Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Ja, das habe ich getan. Jetzt rege ich mich auch nicht mehr so auf, weil ich mit Ihnen gesprochen habe. Aber Sie wissen schon, wenn man so allein ist, kommen einem oft dumme Gedanken. Wenn Antonia da ist, fühle ich mich sicherer. Sie ist so lieb.«
»Das sagt sie auch von Ihnen.«
Lilian Möhls gerötete Augen leuchteten auf, aber sie mußte gleich wieder niesen und husten, und Dr. Norden gab ihr schnell ein paar Arzneien aus seinem Schrank. Sie bedankte sich vielmals, und er mußte sich nun wieder den anderen Patienten zuwenden. Aber seine Gedanken wanderten doch zwischendurch immer wieder zu Antonia. Was mochte das für ein wichtiger Brief sein, der nur ihr ausgehändigt werden sollte? Er wußte auch nichts von Verwandten in fernen Ländern.
Wann würde sie diesen Brief wohl bekommen? Wo war sie jetzt eigentlich, sie wollte doch nicht an einem Ort bleiben?
Aber selbst in die fernsten Länder wurde die Post schnell und mit Flugzeugen befördert. So war wohl anzunehmen, daß sie diesen Brief bereits erhalten hatte, wenn er ihr nachgeschickt worden war. Wenn sie wieder daheim war, würden sie sicher erfahren, was es damit auf sich hatte.
*
Ahnungslos, warum so intensiv an sie gedacht wurde, genoß Antonia in Niklas’ Wagen und an seiner Seite die Fahrt landeinwärts nach Silves, der mittelalterlichen Stadt. Hier war es auch etwas kühler, ein leichter Wind wehte und die Sonne war nicht so sengend. Niklas erklärte ihr alles mit seinen Worten. Er kannte Land und Leute, und auch in Silves wurde er wie ein Freund begrüßt, wenn auch fast ehrerbietig. Der blonden Antonia galten bewundernde Blicke. Am Essen spürten sie, daß man sich auch hier auf Touristen einstellte, aber die Spezialitäten des Landes wurden ihnen um so lieber serviert. Antonia war begeistert, wie gut sie mundeten. Fisch aß sie ohnehin am liebsten, aber hier war er einfach köstlich zubereitet und die Salate knackfrisch.
Antonias Befangenheit Niklas gegenüber hatte sich längst gelegt. Sie hörte ihm gern zu, es nahm sie ganz gefangen, wie er sprach. Seine Schilderungen waren so lebendig, daß sie sich jeweils in die Situation hineinversetzt fühlte. Die Zeit verging viel zu schnell, aber ihr war es auch egal, ob sie zum Abendessen im Hotel war oder nicht.
Sie hatte noch keinen Mann kennengelernt, der einem Vergleich mit Niklas standgehalten hätte, aber plötzlich hatte sie Angst, daß sie sich ganz an ihn verlieren könnte.
Konnte er Gedanken lesen?
»Was haben Sie gerade gedacht, Antonia?« fragte er.
Sie errötete. »Mir kam es in den Sinn, daß wir uns noch gar nicht lange kennen und doch schon so vertraut miteinander sind.«
»Es ist die gleiche Wellenlänge, ich habe es sofort gewußt. Glauben Sie nicht auch, daß es eine magische Anziehungskraft zwischen bestimmten Menschen gibt?«
»Das muß ich jetzt wohl glauben«, erwiderte sie leise. »Es ist nicht wichtig, daß wir viel voneinander wissen, ich fühle mich sicher in Ihrer Nähe.«
»Und ich bin dankbar, daß Sie das sagen. Sie sind für mich sehr wichtig geworden und haben mit Ihrem Erscheinen einen Schleier zerrissen, es war wie eine Offenbarung.«
Ihr Herz begann zu hämmern. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, aber sein Blick zwang sie förmlich dazu.
»Sie dürfen nie wieder aus meinem Leben verschwinden, Antonia. Ich sehe endlich wieder eine Zukunft vor mir.«
»Was bedrückt Sie, Niklas?« fragte Antonia bebend.
»Vergangenes, das aber endlich vergessen sein soll. Später einmal können wir darüber sprechen, jetzt möchte ich nur die Zeit mit Ihnen dankbar genießen.«
Er spricht, als hätte er schon ein langes schweres Leben hinter sich, ging es ihr durch den Sinn, aber er ist doch noch jung. Sie mochte keine Fragen stellen. Es sollte von selbst kommen, was sie einander zu sagen hatten.
»Fahren wir noch zu mir?« fragte er. »Sie sollten sehen, wie ich lebe.«
Sie sagte sich, daß sie ihn schon bei dem Haus gesehen hatte. Es war ihr selbst rätselhaft, wie sie gerade dorthin gelangt war und war auch von der magischen Anziehungskraft überzeugt, die sie zusammengeführt hatte.
Sein Haus sah genauso aus wie die anderen, aber als sie es betrat, konnte sie sich nicht vorstellen, daß es noch ein ähnliches Haus geben könnte.
Es war so ungewöhnlich wie er selbst. Es hatte eine Atmosphäre, die sie atemlos machte. Bücher und Bilder beherrschten die Räume.
Die Möbel waren Unikate, sie hatte noch nie dergleichen gesehen. Die Polstermöbel waren mit handgewebten Stoffen bezogen, und handgewebte, rustikale Teppiche lagen vereinzelt auf den schönen Fliesen.
»Zauberhaft«, flüsterte Antonia.
Seine Augen leuchteten auf.
»Es freut mich, daß es Ihnen gefällt, Antonia. Ich hoffe, Sie werden oft kommen und vielleicht auch gern bleiben.«
Er hätte gern etwas anderes gesagt, viel mehr, alles was ihn bewegte, aber er hatte Angst vor ihrer Abwehr. Er fühlte nur zu gut, daß sie eine Frau war, die überlegt handelte.
»Sie sagten, daß Sie nicht immer hier leben.« Sie sah ihn fragend an. »Wo leben Sie sonst?«
»Wo es mich hinzieht. Paris, London, New York. Ich habe auch schon zeitweise in München gelebt.«
»Aber da sind wir uns nicht begegnet.«
»Die Zeit war wohl nicht reif. Sie sind noch sehr jung.«
»Fünfundzwanzig.«
»Dann bin ich Ihnen zehn Jahre voraus, und zehn Jahre können unendlich lang sein. Sie halten mich hoffentlich nicht für einen Spinner.«
»Eher für einen Philosophen, der aber noch immer nicht sein Ziel gefunden hat.«
»Ich habe mir keins gesteckt. Wir müssen alle immer noch dazulernen, gleich wie alt wir sind. Jedenfalls sollten wir nie so vermessen sein zu glauben, alles zu wissen.« Er schloß kurz die Augen. »Ich habe einen sehr guten Wein, trinken wir auf unsere Gemeinsamkeiten?«
Antonia nickte. Sie fühlt sich gefangen von seiner Stimme und seinem Lächeln, das ihn jetzt unglaublich anziehend machte und seinem Gesicht alle Strenge nahm.
Es war ein zärtliches Lächeln und ließ das Blut wieder schneller durch ihre Adern strömen.
Er schenkte den Wein in wunderschöne Gläser, und als er Antonia eines reichte, berührten seine Finger ihre Hand. Es durchfuhr sie ein elektrisierendes Kribbeln.
»Sie sind wunderschön, Antonia«, sagte er gedankenvoll.
»Das hat mir noch niemand gesagt.«
»Dann hat sie noch niemand mit den richtigen Augen gesehen. Es kann doch nicht sein, daß es in Ihrem Leben noch keinen Mann gab.«
»Es war bestimmt nicht der Richtige, wenn ich es