Der Reis und das Blut. Harry Thürk
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Die Reise führte ihn auch nach Washington, wo er nicht gerade wie ein Prinz behandelt wurde, eher wie ein »Eingeborener aus einem wilden Land«. Er wurde vom damaligen Außenminister John Foster Dulles empfangen, und nachdem er seinen Wunsch auf Unabhängigkeit Kambodschas vorgebracht hatte, schüttelte der große weiße Mann nur den Kopf und erklärte dem Prinzen, er solle doch froh sein, daß Kambodscha eine französische Kolonie voller französischer Soldaten wäre, das sei der beste Schutz gegen den aggressiven Kommunismus.
Nun war Sihanouk ja keinesfalls ein Kommunistenfreund, obwohl die kommunistische Widerstandsbewegung zunächst dasselbe Anliegen verfolgte wie er, nämlich die Befreiung vom Kolonialstatus. Aber Sihanouk war in Sachen seines Landes erfahren genug, Herrn Dulles darauf hinzuweisen, daß dessen Denkrichtung nicht stimmte: Die weitere Unterdrückung der Selbständigkeitsbestrebungen in Kambodscha durch die Franzosen würde im Gegenteil die Sympathien für die Kommunisten noch erhöhen. Dulles lachte ihn aus. Das kränkte Sihanouk so sehr, daß er es nie vergessen konnte.
Nach allem, was ich über die Sache erfahren habe, war das so etwas wie ein Anfangskonflikt. Ich hatte später, als ich im Dschungel lebte, worüber ich noch sprechen werde, viel Zeit, und Geschichte wurde ein wenig zu meiner bevorzugten Freizeitbeschäftigung, sofern ich Freizeit hatte. Je irrealer das Leben um mich herum wurde, je mehr Rätsel es mir aufgab, mein Gewissen plagte, mir Fragen stellte, desto mehr war ich interessiert, Wahrheiten herauszufinden, die mir helfen konnten, mich in dem Irrgarten zurechtzufinden, in den ich geraten war.
Die Politik der Amerikaner uns gegenüber war in mancherlei Hinsicht für die Entwicklung Kambodschas mitentscheidend. Es kam nach 1954, als die Franzosen aus Indochina abzogen, zu einer weiteren Kontroverse Sihanouks, des nunmehrigen Staatschefs, mit den USA. Diese bestanden darauf, daß Kambodscha der SEATO beitreten sollte, diesem antikommunistischen Pakt. Sihanouk lehnte das ab. Er stellte zu den asiatischen kommunistischen Staaten bessere Beziehungen her. Aber gleichzeitig bemühte er sich auch um Ausgleich mit den Amerikanern; er erbat bei ihnen sogar Hilfe in Form von Krediten und auf militärischem Gebiet.
Er bekam sie ab 1955. Herr Khieu Sampan errechnete, daß 30 Prozent unseres Militärbudgets von der US-Hilfe gedeckt wurden. Man sah es unserer Armee übrigens an. Uniformen, Helme, Handfeuerwaffen, Geschütze, Panzer, Lastwagen, das alles stammte aus amerikanischen Beständen. Lediglich bei den Luftstreitkräften wurden alte französische Typen benutzt, sonst überwog US-Material.
Sie werden wissen, daß Sihanouk 1963 dann die US-Hilfe zurückwies. Das hing mit der damaligen Entwicklung im Vietnamkrieg zusammen und mit Forderungen, die uns die in Südvietnam stationierten Amerikaner stellten. Wir sollten ihnen mehr oder weniger verdeckt gegen den vietnamesischen Widerstand helfen. Sihanouk wollte nicht als Komplize der Amerikaner angesehen werden. Deshalb warf er ein Jahr später auch noch die US-Militärmission hinaus. Aber hinter dieser Abkühlung der Beziehungen steckte mehr als nur der Aspekt Vietnam. Auch mehr als die Verbesserung unserer Beziehungen zu Rotchina, wie manche glauben.
Nein, man muß die wahren Gründe woanders suchen. Zuerst bei Sihanouk natürlich und bei seinem leicht verletzbaren Selbstbewußtsein. Aber auch schon bei dem ersten diplomatischen Vertreter, den die USA nach der Genfer Konferenz zum Botschafter in Phnom Penh ernannten: Robert McClintock, das Urbild amerikanischer Arroganz. Er sprach von uns grundsätzlich nur als von den »Eingeborenen«, auch öffentlich. Wenn er in den Königspalast gerufen wurde, unterließ er es nie, den Prinzen vor aller Ohren zu belehren, seine Reden seien zu lang, seine Stimme zu hoch und sein Regierungsstil lächerlich. Er bot an, in diesen Fragen als Berater für Sihanouk tätig zu werden. Damit nicht genug – zu offiziellen Diplomatenempfängen erschien der Botschafter grundsätzlich in kurzen Hosen, mit nackten Knien.
Eine freche, gezielte Beleidigung, wenn man bedenkt, daß man bei uns keine Shorts trägt. Selbst die Ärmsten, die Rikschafahrer, pflegen lange Hosen zu tragen, geflickt zwar, aber jedenfalls lang. Auf den Dörfern bevorzugt man den traditionellen Sampot, der ebenfalls bis an die Waden reicht. Nur manchmal, wenn ein sehr armer Mann seine einzige Hose gewaschen hat, wartet er in kurzen Turnhosen darauf, daß sie trocknet.
Der Aufzug des US-Botschafters stellte also eine Beleidigung dar, eine Herabwürdigung unseres Staatsoberhauptes, des ganzen Staates überhaupt. Weiter: Bei uns zulande ißt man Hundefleisch, nicht aus Armut – es gilt als Delikatesse. Ich will nicht über Geschmack streiten – ich rede von Takt. Der Herr Botschafter erschien nämlich nicht nur in kurzen Hosen zu Staatsanlässen, er führte auch noch seinen kleinen Hund an der Leine mit, der kläffte dann zwischen die Reden der Diplomaten. Gelegentlich ermahnte ihn sein Herr, er solle leise sein, sonst werde er gegessen.
Verstehen Sie mich recht, ich war nie ein Royalist. Aber im internationalen Verkehr gibt es gewisse Regeln des Anstands. In der Hauptstadt erzählte man sich damals, daß McClintock zusammen mit Sihanouk eine Entbindungsklinik einweihte, die uns von den USA im Rahmen ihrer Hilfe geliefert worden war. Am Schluß seiner Rede wies der Botschafter auf eine Reihe Betten und sagte, zu Sihanouk gewandt, laut und vernehmlich für alle Gäste: »Nun, mein lieber Prinz, können Sie getrost Ihre persönliche Produktion von Nachwuchs steigern!«
1958 wurde der Botschafter gewechselt, Mister Carl Strom kam zu uns. Mit einer anderen Taktik. Er arbeitete mit Druck. Verbot uns, an der Ostgrenze, wo die südvietnamesische Armee ziemlich oft unser Territorium verletzte, US-Waffen einzusetzen. Hintertrieb unser Verhältnis zu Thailand bis zum Abbruch der Beziehungen. Mobilisierte die sogenannten Khmer Serai, eine vornehmlich gegen das Königshaus gerichtete Bewegung militanter Art, die Son Ngoc Thanh anführte, den die Japaner noch kurz vor ihrer eigenen Kapitulation zum Ministerpräsidenten in Kambodscha gemacht hatten. Die Khmer Serai hatten sich nach der Unabhängigkeit in Südvietnam verkrochen, jetzt fielen ihre Trupps wieder bei uns ein und terrorisierten ganze Landstriche.
1959 dann – ich weiß nicht, ob es Tatsachen gab, die das belegten – verkündete Sihanouk, die US-Botschaft in Phnom Penh habe mit den Khmer Serai und einigen bestochenen Provinzgouverneuren einen Putsch gegen ihn geplant, der Kambodschas Neutralität in eine enge Partnerschaft mit den USA umwandeln sollte. Damals mußte ein hoher Beamter der US-Botschaft, ein gewisser Matsui, dem Tätigkeit für die CIA nachgewiesen wurde, Kambodscha verlassen. Sihanouks Privatkrieg mit den Amerikanern trat in eine neue Phase. Wichtig aber war, daß der Einfluß der amerikanischen Lebensweise unter den wohlhabenderen, gebildeten Schichten der Städte stärker wurde. Daran arbeiteten unzählige »stille Amerikaner« bei uns. Sie gewannen durch Bestechung diesen oder jenen Provinzgouverneur, und sie sicherten sich Einfluß bei hohen Militärs, die ihrerseits wiederum ihre Macht nutzten, um von der Dorfbevölkerung der ihnen unterstellten Gebiete zusätzliche Abgaben zu erpressen.
So geriet Sihanouk einerseits immer mehr in Widerspruch zu eigenen Beamten, die Nutznießer amerikanischer Manipulationen waren, und andererseits zu der zunehmend verelendenden Bevölkerung in den unterentwickelten Gebieten. Er zeigte sich den Politikern in Hanoi aufgeschlossen und forderte die USA auf, Vietnam zu verlassen. 1963, nachdem die Amerikaner in Saigon den unbequem gewordenen Politiker Diem hatten ermorden lassen, brach der Prinz wirtschaftlich und militärisch völlig mit den Vereinigten Staaten. Um zu Hause Ordnung zu schaffen, verkündete er eine Wirtschaftsreform, verstaatlichte einige Banken und verhängte das Staatsmonopol über den gesamten Außenhandel. Gleichzeitig aber schwor er, Kambodscha werde nie kommunistisch werden, und um die Oberschicht in den Städten und in der Verwaltung zu besänftigen, ordnete er immer schärfere Verfolgungen der Kommunisten im Lande an.
Er schien aber übersehen zu haben, daß die Amerikaner sich inzwischen in aller Stille mit seinem Verteidigungsminister Lon Nol arrangiert hatten. 1966, bei den nächsten Parlamentswahlen, gewann Lon Nol die meisten Stimmen und wurde Premierminister. Wobei man wissen muß, daß die Stimmen der Leute in den von der Hauptstadt entfernteren Regionen einfach unterschlagen wurden. Es seien Rebellengebiete, nicht zur Wahl befugt, hieß es. Aber – ich greife vor …
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