Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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Ihre Blicke verfingen sich, begannen miteinander zu tanzen, und ihre Gesichter bewegten sich aufeinander zu. Mit geschlossenen Augen spürte Sophie, wie Thomas die Konturen ihres Gesichtes nachzeichnete, wie sich sein Finger auf ihre Lippen legte und diese mit sanftem Druck öffnete. Als sie die Lider hob, sah sie seinen Mund ganz nahe vor sich. Noch zögerte sie. Doch dann legte sich seine Hand in ihren Nacken. Thomas zog ihr Gesicht noch näher an seines heran. Und wie von selbst öffneten sich nun widerstandslos ihre Lippen, um seinen Kuss zu empfangen und ihn mit einer Leidenschaft, die sie selbst überraschte, zu erwidern.
Er darf nichts erfahren.
Das war der letzte klare Gedanke, den Sophie fasste, bevor sie sich Thomas’ Zärtlichkeiten bedingungslos hingab.
*
Als Sophie in ihrem Bett lag und in den Sternenhimmel schaute, fragte sie sich, ob sie diesen Tag wirklich erlebt oder nur geträumt hatte.
Es war viel passiert. Sie hatte sich in den Mann verliebt, der ihr Schicksal war. Während sie so dalag, horchte sie in sich hinein. So energiegeladen hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt. Kein Schwächegefühl, das sie lähmte, kein Schwindel, keine Kopfschmerzen, keine Übelkeit – alles Anzeichen ihres beruflichen Stresses in den vergangenen Monaten, wenn sie es nicht besser gewusst hätte. Thomas gab ihr Kraft. Aber auch ihre Gefühle für ihn gaben ihr neue Energie. Wie schön war es doch zu lieben!
Sie seufzte.
Doch wie konnte sie Thomas schonen? Einen Trost hatte sie: Wenn es vorbei war, würde er sie vergessen. Über kurz oder lang. Sie kannten sich ja erst ein paar Tage. Außerdem war er jung, attraktiv, ein starker Charakter, der an einer Liebe nicht zerbrechen würde. War ein abruptes Ende nicht besser als ein qualvoller Abschied?
Irgendwann verloren all diese Gedanken den Kampf gegen die Müdigkeit, und sie fiel in den frühen Morgenstunden in einen traumlosen Schlaf.
*
In Ruhweiler waren die Wege kurz. Man kannte sich. Die Leute liefen nicht eilig aneinander vorbei, sondern blieben auf dem Bürgersteig stehen und plauderten miteinander. Im Biergarten vom Gasthof Hirschen saßen am Spätnachmittag die Alten unter dem Blätterdach der großen Linde bei einem Schoppen Glottertaler. Sie diskutierten über das Weltgeschehen, schimpften übers Wetter und die Entscheidungen des Gemeinderates. Als Dr. Brunner am Zaun vorbeiging, hoben sie sie Hand und lachten ihm zu.
Jeder freute sich, dass der Landarzt wieder gesund war. Er gehörte zu dem Schwarzwalddorf wie die weiße Kirche gegenüber dem Marktplatz, deren Glocke gerade fünf Mal schlug.
Matthias Brunner winkte zurück, blieb immer wieder stehen, wenn Patienten ihn ansprachen, fragte nach deren Familienangehörigen oder der kranken Kuh.
»Hallo, Herr Doktor«, hörte der Landarzt eine ihm bekannte fröhlich klingende Männerstimme hinter sich rufen, als er die Fleischerei betreten wollte.
Er drehte sich um und sah Thomas Seeger, der im Laufschritt auf ihn zukam. Der Uhrmacher lachte ihn an. Das tat er immer, aber Matthias kam es so vor, als würde er heute ganz besonders mit der Sonne am Himmel um die Wette strahlen.
»Grüß dich, Thomas.« Er sah den jungen Mann erwartungsvoll an.
Irgendetwas wollte er doch loswerden, oder sollte er sich so sehr täuschen?
»Wie geht’s?«, erkundigte sich Thomas.
Er schmunzelte. »Mir geht’s gut. Und dir?«
»Super. Könnte gar nicht besser sein.«
»Das sehe ich dir an. Was macht dein Finger?«
»Ach, der … Den habe ich längst vergessen. Ich …« Thomas sah ihn mit geheimnisvollem Lächeln an. »Sie erinnern sich doch bestimmt noch an Sophie Wittmer.«
»So alt bin ich nun auch wieder nicht«, sagte Matthias mit gespielter Empörung. »Es ist doch gerade ein paar Tage her, dass ich euch beide im Wald aufgegabelt habe. Was macht ihr Fuß?«
»Der ist auch wieder fast in Ordnung.«
Er wartete ab, bereits ahnend, was jetzt kommen würde.
»Sophie und ich, wir haben uns verliebt«, erzählte der junge Mann ihm nun erwartungsgemäß. »Ich musste an Ihre Worte denken. Deshalb muss ich es Ihnen auch erzählen. Wissen Sie noch? Sie haben gesagt, wenn die Traumfrau vor einem steht, merkt man’s. Und ich hab’s gemerkt. Noch am selben Tag, als ich Sie zur Hilfe gerufen habe.«
»Ich habe es auch bemerkt. Du hast es nicht verheimlichen können.«
»Ich sag Ihnen, Herr Doktor …« Thomas strich sich mit beiden Händen das Haar aus der Stirn und stieß dabei die Luft geräuschvoll aus. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Sophie ist meine Zwillingsseele. Wir verstehen uns ohne Worte. Die Tage mit ihr waren traumhaft. Leider fährt sie übermorgen wieder nach Hause. Sie wohnt in Karlsruhe. Gott sei Dank nicht weit weg, sodass wir uns am Wochenende sehen können.«
Niemals hatte Matthias den jungen Mann so viel und so aufgeregt reden hören. Aber wie lautete das Sprichwort? Wes’ Herz voll ist, des’ geht der Mund über.
»Ich freue mich für euch und wünsche euch Glück.« Er zögerte. »Hat sich Frau Wittmer gut erholt?«
Wieder sah er das schöne, aber fast krankhaft bleiche Frauengesicht vor sich.
»Na ja, eine Woche Urlaub ist zu wenig, wenn man in den vergangenen Monaten so viel gearbeitet hat wie sie. Aber sie will beruflich jetzt kürzertreten. Vielleicht sogar eine Pause einlegen. Ich versuche noch, sie davon zu überzeugen. Auch davon, dass sie sich mal bei Ihnen untersuchen lassen soll.«
Matthias horchte auf. »Welche Symptome zeigt sie denn?«
»Nichts Lebensgefährliches. Sie fühlt sich oft schlapp, ihr ist schwindelig oder sie hat manchmal Kopfschmerzen. Stresssymptome. Aber sie will nicht zum Arzt gehen.«
»Mit permanenter Überarbeitung ist nicht zu spaßen«, sagte Matthias ernst. Dann jedoch lächelte er Thomas an und fügte hinzu: »Lass ihr Zeit. Wenn ein Patient selbst nicht mitarbeiten möchte, bringen auch Tabletten und gute Worte nichts. Manchmal ist sogar die Liebe die beste Medizin.«
»Ich werde mein Bestmögliches tun«, versprach ihm Thomas augenzwinkernd.
*
»Ich kann mir keine andere Frau an meiner Seite vorstellen als dich«, sagte Thomas mit einem Blick, der bis in Sophies Seele dringen wollte.
Die beiden saßen auf einer Lichtung, die neben einem Rinnsal lag. Ein paar Sonnenstrahlen des scheidenden Tages fielen wie goldene Fäden durch die Zweige und malten bizarre Muster auf den moosigen Boden.
Sophie hob den Kopf und sah hoch zum Himmel, wo ein Raubvogel über den schwarzen Wipfeln segelte. Aber nur sie deutete dieses Bild als böse Vorahnung.
»Ich weiß, dass ich mit dir alt werden will«, sprach Thomas weiter. »Hier in Ruhweiler. Nicht in der Stadt, aber das willst du ja auch nicht.« Als sie schwieg, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und drehte es so, dass er ihr in die Augen sehen konnte. »Oder?«
Sie brachte ein Lächeln zustande. »Ich habe dir doch schon gesagt, wie