MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 1). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 1) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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Gestalt stand einfach da und schien ihn anzustarren, wobei Matthew nicht in der Lage war, unter dem Dreispitz ein Gesicht auszumachen. Matthews Herz begann gegen seine Rippen zu trommeln. Wenn das der Maskenschnitzer war, dachte er, dann wollte er verdammt sein, wenn er sein Leben ohne einen Kampf aufgab. Was für eine gute Idee, mein Junge, fuhr ihm mit schwarzem Humor durch den Kopf. Fäuste gewannen schließlich immer gegen ein Messer an der Kehle.

      Matthew wollte der Gestalt gerade etwas zurufen – nur was?, fragte er sich. Eine herrliche Nacht für einen kleinen Spaziergang, nicht wahr, Sir? Ach ja, und wenn Ihr bitte mein Leben verschonen könntet? –, doch der mysteriöse Mann drehte sich um und verschwand mit zielsicheren Schritten aus dem Lichtkreis der Laterne. Matthew pfiff der angehaltene Atem aus der Lunge. An seinen Schläfen spürte er kalten Schweiß. Das war nicht der Maskenschnitzer!, hielt er sich etwas gereizt vor. Natürlich nicht! Vielleicht war es ein Wachtmeister gewesen oder einfach jemand wie er selbst, der zu Fuß unterwegs war! Bloß war er nicht einfach zu Fuß unterwegs, dachte er. Er war wie ein Schaf, das einen Wolf verfolgte.

      Ausley und seine Wirtshauskumpane waren fort: Nirgendwo war noch etwas von ihnen zu sehen. Die Frage war, ob Matthew diese nach Asche stinkenden Gasse weiter hinuntergehen oder dahin umkehren sollte, wo der Maskenschnitzer wartete? Hör schon auf damit, du Idiot!, befahl er sich. Es war nicht der Maskenschnitzer, denn der Maskenschnitzer hatte New York verlassen! Warum sollte sich der Maskenschnitzer noch in diesen Straßen herumtreiben? Weil sie ihn noch nicht gefasst hatten, dachte Matthew grimmig. Darum.

      Er beschloss weiterzugehen, aber aufzupassen, dass sich hinter ihm nicht ein Stück Dunkelheit vom Rest der Nacht löste und auf ihn stürzte. Und er war nur um die zehn Schritte weit gegangen, als sich ein Stück Dunkelheit nicht hinter, sondern direkt vor ihm bewegte.

      Wie angewurzelt blieb er stehen und bewegte sich nicht. Er war nur noch eine Hülle seiner selbst, so als seien sein Blut und Atem in einer Sommernacht verschwunden, die plötzlich zu Winter geworden war.

      Ein Funke sprang und entzündete in einer kleinen Schachtel ein Stück Baumwolle, an dem ein Streichholz angesteckt wurde.

      »Corbett«, sprach der Mann, während er die Flamme an den Pfeifenkopf führte. »Wenn Ihr so erpicht darauf seid, mir zu folgen, sollte ich Euch eine Audienz gewähren. Meint Ihr nicht?«

      Matthew antwortete nicht. Seine Zunge war noch immer wie versteinert.

      Eben Ausley nahm sich die Zeit, seine Pfeife anzustecken, bis sie richtig brannte. Hinter ihm befand sich eine vom Feuer geschwärzte Ziegelsteinmauer. Sein korpulentes Gesicht war brodelnd rot. »Was für ein Wunder Ihr doch seid, mein Junge«, sagte er mit seiner hohen, krakeelenden Stimme. »Den lieben langen Tag plagt Ihr Euch über Papieren und Tintenfässern ab, und nachts lauft Ihr hinter mir her durch die Stadt. Wann schlaft Ihr denn?«

      »Ich komme schon zurecht«, erwiderte Matthew.

      »Ich glaube, dass Ihr mehr schlafen solltet. Ich glaube, dass Ihr Euch einmal richtig erholen müsst. Findet Ihr nicht auch, Mr. Carver?«

      Matthew hörte die Bewegung hinter sich zu spät. Zu spät merkte er, dass die beiden anderen Männer sich in den verbrannten Ruinen versteckt hatten, die zu beiden Seiten …

      Ein Brett traf ihn am Hinterkopf und beendete seine Spekulationen. Die Wachtmeister mussten sicher denken, dass eine Kanone abgefeuert worden war, denn es war so laut – aber dann riss ihn die Gewalt des Schlags von den Beinen. Brüllender Schmerz überwältigte ihn und es gab nur noch Sterne und Feuerräder. Auf den Knien hockend nahm er alle Willenskraft zusammen, nicht auf die Straße umzufallen. Er biss die Zähne zusammen. Seine Sinne waren getrübt, sodass er nur wie durch Nebel erkannte, wie Ausley ihn auf fröhlicher Fährte in diese Schafsfalle gelockt hatte.

      »Ach, ich denke, das reicht«, sagte Ausley. »Wir wollen ihn nicht umbringen, oder? Wie fühlt sich das an, Corbett? Hat Euch das schön den Kopf geklärt?«

      Matthew hörte die Stimme wie ein aus weiter Ferne hallendes Echo. Wenn es doch nur so wäre. Irgendetwas Hartes drückte sich gegen seinen Rücken. Ein Stiefel, wurde ihm klar. Der ihn gleich zu Boden treten würde.

      »Ist schon gut so, wie er da so sitzt«, sagte Ausley gleichgültig. Der Stiefel entfernte sich von Matthews Rücken. »Ich bezweifle, dass er noch irgendwo hingehen wird. Ihr nicht auch, Corbett?« Er wartete nicht auf eine Antwort, die sowieso nicht gekommen wäre. »Wisst Ihr, wer dieser junge Mann ist, meine Freunde? Wisst Ihr, dass er mich hin und her, vor und zurück verfolgt, und das schon seit … wie lange jetzt, Corbett? Zwei Jahre?«

      Zwei Jahre lang ganz planlos, dachte Matthew. Nur die letzten sechs Monate etwas zielgerichteter.

      »Dieser junge Mann war einer meiner Lieblingsschüler«, fuhr Ausley mit einem frechen Grinsen fort. »Jawohl, einer meiner Knaben. Ist da im Waisenhaus großgeworden. Ich hab ihn zwar nicht von der Straße geholt – das war mein Vorgänger Staunton gewesen. Der dumme Alte hat ihn für ein lohnenswertes Projekt gehalten: aus einem elenden Straßenjungen einen gebildeten Gentleman zu machen; also bitte. Bücher hat er ihm zu lesen gegeben und ihm … was hat er Euch beigebracht, Corbett? Wie man zu einem verdammten Esel wird, wie er es war?« Heiter fuhr er mit seiner Version der Dinge fort. »Dieser junge Mann ist seit seiner Kindheit weit gekommen. Oh ja. Der Richter Isaac Woodward hat ihn als Gerichtsdiener in Stellung genommen und ist mit ihm in die weite Welt hinausgefahren. Hat ihm die Möglichkeit geschenkt, wie ein Gentleman leben zu lernen und ein Mensch zu werden, der einen Wert hat.« Eine Pause entstand, als Ausley seine Pfeife erneut ansteckte.

      »Und dann, meine Freunde«, sagte Ausley und puffte an der Pfeife, »und dann hat er seinen Mentor verraten, indem er sich mit einer Frau zusammengetan hat, die in einem winzigen Kaff unten in der Carolina-Kolonie der Hexerei angeklagt war. Eine Mörderin, soviel ich weiß. Eine Ränke schmiedende Hure, die dem jungen Mann was vorgemacht hat und am Tod unseres edlen Richter Woodward Schuld ist, möge Gott seiner Seele gnädig sein.«

      »Lügen«, brachte Matthew heraus. Es war nur ein Flüstern. Er versuchte es erneut: »Das ist … gelogen.«

      »Hat er gesprochen? Hat er etwas gesagt?«, fragte Ausley.

      »Er hat was gemurmelt«, sagte der Mann, der hinter Matthew stand.

      »Soll er doch murmeln«, meinte Ausley. »Im Waisenhaus hat er auch viel gemurmelt und gegrummelt. Nicht wahr, Corbett? Wenn ich meinen Mentor umgebracht hätte, indem ich ihn zuerst einem alles durchweichenden Unwetter ausgesetzt und danach durch Verrat sein Herz gebrochen hätte, würde aus mir wohl ebenso ein murmelnder Tropf werden. Sagt mir doch, wie schafft Richter Powers es, Euch so weit zu vertrauen, dass er Euch den Rücken zudrehen kann? Oder habt Ihr von Eurer Freundin ein paar Zaubersprüche gelernt?«

      »Wenn der hexen kann«, sagte eine andere Stimme, »hat ihm das heute Nacht aber nichts gebracht.«

      »Nein«, gab Ausley zurück. »Er kann nicht hexen. Wenn er es könnte, würde er sich zumindest in einen unsichtbaren Widerling verwandeln, statt ein Widerling zu sein, den ich beim Rausgehen jedes Mal anschauen muss. Corbett!«

      Dem Befehl, ihm seine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken, konnte Matthew nur nachkommen, indem er seine pochende Hirnschale auf ihrem welken Strunk hob. Matthew musste bei dem Versuch blinzeln, Ausleys widerwärtige Visage nicht vor seinen Augen verschwimmen zu lassen.

      Der Leiter des King Street Waisenhauses für Knaben mit der feschen Hahnenfeder und dem dicken Bauch sagte mit leiser Verachtung: »Ich weiß, was du willst. Ich habe es die ganze Zeit gewusst. Als du hierher zurückgekommen

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