Die Perfekte Nachbarin. Блейк Пирс
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Zusätzlich zu der Tatsache, diesen gestandenen Mann im Fresskoma bei sich zu haben, beruhigte es sie außerdem, dass ihre Wohnung praktisch ein Tresorraum war. Sie hatte sie absichtlich so konstruieren lassen, als ihr leiblicher Vater, ein Serienkiller namens Xander Thurman, sie verfolgt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass sie sich dem Familienunternehmen anschließen müsse oder andernfalls zu dessen Opfer werden würde.
Also hatte sie sich eine Wohnung zugelegt, die von pensionierten Cops bewacht wurde, über einen Parkplatz verfügte, der rund um die Uhr überwacht wurde, und in der jeder Flur und jeder umliegende Platz über Kameras verfügte. Aber das war noch nicht alles.
Sie war eine von wenigen Bewohnern – alle mit profilierten Jobs – die auf der geheimen 13. Etage lebten, die den meisten anderen Leuten im Haus unbekannt war. Man konnte sie nur über eine Treppe vom 12. oder 14. Stock aus erreichen, die hinter Flurschränken verborgen war.
Zusätzlich hatte Jessie für die Wohnung ihr eigenes, ausgeklügeltes Sicherheitssystem installieren lassen, inklusive diverser Schlösser und Alarme. Der einzige Vorteil aus ihrer Ehe mit einem zwar mordsüchtigen, jedoch auch extrem wohlhabenden und erfolgreichen Finanzberater hatte darin bestanden, dass sie nach ihrer Scheidung selbst wohlhabend geworden war.
Trotz all dieser Vorkehrungen wusste sie, dass Kyle, ein Soziopath, der sie ein Jahrzehnt lang hinters Licht geführt hatte, gerissen und skrupellos war. Er war beinahe mit Mord davongekommen. Er hatte sich einer langen Gefängnisstrafe entziehen können. Sie wusste, dass er durchaus in der Lage war, ihre sicherheitstechnischen Vorrichtungen zu umgehen.
„Lust auf Dessert?“, fragte Hannah sie vom Esstisch aus und brachte Jessie damit wieder in die Gegenwart, als sie die restlichen Teller abspülte. „Ich habe Birnentörtchen gemacht.“
Jessie war schon voll, wollte die zerbrechliche, positive Stimmung des Abends jedoch nicht zunichtemachen.
„Ich platze gleich, aber ein kleines Stück probiere ich gern“, erwiderte sie, was ihr ein zufriedenes Lächeln ihrer Halbschwester einbrachte.
Jedes Lächeln, das sie heutzutage ergattern konnte, war etwas Positives. Auch wenn, oberflächlich betrachtet, alles, was in der Wohnung vor sich ging, angenehm zu sein schien, so brodelte es darunter doch gewaltig. Ryan hatte Hannah zunächst um Erlaubnis gefragt, bevor er das Thema Zusammenziehen angesprochen hatte. Auch wenn das sehr rücksichtsvoll von ihm gewesen war, so spürte Jessie dennoch, dass Hannah nur aus Höflichkeit Ja gesagt hatte, nicht aber, weil sie sich darüber freute.
Es war offensichtlich, dass Hannah sie glücklich sehen wollte. Aber es war auch klar, dass sie sich die Wohnung nicht unbedingt mit einem verliebten Paar teilen wollte; und schon gar nicht, wenn beide für die Polizei arbeiteten.
Gerade, als Jessie darüber nachdachte, kam Hannah rüber, nahm die Törtchen aus dem Ofen und warf das kleinste – das außerdem ein wenig verkohlt war – auf die feuchte Küchentheke neben Jessie.
„Lass es dir schmecken“, nuschelte sie.
„Danke“, erwiderte Jessie, die sich lieber darauf konzentrierte, dass man ihr einen Nachtisch angeboten hatte, anstatt auf die Art und Weise, wie ihr dieser serviert worden war.
Manchmal zeigte sich Hannahs Ablehnung durch ihr passiv-aggressives Teenager-Verhalten, oder, wie in diesem Fall, in Form von verkohlten Birnentörtchen. Manchmal zeigte sie sich durch missmutiges Schweigen. Nicht ständig, aber es trat dennoch so oft zutage, dass man es nicht leugnen konnte. In ihren grünen Augen lag dann eine gewisse Hitzigkeit, sie ließ die Schultern hängen und ihre sandfarbenen Haare waren dann zu einem strengen, schnöden Pferdeschwanz zusammengebunden.
Für Jessie und Ryan waren die Umstände auch nicht gerade rosig. Denn keiner von beiden traute sich, ihre Verliebtheit voll auszuleben; nicht mit einer 17-Jährigen, die in dem Zimmer gegenüber vom Wohnzimmer schlief. Sie lebten seit etwas weniger als einem Monat so zusammen, aber bereits jetzt war klar, dass sie sich bald über ihre künftige Wohnsituation würden unterhalten müssen.
„Bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die du hier hast, sollten wir die Schlafzimmer vielleicht schalldicht machen“, war das Einzige, was Ryan in dieser Sache von sich gegeben hatte.
Und dann war da noch das andere, das wie ein Damoklesschwert über allem hing. War Hannah Dorsey stabil? Jessie hatte vor nicht allzu langer Zeit das Sorgerecht für ihre Halbschwester, von deren Existenz sie bislang gar nichts gewusst hatte, erhalten. Sie hatte erst von ihr erfahren, nachdem ihr gemeinsamer Vater – der Serienkiller – Hannahs Adoptiveltern ermordet hatte. Dann hatte ein weiterer Killer namens Bolton Crutchfield ihre Pflegeeltern abgestochen, Hannah entführt und versucht, sie zu seinem Ebenbild zu formen. Das war eine Menge Trauma für einen Menschen, noch dazu für jemanden, der gerade erst in seinem vorletzten Jahr an der High-School war.
„Bitte sei vorsichtig mit dem Messer“, sagte sie, als Hannah damit unbedacht die restlichen Törtchen vom Backpapier auf dem Blech kratzte.
„Danke, Mom“, brummte Hannah leise und fuhr fort, das Messer wie eine Scheuerbürste zu verwenden.
Jessie seufzte, antwortete aber nicht. Der Anblick ihrer Halbschwester mit einem langen Säbelmesser in der Hand war etwas verstörend. Trotz ihrer Bemühungen, eine sichere Umgebung zu schaffen, machte sie sich Sorgen, dass in dem Mädchen vielleicht doch eine gewisse Mordlust steckte. Hatte sie diese eventuell entwickelt, nachdem sie am eigenen Leib erfahren hatte, welche Macht sie denjenigen, die sich von ihr mitreißen ließen, ermöglichte? Gab es da vielleicht einen Keim der Mordlust, der ihr vom Vater mitgegeben worden war? Und wenn ja, besaß Jessie diesen auch?
Das war eine Frage, über die sie monatelang gebrütet hatte. Sie hatte sie auch gegenüber ihrer Therapeutin, Dr. Janice Lemmon, angesprochen, die auch Hannah betreute. Sogar ihren Mentor, den berühmten Profiler Garland Moses, hatte sie gebeten, diesbezüglich nachzuforschen. Aber keiner hatte ihr eindeutige Antworten zu Hannahs Naturell geben können, genauso wenig, wie sie etwas Eindeutiges über ihren eigenen Charakter sagen konnte.
Die meiste Zeit über schien Hannah sich wie ein normaler Teenager zu verhalten, mit all den Launen und hormonellen Schwankungen. Aber angesichts des Traumas, das sie in den vergangenen Monaten erlitten hatte, war sogar dieses „Normal“ Anlass dazu, misstrauisch zu werden.
Jessie schüttelte den Kopf und versuchte, diese Gedanken abzuschütteln. Momentan lief alles halbwegs gut. Ihre Schwester hatte Nachtisch gemacht, auch wenn sie das verbrannte Stück bekommen hatte. Alle waren nett zueinander. Jessie sollte nächste Woche an ihren Schreibtisch zurückkehren und in der Woche darauf hoffentlich wieder voll als Profiler arbeiten. Alles schien vielversprechend.
Ja, es war frustrierend, Ryan jeden Morgen das Haus verlassen zu sehen, wie er ins Hauptquartier des LAPD fuhr, wo sie beide arbeiteten. Aber bald würde sie auch wieder dort sein. Dann würde sie in die Welt zurückkehren, die sie liebte, wo sie Killer überführen konnte, indem sie in deren Gedankenwelt eintauchte.
Für den Bruchteil einer Sekunde machte ihr die Tatsache zu schaffen, dass sie diese Welt „liebte“. Aber sie schob ihre leichte Besorgnis darüber rasch beiseite, zusammen mit einem Bissen von Hannahs exzellentem Birnentörtchen. Trotz des verkohlten Bodens schmeckte es köstlich. Während sich alle an ihrem Nachtisch labten, klingelte Ryans Handy. Sogar bevor er aufs Display schaute, war klar, worum es sich handelte. Um diese Zeit war es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall.
„Hallo?“, sagte Ryan, als er ranging.
Beinahe eine Minute lang hörte er schweigend zu. Jessie konnte kaum