Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Wird erledigt«, erwiderte sie dennoch im Ton eines Befehlsempfängers. Dass sie dabei nicht salutierte, wunderte ihn.
Diese Vorstellung entlockte ihm ein Schmunzeln, mit dem er das Krankenzimmer von Sophie betrat.
»Wie fühlen Sie sich nach dem Schlaf?«, erkundigte er sich und setzte sich auf die Bettkante.
Sie lächelte zurück. »Schon besser. Ein wenig erholter.«
»So sollte es auch sein. Haben Sie Hunger?«
Sophie spitzte die schön geschwungenen Lippen. »Vielleicht. Was gibt’s denn?«
Er lachte. »Das, was meine Frau und ich auch essen. Schwarzwaldforelle, in Butter gebraten, mit Kartoffeln und Salat.«
»Ich esse sehr gern Fisch.« Sophies Augen leuchteten auf.
Sie hatte also Appetit. Das war schon einmal eine gute Voraussetzung für eine schnelle Genesung.
»Dann hätten wir das geklärt«, sagte er zufrieden, stand auf und rief in den Gang hinein, der zur Praxis führte: »Schwester Gertrud! Bitte einmal Mittagessen für unsere junge Dame.« Er setzte sich wieder und schaute seine Patientin ernst an. »Können wir reden?«
Er sah ihr an, dass sie sich jetzt in ihr Schneckenhaus zurückziehen wollte. Deshalb nahm er ihre Hand in seine und hielt sie fest. »Sophie, ich muss mir ein genaueres Bild von Ihrer Krankheit machen können. Dafür brauche ich mehr Informationen als nur den Laborbefund. Thomas hat mit mir gesprochen. Er ist verzweifelt. Vor Kurzem erst hat er die Liebe seines Lebens gefunden und will sie nicht wieder verlieren. Ich kann ihn verstehen. Es geht jetzt nicht mehr allein um Sie. Sie sind zu ihm zurückgekommen. Sie haben sich einen Menschen vertraut gemacht. Nun sind Sie auch für sein Seelenheil verantwortlich, so, wie er sich Ihnen gegenüber verantwortlich fühlt. Das bezeichnet man als Liebe.«
Widersprüchliche Gefühlsregungen spiegelten sich auf dem ebenmäßig geschnittenen Frauengesicht wider. Dann bekam Sophie feuchte Augen. Ihre Hand drückte seine, als wollte sie sich an ihm festhalten.
»Ich war geschockt, wie von Sinnen, als ich das Ergebnis der Blutanalyse erfuhr«, gestand sie ihm nun mit belegter Stimme. »Mein Arzt in Karlsruhe hatte ein großes Blutbild bei dem Labor in Auftrag gegeben, um die Ursache meiner Beschwerden zu erfahren. Niemals hätte ich mit so etwas gerechnet. Ich bin davon ausgegangen, ich wäre überarbeitet, und wollte eigentlich nur ein Stärkungsmittel bekommen.«
»Und dann?«
»Dann habe ich mir frei genommen und bin hierhergefahren. Ich musste allein sein, mich erst einmal selbst an den Gedanken gewöhnen. Meinen Vater und meine Schwester wollte ich nicht sofort mit dieser Nachricht belasten. Wir leiden ja alle noch unter dem Tod meiner Mutter. Und dann lernte ich Thomas kennen. Die Stunden mit ihm haben mich meine Krankheit vergessen lassen. Schließlich bekam ich Panik. Eine kranke Frau und ein kerngesunder Mann … Ich wollte ihm keine Belastung sein. Und ich wollte keine Diskussionen. Also habe ich Reißaus genommen.«
»Und sind wiedergekommen«, fügte Matthias lächelnd hinzu.
Sophie nickte. »Aber was soll das bringen?« Mit großen Augen sah sie ihn an.
»Sie sind nicht allein. Mit einem Partner an der Seite lässt sich alles besser ertragen.« Er hob den Zeigefinger und meinte zwinkernd: »Glauben Sie mir, darin habe ich Erfahrung.« Dann wurde er wieder ernst. »Was hat die Knochenmarkpunktion ergeben?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Den Termin habe ich abgesagt. Ich bin stattdessen Hals über Kopf in den Schwarzwald gefahren.«
Er hob die Brauen. »Aber Sie haben mir doch gestern den Krankheitstyp genannt. In der Regel gibt erst eine Biopsie Aufklärung über diese Form der Bluterkrankung.«
»Dr. Schreiber hat mir diese Diagnose gestellt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat seine Praxis erst vor Kurzem eröffnet und arbeitet mit den modernsten Apparaten. Eine Großpraxis«, fügte sie mit mattem Lächeln hinzu. »Dort geht’s zu wie am Fließband.«
Auch die modernste Technik konnte in diesem Fall keine Knochenmarkentnahme ersetzen. Das wusste Dr. Brunner nur zu gut. Doch er schwieg dazu. Die Art der Diagnosestellung seines Karlsruher Kollegen machte ihn höchst skeptisch.
»Sophie …« In einer väterlichen Geste legte er seine Hand auf ihren Arm. »Ich würde Ihnen dringend zu einer Knochenmarkpunktion raten. Das ist keine große Sache, aber eine klarere Aussage als nur die Auszählung der Blutkörper. Und danach sollten wir uns die weiteren Schritte überlegen. Es müssen weitere Schritte erfolgen«, fügte er mit eindringlichem Blick hinzu. »Ich lasse nicht zu, dass Sie Ihr junges Leben aufs Spiel setzen.« Dann lächelte er sie wieder an und meinte: »So, und jetzt essen Sie erst einmal. Danach schlafen Sie noch eine Runde, und dann wird auch Thomas schon wieder bei Ihnen sein.«
*
Die Sprechstunde war zu Ende. Statt sofort zum Haus hinüberzugehen, setzte sich Matthias erst einmal wieder an seinen Schreibtisch, lehnte sich zurück und streckte die langen Beine von sich.
Wie konnte der junge Kollege aus Karlsruhe ohne den Befund einer Punktion eine solch detaillierte Diagnose stellen? Aus Unerfahrenheit? Zu spontan? Selbstüberschätzung? Ein Versehen oder gar eine fatale Verwechslung?
Großraumpraxis, hatte Sophie gesagt. Da war der Patient eine Nummer ohne Gesicht. Klar, der Laborbefund ließ keinen anderen Schluss zu als diese gefährliche Blutkrankheit.
Er schaltete die Gegensprechanlage ein.
»Gertrud? Wir haben Frau Wittmer gestern nach dem Unfall Blut abgenommen zur Bestimmung ihrer Blutgruppe und des Hämoglobinwertes. Die Ergebnisse lagen auf meinem Schreibtisch.«
»Ich habe sie in die Patientenakte gelegt«, antwortete Schwester Gertrud. »Moment, ich bringe sie Ihnen sofort.«
Er hatte Sophies Blutgruppe für den Fall wissen müssen, dass es nach dem Unfall noch zu Komplikationen gekommen wäre und seine Patientin eine Blutspende gebraucht hätte. Darüber hinaus hatte er ihren Hämoglobinwert getestet, die Anzahl der roten Blutkörperchen in ihrem Blut. Ein zu niedriger Wert war neben der bläulichen Färbung der Schleimhäute ein untrüglicher Hinweis auf innere Blutungen, von denen er nicht ausgegangen war. Aber er hatte ganz sichergehen wollen. Da sich dieser Wert als völlig normal herausgestellt hatte, war seine Diagnose aufgrund der Schleimhautuntersuchung richtig gewesen.
Aber dieser normale Hämoglobinwert passte nicht zu ihrer Krankheit, bei der die roten Blutkörperchen stets reduziert und die weißen erhöht waren. Diesbezüglich gab es keinerlei Ausnahmen oder Absonderlichkeiten.
»Danke, Gertrud«, sagte er, als seine Sprechstundenhilfe ihm die Unterlagen auf den Schreibtisch legte.
Nachdem sie sein Sprechzimmer verlassen hatte, stürzte er sich sofort auf die Ergebnisse, die nun schriftlich vor ihm lagen.
Er nickte zufrieden.
Er hatte sich nicht getäuscht. Sein Erinnerungsvermögen funktionierte noch prächtig, bescheinigte er sich stolz.
Blutgruppe AB, normaler Hämoglobinwert.
Hier stimmte etwas nicht. Es gab nur zwei Möglichkeiten: