Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg Sophienlust Paket

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war die Eisfläche, auf der ein zierliches kleines Mädchen graziös dahinschwebte. Ganz allein war es, und es sah winzig aus.

      »Mach jetzt endlich ein paar Sprünge, Ruth«, rief eine helle Frauenstimme.

      Das Kind blieb stehen. Wenn Tante Lilo sie »Ruth« rief, war sie nicht zufrieden. Wenn sie »Sabine« sagte, drückte das Lob aus.

      Das kleine Mädchen hieß Ruth-Sabine Campen, und von ihrem Daddy wurde sie Rubinchen genannt. Sie vermisste den zärtlichen Kosenamen ebenso wie ihren Daddy selbst, der in der Türkei eine Maschinenfabrik leiten musste und sie in der Obhut von Tante Lilo zurückgelassen hatte.

      »Na, wird es bald«, rief Tante Lilo ungehalten.

      Rubinchen lief mit gleitenden Schritten auf die pelzvermummte Gestalt zu, die am Rand der Eisfläche stand.

      »Es ist so kalt, Tante Lilo«, sagte sie. »Ich friere.«

      »Stell dich nicht so an. Du weißt genau, dass wir nur früh am Morgen so viel Platz haben. Wenn du dich mehr bewegst, wird es dir schon warm werden.«

      Rubinchen schlugen die Zähne aufeinander, aber sie wusste genau, dass sie von Tante Lilo, die vom Ehrgeiz besessen war, ihre Nichte zu einer Eisprinzessin zu machen, kein Verständnis erwarten konnte.

      Rubinchen hatte frühzeitig Schlittschuhlaufen gelernt und sich als sehr talentiert erwiesen. Mit Daddy hatte es ihr auch viel Spaß gemacht. Sie überlegte kurz, ob Daddy wohl einverstanden wäre, wenn er wüsste, dass sie so hart trainiert wurde.

      Was Training bedeutete, hatte Lilo ihr hinreichend erklärt. Rubinchen hatte einen langen Vortrag darüber zu hören bekommen, nachdem ein fremder Mann, den sie grässlich fand, zu Tante Lilo gesagt hatte, dass sie ein Naturtalent sei.

      Lilo Lüdke war Sportlehrerin, und im Winter gab sie, selbst eine recht gute Eisläuferin, Unterricht in diesem Sport. Allerdings konzentrierte sie sich neuerdings ausschließlich auf ihre Nichte, was seine guten Gründe hatte.

      Rubinchen hätte nicht gewagt, Tante Lilo zu widersprechen. Das hätte bedeutet, den ganzen Tag im Zimmer bleiben zu müssen, um Achter und Kreise zu malen.

      So drehte sie sich auf dem frostklirrenden Eis, wie Tante Lilo es befahl, und bemerkte nicht, dass sie inzwischen auch andere Zuschauer bekommen hatte.

      »Bezaubernd«, sagte Denise von Schoenecker zu der jungen Dame, die neben ihr stand. »Das ist ja ein entzückendes Kind, Nanni.«

      »Für den Betrachter«, erklärte Nanette von Willbrecht. »Für mich ist es ein bedauernswertes Kind, das schamlos strapaziert wird.«

      »Das müssen Sie mir erklären, Nanni«, sagte Denise erschrocken. In diesem Augenblick stürzte Rubinchen.

      Es tat höllisch weh, aber sie unterdrückte die aufsteigenden Tränen, weil Tante Lilo über die Eisfläche auf sie zukam.

      »Nimm dich zusammen, Ruth«, sagte sie streng. »Die Stunde ist noch nicht um.«

      Rubinchen rappelte sich auf. Als sie sich umblickte, flog ein heller Schein über ihr kleines Gesicht. Winkend hob sie die Hand. Lilo Lüdke drehte sich um und sah Nanette von Willbrecht. Ihre Miene verdüsterte sich.

      »Du sollst nicht mit ihr reden, Ruth«, sagte sie unwillig.

      »Warum denn nicht?«

      Lilo blieb ihr die Antwort schuldig, denn sie entdeckte jetzt einen Mann im hellen Ledermantel, der sich auf einer Bank niedergelassen hatte.

      »Du übst den Rittberger«, sagte sie. »Noch zehn Minuten! Hast du verstanden?«

      »Ja, Tante Lilo«, erwiderte Rubinchen gehorsam, weil sie genau wusste, dass Tante Lilo abgelenkt war. Der Fremde, der ihr dieses harte Training eingebrockt hatte, war wieder da. Rubinchen war entschlossen, diesen Mann noch viel abscheulicher zu finden als vor vierzehn Tagen.

      Sie übte zweimal den Rittberger, trotz der scheußlichen Schmerzen im Knie, aber dann sah sie, dass Tante Lilo sich angeregt mit dem Fremden unterhielt, und sie entdeckte den großen schneeweißen Hund, der sich neben Nanette von Willbrecht niedergelassen hatte.

      Ganz nahe lief sie an die Bande heran. »Pipp«, rief sie und der Hund legte seine Ohren zurück. Dann sah Rubinchen zwei Buben, einen großen und einen kleinen, und der große sagte: »Du kannst vielleicht toll Schlittschuh laufen. Ich bin ganz weg.«

      Da vergaß sie ihre Schmerzen und lief weiter. Sie sprang den Rittberger und den Salchow fehlerlos und ahnte nicht, dass sie dadurch alles noch schlimmer für sich machte.

      »Sie haben schon viel erreicht«, sagte der Fremde anerkennend zu Lilo Lüdke. »Wenn die Kleine weiter solche Fortschritte macht, kann ich sie nächstes Jahr in die Revue einbauen.«

      »Was springt für mich dabei heraus, Mr Miles?«, fragte Lilo.

      »Vorerst fünftausend, wenn Sie den Vertrag unterschreiben«, erwiderte er. »Ich werde die Kleine morgen noch beobachten. Abends treffen wir uns dann, okay?«

      Lilo nickte ihm mit ihrem betörendsten Lächeln zu. Wenigstens glaubte sie, dass es betörend sei. Für ihre Begriffe war Mr Gordon Miles der attraktivste Mann, der ihr seit Langem begegnet war, und sie war immerhin bereits dreißig.

      Rubinchen drehte indessen eine Pirouette und versetzte ihre interessierten Zuschauer damit in helles Entzücken. Ganz schnell glitt sie dann wieder an die Bande, wo Nanette stand.

      »Wenn ich fort kann, komme ich heute Nachmittag«, flüsterte sie. »Darf ich?«

      »Immer, Rubinchen«, erwiderte Nanni, und der weiße Hirtenhund Pipp bellte zweimal.

      *

      Denise und Alexander von Schoenecker waren mit ihren Söhnen Dominik und Henrik für ein paar Tage Gäste der Familie von Willbrecht. Nanette war als Krankengymnastin einige Wochen im Kinderheim Sophienlust gewesen und hatte sich dort sehr wohl gefühlt. Seit dieser Zeit bestand zwischen ihr und der Familie von Schoenecker ein freundschaftlicher Kontakt.

      Weil Dominik und Henrik einmal ein richtiges Eishockeyspiel sehen wollten, während Denise sich mehr für den Eiskunstlauf begeisterte, hatten sie die Einladung von Nanettes Eltern, ein paar Tage bei ihnen zu verbringen, gern angenommen.

      Friedrich von Willbrecht und seine Frau Annemarie freuten sich, die Schoen­eckers persönlich kennenzulernen. Sie hatten aus der Not der Nachkriegsjahre eine Tugend gemacht und ihr hochherrschaftliches Haus zu einer Pension umgestaltet, in der sie ausschließlich Stammgäste aufnahmen. Für private Gäste blieben aber immer ein paar Zimmer reserviert. In diesen waren jetzt die Schoeneckers untergebracht.

      Nick und Henrik waren betrübt, weil Pünktchen diesmal daheim bleiben musste. Aber Pünktchen, deren richtiger Name Angelina Domin lautete und die schon ganz zu den Schoeneckers und Sophienlust gehörte, musste noch die Folgen einer schweren Grippe auskurieren.

      »Pünktchen kann zwar auch sehr gut Schlittschuh laufen«, sagte Henrik auf dem Heimweg vom Stadion, »aber sie hätte vielleicht gestaunt, was die kleine Eisprinzessin für Sprünge macht.«

      Denise von Schoenecker dachte immerzu daran, was Nanni über dieses bezaubernde Kind gesagt hatte: Ein bedauernswertes Kind, das schamlos strapaziert wird.

      Denise,

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