MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 1). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 1) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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Ihr das nicht leid seid«, wiederholte Powers. »Leid wie in elendig müde. Diese ganzen Kleinlichkeiten und niemals enden wollende Haarspalterei.«

      »Nun ja …« Matthew wusste nicht, was er dazu sagen sollte. »Ich finde nicht …«

      »Pah!« Powers winkte ab. »Ihr seid noch ein Jungspund, kein müder Alter wie ich. Aber da kommt Ihr noch hin, wenn Ihr diesen Beruf lange genug ausübt.«

      »Ich hoffe, nicht bloß in meinem Beruf zu bleiben, sondern darin aufzusteigen.«

      »Was? Stunde um Stunde Dokumente übertragen? Mir meine Papiere zurechtlegen? Meine Briefe diktiert zu bekommen? Und eines Tages ein Richter werden? Die brutale Wahrheit ist, dass Ihr dazu in England Jura studieren müsstet – wisst Ihr, wie teuer das ist?«

      »Jawohl, Sir, das weiß ich. Ich bin am Sparen und …«

      »Das wird Jahre dauern«, unterbrach der Richter und starrte ihn unverwandt an. »Und selbst dann müsst Ihr Beziehungen haben. Normalerweise Bekannte, Familienangehörige oder die Kirche. Ist Isaac das nicht alles mit Euch durchgegangen?«

      »Er … hat mir gesagt, dass ich mir noch mehr praktische Fähigkeiten aneignen muss und dass … ich natürlich irgendwann eine Universität besuchen müsste.«

      »Und ich habe keinerlei Zweifel daran, dass Ihr einen ausgezeichneten Studenten und einen ausgezeichneten Richter abgeben würdet, wenn das Euer gewünschtes Berufsziel ist. Aber wann habt Ihr vor, Euch um die Einschreibung zu bemühen?«

      In diesem Moment erlag Matthew etwas, das er später wegen seines Interesses und Talents für das Schachspiel »Hirnschachmatt« taufen sollte: Langsam, wie einem müden Schläfer, der in der Ferne einen Wecker klingeln hört, wurde ihm bewusst, dass seit Isaac Woodwards Tod die Tage, Wochen und Monate miteinander zu einem unförmigen Klumpen Zeit verschmolzen waren. Was ihm zuerst langsam und fast täuschend schleppend vorgekommen war, entpuppte sich plötzlich als das schnelle Ausbluten einer wichtigen Etappe seines Lebens. Und ihm wurde mit einem messerscharfen Stich von Bitterkeit im Magen klar, dass ihn seine Besessenheit, Eben Ausley vor Gericht zu bringen, für seine eigene Zukunft blind gemacht hatte.

      Bewegungslos saß er da, die Feder über dem Papier gezückt, seine präzise Handschrift vor sich. Das leise Ticken der Pendeluhr in der Ecke wirkte furchtbar laut.

      Auch Powers sagte nichts. Er sah Matthew weiter an und bemerkte das Aufblitzen von Bestürzung – Angst, sogar – im Gesicht des jungen Mannes, bevor sich wieder eine falsche Maske der Gefasstheit darüber senkte. Schließlich faltete Powers die Hände und hatte den Anstand wegzuschauen.

      »Ich glaube«, sagte er, »dass Isaac nur einen kurzen Aufenthalt für Euch im Sinn hatte, als er Euch zu mir schickte. Nicht mehr als ein Jahr. Vielleicht hatte er geglaubt, dass Ihr mehr verdienen würdet. Ich glaube, er wollte, dass Ihr nach England geht und dort studiert. Und das könnt Ihr noch, Matthew, Ihr könnt es noch. Aber ich muss Euch warnen, dass es in diesen Universitäten für einen jungen Mann ohne Abstammung unfreundlich hergeht, und die Tatsache, dass Ihr hier geboren und in einem Waisenhaus aufgewachsen seid … Ich bin mir nicht sicher, ob Eure Bewerbung nicht ein Dutzend Male übergangen werden würde, selbst wenn ich Euch Empfehlungsschreiben über Euren Charakter und Eure Fähigkeiten ausstelle.« Er runzelte die Stirn. »Selbst wenn ein Brief von jedem einzelnen Richter dieser Kolonie beiliegen würde. Es gibt zu viele mächtige und reiche Familien, die möchten, dass ihre Söhne Anwälte werden. Nicht Richter für Amerika, versteht Ihr, sondern Anwälte für England. Man verdient mit einer eigenen Anwaltskanzlei wesentlich mehr, als wenn man für das Wohl der Allgemeinheit richtet.«

      Matthew fand seine Stimme wieder, auch wenn sie wie erstickt klang. »Aber was soll ich dann tun?«

      Powers antwortete nicht, dachte jedoch offensichtlich nach. Seine Augen schauten in die weite Ferne und in Gedanken drehte er etwas hin und her, um es aus jedem Blickwinkel zu betrachten.

      Matthew wartete, kam sich vor, als sollte er sich entschuldigen und nach Hause gehen, um sich im Old Admiral vom Rest seines Taschengeldes ein paar Krüge Gesöff zu gönnen. Aber was würde eine betrunkene Flucht vor der Realität nutzen?

      »Ihr könntet immer noch nach England gehen«, sagte der Richter schließlich. »Ihr könntet einem Kapitän eine kleine Summe bezahlen und auf dem Schiff arbeiten. Da kann ich Euch behilflich sein. Vielleicht würdet Ihr in einer Kanzlei in London Anstellung finden und nach einer Weile könnte Euch möglicherweise jemand mit mehr politischem Einfluss als ich einen Studienplatz an einer guten Universität beschaffen. Wenn Ihr das wirklich wollt, meine ich.«

      »Natürlich will ich das! Warum sollte ich das nicht?«

      »Weil … es vielleicht noch etwas Besseres für Euch geben könnte«, gab Powers zurück.

      »Etwas Besseres?«, fragte Matthew ungläubig. »Was könnte denn besser sein als das?« Er erinnerte sich an seinen Stand. »Sir, wollte ich sagen.«

      »Eine Zukunft. Jenseits der Schweinediebe und des in den Straßen kämpfenden Pöbels. Schaut Euch die Fälle an, die wir gemeinsam angehört haben, Matthew. Stechen davon einige besonders heraus?«

      Matthew zögerte. Grübelte. Bei den meisten Fällen handelte es sich tatsächlich um kleinere Diebstähle oder Kleinverbrechen wie Sachbeschädigung und üble Nachrede. Die einzigen beiden Fälle, die ihn nicht losgelassen und seinen Verstand zum Arbeiten gebracht hatten, waren der Mord am »Blauen Bettler« gewesen, gleich im ersten Jahr, als er in New York angekommen war, und dann die todverursachende Vogelscheuche auf Crispins Bauernhof im letzten Oktober. Alles andere, so schien ihm jetzt, war wie im Schlaf zu erledigen gewesen.

      »Wie ich mir dachte«, fuhr Powers fort. »Es sind nicht mehr als die üblichen öden Einzelheiten menschlicher Vergehen, Fahrlässigkeit oder Dummheit, nicht wahr?«

      »Aber … genau das sind die Dinge, die üblicherweise mit Strafverfahren geahndet werden.«

      »Ganz genau, denn darum geht es beim Dienst für das Volk. Ich frage Euch nur, Matthew, ob Ihr wirklich Euer ganzes Leben diesen – wie soll ich sagen – profanen Dingen widmen wollt?«

      »Euch hat das aber doch gut gepasst, oder nicht, Sir?«

      Der Richter lächelte schwach und hielt seinen zerfransten Ärmelbund hoch. »Ungefähr so gut wie dieses Hemd. Aber es stimmt schon, ich bin mit meinem gewählten Beruf glücklich. Oder … er gefällt mir, wäre wohl eine zutreffendere Bezeichnung. Aber erfüllt oder fordert er mich? Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe mir diese Position hier ja nicht freiwillig ausgesucht, Matthew. Im Laufe meines Londoner Berufslebens habe ich einige Urteile gefällt, mit denen ich mir leider einflussreiche Feinde gemacht habe. Ehe ich mich versah, wurde ich aus meinem Amt gedrängt, und der einzige Weg, der meiner Familie und mir noch offenstand, führte über den Atlantik, entweder nach Barbados oder New York. Angesichts der Umstände habe ich das Beste daraus gemacht, aber jetzt …« Er verstummte.

      Matthew hatte das Gefühl, dass es in diesem Gespräch um mehr ging, als die Worte zu vermitteln wussten. Er hakte nach: »Ja, Sir?«

      Der Richter kratzte sich am Kinn und holte Luft, um etwas zu sagen. Dann stand er auf und ging ans Fenster, lehnte sich an den Rahmen und schaute auf die Straße hinab. Matthew drehte sich auf seinem Stuhl, um ihn weiter anzusehen.

      »Ende September werde ich mein Amt niederlegen«, sagte Powers. »Und zugleich auch New York verlassen. Das ist es, was ich heute mit Richter Dawes zu besprechen habe … obwohl er davon noch nichts

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