Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Vielleicht sollte ich doch beten«, flüsterte er, dann aber schüttelte er den Kopf. Nein, lieber nicht. Es würde schon alles so kommen, wie es kommen sollte, dachte er und stieg wieder ins Bett. Wenige Minuten später war er eingeschlafen.
*
Betty Cornelius wurde zu einem unlösbaren Problem für die Ärzte und Krankenschwestern. Aber in einem waren sie sich alle einig: Es bestand wenig Hoffnung auf eine vollkommene Heilung der Patientin.
Voller Sehnsucht wartete sie auf ihren Mann. Als sie eine Karte aus New York von ihm erhielt, steigerte sich ihre Verzweiflung ins Unermessliche. Und immer stärker wurde ihr Verlangen nach dem gewohnten Gift. Aber die Tabletten waren alle. Deshalb flehte sie die Ärzte an, ihr doch welche zu geben.
»Seien Sie doch vernünftig«, sagte ein junger Arzt, der noch keine sehr großen Erfahrungen gesammelt hatte. »Noch ein paar Tage, und Sie haben es überwunden.«
Betty glaubte ihm jedoch nicht. Zweimal erwischte man sie im Arztzimmer, als sie sich am Giftschrank zu schaffen machte. Und dann erschien Martin Aarhof, um das versprochene Geld abzuholen. In einem günstigen Augenblick war es ihm gelungen, ungesehen ins Sanatorium zu gelangen.
Betty stand am Fenster ihres Zimmers und blickte hinaus in das Regenwetter. Dabei überlegte sie, wie sie sich die Tabletten beschaffen könnte. Erschrocken drehte sie sich um, als jemand die Hand auf ihre Schulter legte.
»Sie?«, fragte sie tonlos, doch dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Gut, dass Sie kommen, Herr Aarhof. Ich brauche Tabletten. Sie müssen mir welche geben.«
»So einfach ist das nicht, meine Gnädigste.« Er lachte sie unverschämt an. »Erst das Geld, meine Schöne. Danach die Ware. Diesmal verlange ich einige tausend Euro.«
»Ich habe das Geld nicht. Ich habe nur fünfhundert Euro hier.«
»Dann gehe ich.« Er erhob sich, fest überzeugt, dass sie ihn belüge.
»Ich habe wirklich kein Geld. Aber ich habe Schmuck. Dieser Ring zum Beispiel ist allein schon ein kleines Vermögen wert.« Sie zog den Solitär vom Finger und reichte ihm das kostbare Schmuckstück.
»Ich kann ihn nicht verkaufen. Sie können …«
»Nichts werde ich unternehmen. Sie können auch noch die Perlenkette haben. Und auch noch diese Kette! Und …« Betty wühlte in ihrer Nachttischschublade. »Ich brauche den Schmuck nicht mehr. Nehmen Sie alles. Aber gehen Sie! Doch vorher geben Sie mir die beiden Röhrchen. Hat Claus Sie schon gefunden?«
»Claus? War er denn hier?«, fragte Martin erschrocken.
»Ja, er war hier. Nun weiß ich, dass er nichts mit den Erpressungen zu tun hat. Sehen Sie sich vor ihm vor. Ich hätte Ihnen auch keinen Cent, kein Schmuckstück gegeben, wenn ich die Tabletten nicht so nötig bräuchte. Und dann war auch Frau van Arx da. Julia van Arx, die Frau, der Claus das Kind weggenommen hat. Sie wird Sie …« Nur eine Sekunde zögerte Betty, bevor sie fast triumphierend rief: »Sie wird Sie wegen Erpressung anzeigen, Herr Aarhof.«
Martin Aarhof zuckte zusammen. Er hatte es plötzlich sehr eilig, fortzukommen. Er raffte den Schmuck zusammen, ließ ihn in seine Sakkotaschen gleiten und packte dann die Geldscheine. »Leben Sie wohl, meine Gnädigste!«, rief er von der Tür her.
Dann war Betty allein. Wie eine Todkranke sank sie auf das Bett. Ein irres Lächeln umspielte ihre blassen Lippen. Für sie gab es keine Zukunft mehr. Enno hatte sie verlassen. Bestimmt war Julia van Arx mit ihm zusammen in New York. Natürlich würde sie ihm die Wahrheit erzählen. Und Enno würde sich von ihr, Betty, scheiden lassen, damit er Julia heiraten und Pieter behalten konnte. Dieses Unglückskind war an allem schuld. An allem.
Betty wartete noch, bis es still wurde im Sanatorium. Sie wusste, sie hatte viele Stunden Zeit, um eine Tablette nach der anderen einzunehmen. Die letzten löste sie in Wasser auf. Sie hatte kaum noch die Kraft, das Glas an den Mund zu heben. Fast hätte sie sich erbrochen, als sie die bittere Flüssigkeit schluckte. Dann taumelte sie zum Bett zurück.
*
Am gleichen Abend traf Enno in Essen ein. Nachdem er sich umgezogen hatte, fuhr er noch zu Julia. Bewaffnet mit einem riesigen Blumenstrauß drückte er auf den Klingelknopf.
Julia öffnete und sah ihn voller Freude an. »Sie? Ich habe Sie doch erst morgen erwartet.«
»Haben Sie für einen hungrigen Globetrotter etwas zu essen da, Julia?«
»Natürlich, Enno.« Sie wusste, dass sie kein Recht hatte, sich so zu freuen. Enno war kein freier Mann. Trotzdem strahlte sie vor Glück, als sie in die Küche ging, um ein kleines Abendessen vorzubereiten.
Er folgte ihr, setzte sich auf den Küchenstuhl und sah ihr zu. »Julia, ich liebe Sie«, sagte er ernst. »Ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich es Ihnen sagen soll. Aber wir sind erwachsene Menschen und können ruhig über unsere Gefühle sprechen. Ich habe Betty noch niemals wirklich betrogen, obwohl sie mir genügend Grund dafür gegeben hat. Aber Betty und ich haben uns auseinandergelebt. Sobald sie wieder gesund ist, werde ich ihr den Vorschlag machen, zu ihren Eltern nach Amsterdam zurückzukehren. Und da sie sowieso kein Interesse an Pieter hat, behalte ich den Jungen. Pieter liebt Sie, Julia.«
»Mein Gott, Enno, das ist doch unmöglich. Ihre Frau liebt Sie.«
»Nein, das glaube ich nicht. Und ich habe sie auch nur deshalb noch nicht fortgeschickt, weil sie die Mutter meines Sohnes ist. Julia, liebst du mich auch?«, fragte er fast flehend.
»Das weißt du doch.« Sie lächelte ihn unter Tränen an. »Aber wir beide wissen doch auch, dass wir vernünftig bleiben müssen. Dass wir …«
»Nein, Julia, ich bin all die Jahre vernünftig gewesen. Ich will endlich einmal glücklich sein. Glücklich sein mit dir und Pieter.«
Julia sträubte sich nicht, als er sie auf seinen Schoß zog. Wie einfach wäre es doch, wenn sie offen mit ihm über Pieter sprechen könnte, dachte sie. Aber sie brachte es ganz einfach nicht über sich, ihm diesen Schmerz zuzufügen.
»Julia …«
Warum sollte sie nicht ein einziges Mal von dem so lange ersehnten Glück kosten? Sie wollte nicht an das denken, was morgen sein würde. Sie wollte …
»Julia, ich sehne mich so sehr nach dir«, flüsterte er erregt zwischen seinen immer leidenschaftlicher werdenden Küssen. »Ich muss immer nur an dich denken. Ich liebe dich unendlich.«
»Mein Gott, Enno …« Noch einmal bäumte sie sich gegen ihre aufsteigende Schwäche auf. »Nein …« Aber er verschloss ihr den Mund mit einem langen Kuss. Sie spürte, wie ihre Kraft erlahmte, und ihr Verlangen, ihm ganz zu gehören, sie wie ein glühender Lavastrom überschwemmte.
*
Enno verließ sie erst am späten Morgen. Julia bereute nichts. Mit einem entspannten Lächeln küsste sie