der Kaffeetasse. Mit einem unüberhörbaren Schmatzer bestätigte er seiner Frau, was sie ohnehin schon wusste. „Marlene, du machst der beste Kaffee von ganz Saffelen!“ Der Ortsvorsteher des kleinen Dorfes sprang auf und forderte seinen Nachbarn Richard Borowka, der ebenfalls mit am Küchentisch saß, mit einer unmissverständlichen Handbewegung auf, ihm zu folgen. Die beiden Männer waren bereits seit Tagen damit beschäftigt, die Zimmer im Obergeschoss zurückzubauen. Vor einiger Zeit hatten Marlene und Will geplant, aus ihrem landwirtschaftlichen Betrieb einen Erlebnisbauernhof zu machen, um den wirtschaftlichen Veränderungen im Agrarwesen Rechnung zu tragen. Nach einem schrecklichen Zwischenfall kurz vor der Eröffnung hatten sie den Plan jedoch wieder fallen lassen. Nach und nach wurden aus den Gästeappartements wieder normale Zimmer für Übernachtungsbesuch oder zum Unterstellen von Möbelstücken. Will und Borowka waren seit dem frühen Morgen dabei, in einem der Räume eine Zwischenwand einzuziehen, um das neue Bügelzimmer von Marlene mit einem separaten Abstellraum für die Heißmangel zu versehen. Das Gerüst aus Metall war bereits fertig montiert, jetzt mussten noch die Gipskartonplatten angebracht werden.
„Komm, beweg dich, Richard“, insistierte Will, der bereits in der Tür wartete, „die Pflicht ruft!“
Borowka schaute ihn aus müden Augen an. Die letzte Nacht war kurz gewesen. Zusammen mit ein paar Kumpels vom Fußball hatten sie den 43. Geburtstag seines besten Freundes Fredi Jaspers nachgefeiert und waren zu später Stunde, wie immer, in Himmerich gelandet, der angesagtesten Landdiskothek der gesamten Region. Die zwei Stunden Schlaf, die ihm nach seiner Rückkehr noch geblieben waren, machten sich bei Borowka in diesem Moment in schlimmen Gliederschmerzen und einem fürchterlichen Brummschädel bemerkbar. Schwerfällig erhob er sich dann doch noch und trottete Will hinterher. „Danke für der Kaffee“, murmelte er noch, bevor er im Flur verschwand.
Marlene lächelte gütig und räumte das Geschirr ab. Sie sah auf die Uhr. Es war schon kurz vor neun. Allerhöchste Zeit, die Kühe und die Schweine zu füttern.
Nachdem sie in einem großen Emaille-Spülbecken im Hof das Schweinefutter angemischt hatte, füllte sie es in einen massiven Holzeimer und schleppte diesen in den Kuhstall, der im Durchgang zu den Schweineboxen lag. Sie stellte den Eimer ab, nahm die große Mistgabel mit den vier Zinken von der Wand und begann zunächst einmal damit, die Futtertröge der Kühe mit Heu zu füllen. Die burschikose Bauersfrau liebte diese Tätigkeit. Schon als Kind hatte sie sich auf dem Hof ihrer Eltern immer freiwillig für diese Aufgabe gemeldet. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an den großen, schwarzen Kuhaugen, die vor Glück glänzten, wenn die Tiere einander rempelnd und schubsend an die Futterstelle gelaufen kamen. Die Kühe im Stall der Hastenraths konnten sich im Stall frei bewegen, aber jede der 18 Kühe wusste genau, wo ihr Platz war. Und so reihten sie sich innerhalb kürzester Zeit nebeneinander auf und verschlangen gierig das Heu, das Marlene aus einem großen Haufen heraus in die Tröge schaufelte. Immer schneller wurde sie, so sehr beflügelte sie der Anblick der aufgeregten Tiere. Mit großer Wucht stieß sie die Forke wieder und wieder in den aufgeschichteten Heuberg und freute sich jedes Mal, wenn das Büschel, das daran hängen blieb, besonders groß war. Die Kühe dankten es mit glücklichem Muhen.
Das rauschhafte Schaufeln wurde jäh unterbrochen, als die Mistgabel plötzlich im Heuhaufen stecken blieb. Marlene spürte einen kurzen Schmerz in der Schulter, der von der ruckartig abgebremsten Bewegung rührte, und betrachtete staunend die aufrecht im Heu stehende Gabel, die noch leicht hin- und herwippte. Obwohl ihr dieser Moment ewig vorkam, konnten höchstens Bruchteile von Sekunden vergangen sein, denn gleichzeitig ging ein dumpfer Schrei durch den Stall. Noch ehe Marlene Ursache und Wirkung zusammenbringen konnte, sprang ein nur mit einem T-Shirt, einer verdreckten Jeanshose und Socken bekleideter graubärtiger Mann aus dem Heu und baute sich mit schmerzverzerrtem Gesicht vor ihr auf. In seinem linken Oberschenkel steckte nicht allzu tief ein Zinken der Mistgabel. Der lange Holzstiel bog sich nach unten. Die Adern am Hals des Mannes traten breit hervor und sein ebenmäßiges Gesicht verzerrte sich zu einer zornigen Grimasse, als er die Forke mit einer schnellen, wütenden Bewegung aus seinem Bein riss. Dann machte er mit einem weiteren lauten Schrei einen Satz nach vorn. Mit ausgestreckten Händen versuchte er, Marlenes Hals zu greifen.
Erst