Die Perfekte Nachbarin. Блейк Пирс
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„Können wir vielleicht Haut- oder Haarfasern von dem Strumpf kriegen?“, fragte Garland den Techniker.
„Vermutlich. Allerdings sehe ich auch Materialspuren darauf, die darauf schließen lassen, dass der Angreifer Handschuhe getragen haben könnte. Wir geben Ihnen Bescheid.“
Garland ließ Hernandez und das MBPD sich auf die Details des Tatorts konzentrieren, während er durchs Haus stromerte und versuchte, ein Gefühl dafür zu bekommen, was hier passiert sein könnte. Nirgendwo gab es ein Zeichen für eine Auseinandersetzung, was ihn vermuten ließ, dass Breems Theorie – dass man ihr entweder gefolgt war oder dass sie jemanden überrascht hatte – durchaus berechtigt war. Er wusste, dass sie es zumindest bis in die Küche geschafft hatte, bevor es passiert war. Aber wo im Haus sie sich sonst noch aufgehalten hatte, blieb ein Rätsel.
„Garland!“, hörte er Hernandez rufen.
Er ging zurück ins Foyer, wo ihn alle erwartungsvoll anstarrten.
„Ja?“
„Garth Barton will mit Ihnen reden“, sagte Hernandez. „Er besteht darauf und steht kurz vor einem Wutanfall.“
„Dann mal los“, seufzte Garland. „Ich will den VIP nicht warten lassen. Wo war er eigentlich, als das hier passiert ist?“
„Er behauptete, dass er auf dem Weg nach Hause war und dabei die ganze Zeit über ein Telefon-Meeting hatte“, sagte Breem zu ihm. „Er sagt, dass er täglich 70 bis 80 Minuten pendelt. Wir lassen das gerade überprüfen. Aber wenn er die Wahrheit sagt, dann hat er für den Zeitraum des Todes ein Alibi.“
„Das wäre schade, wenn das stimmt“, murmelte Garland leise.
„Warum?“, fragte Breem.
„Weil wir, wenn es nicht der Ehemann war, einen wirklich schwierigen Fall vor uns haben: stark frequentierte Gegend, kaum Sicherheitsvorkehrungen und wenige Sachbeweise.“ Dann fügte er mit einem zynischen Unterton, den er sich nicht verkneifen konnte, hinzu: „Ich beneide die Leute nicht, die diesen Fall hier lösen müssen.“
KAPITEL VIER
Kyle Voss wachte am nächsten Morgen auf und sprang behände aus dem Bett.
Sofort ließ er sich zu Boden fallen und machte 100 Liegestützen. Dann plankte er drei Minuten lang, gefolgt von 50 Liegestützsprüngen. Fünfzehn Minuten nach dem Aufstehen war er völlig verschwitzt, aber glücklich. Er ging ins Bad und zog sich aus.
Im Spiegel bewunderte er seinen Körper. Zwei Jahre im Gefängnis hatten zwar seine berufliche Karriere zum Stillstand gebracht, aber für seinen Körper waren sie ein Geschenk gewesen. Er war härter und fitter als er es seit seiner Zeit als Footballspieler in der High-School je gewesen war. Mit seinen knapp 1,90 Metern und soliden 98 Kilogramm war er der Meinung, dass man ihn durchaus für einen Spieler der National Football League halten könnte. Seine blonden Haare waren immer noch raspelkurz, eine Erinnerung an seinen Igelhaarschnitt vom Gefängnis. Seine blauen Augen waren klar.
Er stieg unter die Dusche, die er eiskalt aufgedreht hatte. Sorgsam wusch er jeden Zentimeter seiner Haut, darauf achtend, sich nicht zu beeilen und nicht zu zittern. Als er fertig war, trocknete er sich ab und zog seinen Lieblingsanzug an. Heute war ein wichtiger Tag, und er wollte gut aussehen.
Seit er aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte er sich bedeckt gehalten und die Grundlage für seine bevorstehenden Pläne gelegt, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber all das würde sich heute ändern. Heute würde er sich neu erfinden – und das vor den Augen der Öffentlichkeit. Das war ein bedeutender Schritt in seinem gesamten Plan, und alles musste reibungslos laufen. In seinem Magen spürte er ein leichtes Ziehen, und kurz darauf wurde ihm klar, dass das wohl die Nervosität sein musste.
Sein Tag war streng getaktet. Obwohl der Richter sein Verfahren eingestellt hatte, musste sich Kyle dennoch zweimal die Woche mit einem Bewährungshelfer treffen. Das machte ihm nichts aus. Bei diesen Treffen zu brillieren würde sich hundertfach bezahlt machen, wenn man irgendwann seinen Charakter anzweifeln würde.
Nach diesem Termin hatte er ein Meeting mit seiner kürzlich ins Leben gerufenen Stiftung WCP. Diese verteilte Gelder an Wohltätigkeitsorganisationen, die Häftlingen rechtlichen Beistand ermöglichten, wenn sie gegen falsche Anschuldigungen vorgehen wollten. Mit WCP konnte Kyle außerdem seine Buchhaltung etwas frisieren, was ihm schließlich dabei helfen würde, ein paar Freunden, die er hinter Gittern kennengelernt hatte, unter die Arme zu greifen.
Danach hatte er ein Interview mit einem lokalen Nachrichtensender, um über die Stiftung zu sprechen. Er hatte sich mit einer Medienexpertin getroffen, die ihm beigebracht hatte, wie er das Gespräch ausschließlich auf die Stiftung lenken konnte, ohne sich in unangenehme Fragen über die Gründe seiner Verurteilung verwickeln zu lassen – dieser ganze Kram mit Jessie. Das Interview war seine erste Testfahrt in diesen schwieriges Gewässern.
Anschließend würde er sich einem ganz anderen Thema widmen müssen. Er hatte einen Termin bei einer Vermögensverwaltung mit Sitz in Ranch Cucamonga, nicht weit von seinem Reihenhaus in Claremont entfernt. Er war in den kleinen College-Ort, etwa 50 Kilometer vom Zentrum von Los Angeles entfernt, gezogen, damit ihm niemand vorwerfen konnte, dass er sich seiner Ex-Frau unerlaubt näherte. Und wenn das Bewerbungsgespräch gut verlaufen sollte (seine Freunde in Monterrey hatten ihm versichert, dass es das würde), dann hätte er einen Legitimationsnachweis, der für das, was er für die nächsten Wochen und Monate geplant hatte, unabdingbar war.
Er brauchte die Glaubhaftigkeit und das Ansehen, das eine Position in einer hoch angesehenen Firma mit sich brachte. Außerdem brauchte er, auch wenn er es nicht gerne zugab, das Geld. Vor dieser ganzen Sache mit dem Mord hatte er einen schönen Batzen Geld verdient. Aber die Scheidung von Jessie und seine Anwälte hatten ein tiefes Loch in seine Konten gerissen. Zwar hatte er noch Zugang zu Finanzmitteln, die er während seiner Ehe geschickt verborgen gehalten hatte. Aber diese reichten nicht aus, um seine Stiftung am Laufen zu halten, seinen gewünschten Lebensstil zu finanzieren und die völlige Zerstörung der Welt seiner Ex-Frau in die Tat umzusetzen. Er brauchte dafür schlicht und ergreifend mehr Geld.
Gerade wollte er sein Frühstück beenden, da klingelte es an der Tür. Auf seinem Handy ließ er sich das Bild der Sicherheitskamera anzeigen und sah, dass es sich um seinen Bewährungshelfer handelte, was ihn nicht allzu sehr überraschte. Man hatte ihn vorgewarnt, dass solche unangekündigten Besuche nicht ungewöhnlich waren, und dass er sich dafür wappnen musste.
„Hi, Mr. Salazar“, sagte er, als er die Tür öffnete. „Ich dachte, wir treffen uns um neun in Ihrem Büro. Sie konnten es nicht erwarten, hm?“
„Sie sind sich hoffentlich bewusst, dass unangekündigte Besuche gestattet sind, Mr. Voss?“, fragte Salazar kurz angebunden.
„Natürlich“, erwiderte Kyle, als habe er ihn erwartet. „Ich dachte mir schon, dass Sie, nachdem ich so oft bei Ihnen war, endlich auch mal hier vorbeischauen. Ich bin gerade fertig mit dem Frühstück. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee? Mein Rührei mit Käse ist der Hit.“
„Nein danke. Das hier wird nicht lange dauern. Ich wollte nur mal sehen, was Sie für diese Woche geplant haben, um sicherzugehen, dass Sie sich an die Vorgaben des Gerichts halten.“