Gesicht des Zorns. Блейк Пирс
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Zoe nickte und ahmte dabei den Rhythmus nach, den sie bei ihrer Ärztin beobachtet hatte: Eins, zwei, drei, vier – und stopp. „Ich mache noch diese Woche einen Termin aus.“
Dr. Monk zögerte, biss sich auf die Unterlippe. Sie tippte sich mit ihrem Kugelschreiber auf die Haut neben der Lippe, in der anderen Hand hielt sie das noch unausgefüllte Rezept. „Wie viel trinken Sie zur Zeit?“, fragte sie .
Zoe zuckte erneut mit den Schultern. „So viel wie nötig ist, um die Zahlen zu betäuben.“
Zoe sah, wie der Umfang von Dr. Monks Augen sich vergrößerte. Die Haut hob sich mit ihren Augenlidern, die Winkel der Krähenfüßchen, gerade so an ihren Augenwinkeln sichtbar, änderten sich. „Also gut.“ Sie kritzelte mit einer schnellen Handbewegung etwas auf das Rezept, dann ging sie zu ihrem Schreibtisch und kramte in einer der Schubladen herum. „Also, ich möchte, dass Sie dieses Rezept einlösen, aber ich denke auch, dass sie etwas brauchen, um das Problem sofort in den Griff zu bekommen. Hiermit können Sie die Zwischenzeit überbrücken.“
Sie richtete sich mit einem Tablettenstreifen in der Hand auf, deren Silberfolie das durch die großen Fenster hereinströmende Licht reflektierte. Sie streckte die Hand aus, um Zoe die Tabletten hinzuhalten und Zoe nahm sie mit einer mechanischen Bewegung entgegen.
„Beginnen Sie heute Abend mit der Einnahme“, fuhr Dr. Monk fort. „Zu jeder Mahlzeit eine – morgens, mittags, abends. Nicht auf nüchternen Magen nehmen. Und bitte keinen Alkohol mehr trinken, okay? Davon sollten die Zahlen ebenfalls betäubt werden. Sollte man aber nicht mit Alkohol kombinieren. Geht das in Ordnung?“
Zoe nickte. „Ich fange heute Abend damit an“, sagte sie.
Dr. Monk atmete zögerlich durch. „Was haben Sie jetzt als nächstes vor? Hätten Sie Zeit für eine Therapiesitzung?“
„Ich fahre zur Arbeit“, sagte Zoe.
„Sie sind wieder im Dienst?“, Dr. Monk klang erschrocken.
„Nein. Meine Suspendierung ist gestern abgelaufen, aber ich bin nicht zum Dienst erschienen.“ Zoe atmete ebenfalls durch. „Ich muss allerdings mit meinem Chef reden.“
Dr. Monk nickte. „Okay. Dann machen Sie das. Aber ich möchte Sie möglichst bald wieder hier sehen.“
„Verstanden.“ Zoe machte sich auf den Weg zum Ausgang, die Tabletten hielt sie immer noch fest in der Hand. Sie traute sich nicht, sich noch einmal nach Dr. Monk umzusehen, denn die Zahlen krabbelten wie Ameisen über ihr Gesicht und Dr. Monk war sich ihrer Existenz noch nicht einmal bewusst.
Wieder im Auto angekommen, schnappte sich Zoe eine der Wasserflaschen, die sie im Türfach lagerte, und spülte damit eine der Pillen herunter. Sie konnte damit nicht warten. Um es durch ihr Gespräch mit Maitland zu schaffen, war sie jetzt auf ihre Unterstützung angewiesen.
Das J. Edgar Hoover-Gebäude hatte eine beruhigend komprimierte und geometrische Form, mit allerhand gerade Linien im unauffälligen Grau des Betons. Das gefiel Zoe, genau wie das Layout des Gebäudes: alles war symmetrisch angeordnet, mit identischen Designs auf den einzelnen Stockwerken, sodass man im Zweifel immer raten konnte, wo man langgehen musste. Das beruhigte sie ein wenig. Während sie darauf wartete, dass die Tablette ihre Wirkung auf die Zahlen entfaltete, hatte sie es so immerhin nur mit solchen Zahlen zu tun, die nicht ganz so störend waren.
Sie hatte damit gerechnet, eine Weile warten zu müssen, aber nachdem sie dreimal an die Tür geklopft hatte, an der SAIC Leo Maitlands Name stand, forderte er sie unverzüglich auf, einzutreten.
Zoe hatte also keine Zeit, nervös zu werden und griff sofort nach der Türklinke, drückte sie herunter und betrat den Raum. Das war auch besser so, dachte sie. Sie war es gewohnt, voller Anspannung draußen warten zu müssen und sich in der ganzen Zeit immer wieder zu fragen, weshalb sie wohl diesmal ermahnt werden würde, aber so konnte sie direkt eintreten und mit dem Gespräch beginnen.
„Agent Prime.“ Maitland richtete sich mit einiger Überraschung auf. Er legte die Unterlagen, die er gerade gelesen hatte, auf seinem Schreibtisch ab und sah zu ihr hinüber. „So bald hatte ich nicht wieder mit Ihnen gerechnet.“
Zoe nickte, denn sie wusste nicht, wie sie sonst darauf hätte reagieren sollen. „Ich habe mir die Akte zu dem Fall angesehen.“
„Und?“ Maitland legte seine Hände vor sich auf dem Schreibtisch ab, ordentlich ineinander gefaltet, geradezu erwartungsvoll. Zoe sah kurz zu den Händen hinüber, wodurch allerhand Winkel und Maße in ihrem Blickfeld erschienen, schaffte es aber, ihren Blick wieder von ihnen abzuwenden.
„Ich bin neugierig geworden“, sagte sie. „Nicht, dass ich den Fall annehmen will. Ich wollte bloß wissen, warum Sie mir die Akte gegeben haben.“
Maitland starrte sie für eine ganze Weile an, seine Miene unlesbar unter den Winkeln seiner Nase und Wangenknochen und deren Schnittpunkt mit den Linien seines Schädels an seiner Stirn. „Sie… waren schon immer die Beste für diese Art von Ermittlungen“, sagte er mit schroffer, aber ruhiger Stimme. „Sie glauben doch nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, wie gut Sie mit Fällen klarkommen, in denen es nicht um nullachtfünfzehn Serienmörder geht. Wenn es skurril wird, sind Sie besonders gut. Wenn wir über den Tellerrand hinaussehen müssen. Es mit intelligenten Tätern zu tun haben. Mit Tätern, die anders denken.“
Zoe dachte über seine Worte nach. Es stimmte, was er gesagt hatte. Aber sie wusste nicht, ob es ihr auch gefiel. Ob er sie damit indirekt nicht einfach als sonderbar bezeichnet hatte. „Ja, ich habe schon an einer Reihe ähnlicher Fälle gearbeitet“, gab sie zu, womit sie ihm nicht vollständig recht gab und auch nicht zusagte, diesen Fall zu übernehmen.
„Ich möchte Sie zu nichts drängen, Agent Prime“, sagte Maitland. „Wenn Sie die Arbeit wieder aufnehmen, aber noch gar nicht bereit dafür sind, dann könnte das schlimm enden. Für uns beide. Aber ich denke auch, dass ich Sie gut genug kenne, um zu wissen, dass es Ihnen am besten geht, wenn Sie ein Rätsel vor sich haben, das Sie knacken müssen. Ich sage es ganz offen: Ich wünsche mir, dass Sie diesen Fall übernehmen. Um ehrlich zu sein gibt es niemanden sonst, dem ich es so sehr zutrauen würde, diesen Fall zu lösen, wie Ihnen.“
Zoe hielt einen Moment inne, denn ihre Gedanken überschlugen sich. Es war schwer genug, sie überhaupt zu hören, zwischen all den Zahlen, die ihr die Dezibels, Wortlänge, Silben und die Ausmaße des Tisches und allem darauf mitteilten. Und als Zoe sie dann hörte, war sie sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Es wäre sicher sinnvoll, sich die Zähne an etwas Neuem auszubeißen, anstatt innerlich immer und immer wieder die gleichen Probleme und Sorgen durchzukauen. Dadurch konnte sie die Zahlen für etwas sinnvolles nutzen, so wie sie es früher getan hatten, indem sie sie auf Verdächtige und Tatorte und so weiter anwendete.
Es würde ihr guttun, etwas Positives zu bewirken. Vielleicht das ein oder andere Leben zu retten.
Zumindest, wenn dadurch außer ihr niemand sonst in Gefahr geriet.
„Ich übernehme den Fall“, sagte sie zögerlich. Maitlands Gesicht erhellte sich. Er konnte sich zwar immer noch kein Lächeln abringen, aber seine ansonsten geradezu versteinerte Mimik war doch einem ungewohnt munteren Gesichtsausdruck gewichen. Zoe fuhr allerdings unbeirrt fort, damit der wichtigste Teil dessen, was sie sagen wollte, nicht unterging. „Aber allein. Ich möchte nicht, dass mir ein neuer Partner zugeteilt wird. Ich mache das im Alleingang.“
Maitland