Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 4
»Laura, bist du das?«
Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen. Diese Stimme hätte sie unter Tausenden wiedererkannt. Selbst wenn seit ihrem letzten Treffen so viele Jahre vergangen waren.
Langsam drehte sich die Gynäkologin um und sah dem Mann ins Gesicht.
»Träume ich? Benedikt!«
Beide konnten es nicht fassen und starrten sich sekundenlang nur an. Benedikt fand zuerst seine Sprache wieder. Er freute sich wie ein Schneekönig über die unverhoffte Begegnung mit seiner ersten großen Liebe.
»Ehrlich gesagt habe ich aufgehört, an Wunder zu glauben«, erklärte er mit strahlenden Augen. »Aber in diesem Augenblick könnte ich glatt wieder damit anfangen.« Er war so fasziniert, dass er die Sorge um seine Tochter einen Moment lang vergaß. Er konnte nicht anders, als einen Schritt auf Laura zuzugehen. Wie um sich zu versichern, dass sie echt war, legte er ihr die Hand auf den Arm. »Du liebe Zeit, ist das lange her. Und du bist immer noch so schön – ach was, – viel schöner als früher. Reifer. Du siehst umwerfend aus«, sparte er nicht mit Komplimenten in Lauras Richtung. »Sag bloß, du bist Ärztin hier in München?«
Laura Merz rang mit sich. Obwohl es lange her war, brannte die Scham wie Feuer auf ihren Wangen. Trug Benedikt ihr nach, dass sie damals für ihr Studium nach Amerika gegangen war? Dass sie nicht den Mut für eine Fernbeziehung gehabt und kurzerhand Schluss gemacht hatte in der Annahme, das sei die bessere Entscheidung für sie beide? Heute wusste sie, wie sehr sie sich geirrt hatte. Doch heute war es zu spät.
»Ich bin schon lange wieder in Deutschland und seit ungefähr drei Jahren in München«, gab sie bereitwillig preis.
Benedikts weicher Blick verriet, dass sich ihre Befürchtungen nicht bewahrheiten sollten. Er war ihr nicht mehr gram.
»Du hast also weder beruflich noch privat das Glück gefunden, das du in der großen, weiten Welt gesucht hast«, stellte er mit einem Blick auf den Ringfinger ihrer rechten Hand fest.
Seine offensichtliche Überzeugung weckte Lauras Widerspruchsgeist.
»Was macht dich so sicher?«, fragte sie, lächelte aber dabei.
»Nun, andernfalls wärst du wohl kaum zurückgekommen«, ließ die schlagfertige Antwort nicht lange auf sich warten.
Laura lachte.
»Scharfsinnig wie eh und je.« Sie nickte anerkennend. »Aber sag, wie ist es dir ergangen in all den Jahren? Liegt deine Frau hier auf der Station?« Diese Frage war ihr so herausgerutscht.
Unwillig bemerkte sie, wie ihr Herz vor Aufregung schneller schlug, während sie auf die Antwort wartete. Benedikt ließ sich Zeit. Eine Schwester kam vorbei und grüßte nickend. Ihre Sohlen quietschten leise auf dem Linoleum, als sie eilig weiterging und am Ende des Flurs fast mit einer Kollegin zusammengestoßen wäre.
»Hoppla!«, rief Schwester Carina. Bevor Josephine ihr helfen konnte, bückte sie sich nach den Tabletten, die ihr auf den Boden gefallen waren. Rasch sammelte sie die Blister ein und ließ sie in den Kitteltaschen verschwinden.
Die beiden Kolleginnen tauschten verständnisinnige Blicke, ehe jede schnell wieder ihres Weges ging.
Benedikts Aufmerksamkeit war von dieser kleinen Szenen gefangen genommen worden. Jetzt kehrte sein Interesse wieder zu Laura zurück.
»Ich bin seit Jahren geschieden«, antwortete er auf ihre Frage. »Meine Tochter liegt hier nach einem missglückten Schwangerschaftsabbruch.«
»Oh, das tut mir leid.« Vor Verlegenheit bohrte Laura die Hände noch tiefer in ihre Hosentaschen. Sie ahnte nicht, dass sie in Jeans und Pullover und mit dem offenen Haar fast noch so aussah wie die junge Studentin, die damals so selbstsicher ihren Weg gegangen war. »Wie alt ist deine Tochter?«
»Sina ist fünfzehn. Und genauso dumm wie wir damals.«
Trotz ihres Mitgefühls musste Laura lachen.
»Warum sollte sie auch anders sein? Denk doch an uns. Stundenlang haben unsere Eltern uns vorgebetet: Tu dies. Lass jenes. Und? Was haben wir gemacht?«
»Dieselben Fehler wie Generationen vor uns«, gab Benedikt ihr grinsend recht und fuhr sich mit der Hand übers unrasierte Kinn. »Dabei hatte ich wirklich gehofft, dass ich Einfluss habe auf Sina. Weißt du, seit vielen Jahren muss ich ihr Mutter und Vater zugleich sein. Ich habe mir viel Mühe gegeben, diese Rollen so gut wie möglich auszufüllen.« Für einen kurzen Augenblick verschwand das Strahlen von seinem Gesicht und gab den Blick frei auf sein Innerstes.
Lauras Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie aus einem Dornröschenschlaf erwacht, regten sich die Gefühle von damals und blinzelten ihr aus weiter Ferne aber durchaus erkennbar zu.
»Vielleicht war es doch ein Fehler, dass ich mich damals nicht auf das Abenteuer Fernbeziehung eingelassen habe«, hörte sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen laut sagen. »Aber das, was heute fast Normalität ist, war damals ja schier undenkbar. Wer weiß, vielleicht hätten wir heute Kinder und könnten das alles gemeinsam durchstehen.« Verlegen hielt Laura inne und musterte Benedikt, versuchte, in seiner Miene zu lesen. Als sie nichts als Sympathie darin fand, fuhr sie mutiger fort. »Ich habe oft darüber nachgedacht, wie es zwischen uns wohl weitergegangen wäre.«
Dieses Geständnis überraschte Benedikt sichtlich. Er legte den Kopf ein klein wenig schief, dass ihm eine Strähne seines dunklen Haars vorwitzig in die Stirn fiel.
»Glaub mir, das hab ich auch mehr als einmal gemacht«, gestand er offenherzig. »Und wer weiß, vielleicht bin ich auch nicht ganz unschuldig daran, dass du Schluss gemacht hast. Vielleicht konnte ich dir damals einfach nicht genug Sicherheit geben.«
Sicherheit! Dieses Wort klang wie Hohn in Lauras Ohren. Sie lachte bitter.
»Ach, wir sollten nicht fantasieren. Es gibt einfach keine Sicherheit.«
»So desillusioniert bist du schon?«, hakte Benedikt erbarmungslos nach. »Das klingt nicht gerade nach glücklichem Liebesleben.«
»Das habe ich auch nicht.« Vor Verlegenheit stieg Laura eine heiße Röte in die Wangen. Trotzdem machte sie kein Geheimnis aus ihrer Schwäche. Wenigstens das war sie Benedikt schuldig. »Ich habe schon lange vor, mich aus dieser Beziehung zu lösen. Wenn man das, was wir haben, überhaupt Beziehung nennen kann. Aber bis jetzt hat mir irgendwie die Kraft dazu gefehlt.«
Benedikt dankte ihr ihre Offenheit mit einem tiefen Blick in ihre faszinierenden Augen.
»Wer weiß, vielleicht ist dieses Treffen ja ein Zeichen. Auch wenn der Anlass nicht unbedingt erfreulich ist.« Unwillkürlich waren seine Gedanken zu seiner Tochter zurückgekehrt, die glücklicherweise über den Berg war.
Vernünftig, wie Laura war, sah auch sie ein, dass dieser Augenblick weder die richtige Zeit noch der richtige Ort waren, um eine alte Liebesgeschichte aufzuwärmen. Zuerst einmal musste sie Ordnung in ihrem Leben schaffen. Das Treffen mit ihrer Jugendliebe hatte sie auf eine Idee gebracht, wie sie das wirklich schaffen konnte.
»Ich werde gleich morgen früh nach deiner Tochter sehen und sämtliche Informationen über ihren Gesundheitszustand zusammensuchen, die ich bekommen kann«, las sie die Sorge in seinen