Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Die Eroberung von Plassans - Emile Zola

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Familie war wenig fromm. Selbst die Kinder machten sich über den Abbé und seine Mutter lustig. Octave ahmte die alte Frau nach, wie sie den Hals vorstreckte, um in jedes Zimmer hineinsehen zu können, worüber Desiree nicht wenig lachte.

      Serge, der ernster war, nahm »diese armen Leute« in Schutz.

      Sonst nahm Mouret immer um zehn Uhr, wenn er nicht eine Partie Piquet spielte, den Leuchter in die Hand und ging schlafen; aber heute hielt er sich noch um elf Uhr tapfer gegen den Schlaf. Desiree war schließlich eingeschlafen, mit dem Kopfe auf den Knien der Mutter liegend; auch die beiden Knaben waren schon in ihr Zimmer hinaufgegangen. Mouret plauderte immer noch mit seiner Frau.

      Für wie alt hältst du ihn? fragte er plötzlich.

      Wen? entgegnete Martha, die auch schon zu schlummern begann.

      Nun, den Abbé! Für vierzig bis fünfundvierzig Jahre, nicht wahr? Schade, daß er die Kutte trägt! Er hätte einen schönen Soldaten abgegeben.

      Fach einer kleinen Pause erging er sich mit lauter Stimme in Betrachtungen, die ihn ganz träumerisch machten:

      Sie sind mit dem Zuge um 6 Uhr 45 Minuten angekommen und haben daher gerade noch Zeit gehabt, sich zu dem Abbé Bourrette zu begeben und dann hierherzukommen ... Ich wette, sie haben gegessen! Wir hätten sie ja sonst in das Gasthaus gehen sehen ... Ich möchte wirklich gern wissen, wo sie gespeist haben.

      Rosa ging seit einigen Augenblicken in dem Speisezimmer hin und her und wartete, bis ihre Herrschaft schlafen ging; denn sie wollte die Türen und Fenster schließen.

      Ich weiß, wo sie gegessen haben, sagte sie.

      Mouret drehte sich erstaunt nach ihr um.

      Ja, ich war wieder hinaufgegangen, um zu fragen, ob sie nichts brauchten; da sich in dem Zimmer nichts hören ließ, habe ich durch das Schlüsselloch geschaut.

      Das schickt sich aber durchaus nicht, unterbrach Martha in strengem Tone. Sie wissen, Rosa, daß ich dies nicht leiden kann.

      So laß sie doch, rief Mouret, der in jedem anderen Falle sie ebenfalls wegen ihrer Neugierde getadelt hätte. Sie haben also durch das Schlüsselloch geschaut?

      Ja, gnädiger Herr, und zwar in guter Absicht.

      Gewiß ... Was machten sie denn?

      Nun, sie aßen, gnädiger Herr ... Sie aßen auf der Bettstatt. Die Alte hatte die Serviette ausgebreitet, und so oft sie aus der Weinflasche getrunken hatten, lehnten sie sie verkorkt wieder ans Kissen.

      Aber was aßen sie denn?

      Das weiß ich nicht genau. Es schien mir ein Stück Kuchen zu sein, der in ein Stück Zeitungspapier eingewickelt war. Sie hatten auch Äpfel neben sich liegen, aber so kleine, daß sie nach gar nichts aussahen.

      Sie sprachen doch auch miteinander? Hast du das nicht gehört?

      Nein, gnädiger Herr, sie sprachen nicht miteinander ... Und doch war ich fast eine Viertelstunde an der Türe ... Nein, sie redeten gar nichts, sondern aßen nur immer.

      Martha stand auf und weckte Desiree; sie wollte sich auf ihr Zimmer begeben; die Neugierde ihres Mannes war ihr peinlich. Mouret entschloß sich nun auch, das gleiche zu tun, während die alte Rosa, die sehr fromm war, leise fortfuhr:

      Der arme liebe Mann muß einen schrecklichen Hunger gehabt haben ... Seine Mutter gab ihm die größten Stücke und sah ihm mit Vergnügen zu, wie er einhieb ... Jetzt schläft er wenigstens in reinlichen Bettüchern, wenn der Obstgeruch ihn nicht daran hindert. Es riecht in dem Zimmer gar nicht gut. Sie wissen ja, Äpfel und Birnen haben einen scharfen Geruch ... Das ganze Zimmer ist leer, nur ein Bett steht in einer Ecke – ich würde mich fürchten, da oben zu schlafen.

      Mouret hatte die Kerze in die Hand genommen, blieb einen Augenblick vor Rosa stehen und faßte die Ereignisse des Abends in dem spießbürgerlichen Ausruf zusammen:

      Es ist ganz außerordentlich!

      Dann folgte er seiner Frau, die er am Fuße der Treppe einholte. Sie schlief schon, während er noch immer auf die von oben kommenden Geräusche lauschte. Das Zimmer des Abbés lag gerade über dem seinigen. Nach einigen Augenblicken hörte er oben sachte das Fenster öffnen, was ihn nicht wenig interessierte. Er hob den Kopf von den Polstern und kämpfte tapfer gegen den Schlaf, da er gern wissen wollte, wie lange der Priester an dem Fenster bleibe. Aber der Schlaf war stärker; Mouret sank in die Kissen zurück, bevor er neuerdings das Knarren des Fensterflügels hören konnte.

      Der Abbé Faujas sah oben in die dunkle Nacht hinaus.

      Er blieb lange an dem Fenster stehen und war froh, daß er endlich allein war und ganz seinen Gedanken nachhängen konnte. Unter sich fühlte er den ruhigen Schlaf des Hauses, in dem er sich seit einigen Stunden befand, den reinen Atem der Kinder, die ruhigen Atemzüge Marthas und das regelmäßige Schnarchen Mourets. Es lag etwas wie Verachtung in der Bewegung, als er seinen Stiernacken aufrichtete und den Kopf vorstreckte, um bis an das Ende der in Schlaf gesunkenen Stadt zu sehen. Die großen Bäume des Gartens der Unterpräfektur bildeten eine dunkle Masse, und die Birnbäume des Herrn Rastoil starrten mit ihren dürren Ästen in die dunkle Nacht empor; hinter ihnen war ein Meer von Finsternis, dem nicht der leiseste Laut entstieg. Unschuldig wie ein Wiegenkind lag das Städtchen im Schlafe.

      Faujas breitete mit spöttischem Trotz die Arme aus, als wolle er Plassans umfassen und es mit einem Drucke an seiner starken Brust zermalmen.

      Und diese Dummköpfe lachten, sagte er leise, als sie mich durch ihre Straßen gehen sahen!

      Drittes Kapitel.

      Am folgenden Morgen hatte Mouret nichts anderes zu tun, als seinen Mieter zu beobachten. Dieses Spionieren sollte künftig seine müßigen Stunden ausfüllen, die er zu Hause damit zubrachte, die herumliegenden Gegenstände zu ordnen, mit Frau und Kindern Händel zu suchen. Jetzt hatte er doch eine Unterhaltung, eine Beschäftigung, die ihm in sein tägliches Leben eine Abwechslung brachte. Er konnte die Priester nicht leiden, und doch interessierte ihn der erste Priester, der in sein Haus kam, außerordentlich, weil er etwas Geheimnisvolles, Unbekanntes, sogar Beunruhigendes an sich hatte. Obgleich sich Mouret auf den Freigeist aufspielte und gern ein Anhänger Voltaires sein wollte, flößte ihm doch dieser Abbé ein gewisses Erstaunen, eine gewisse spießbürgerliche Achtung ein, in die ein Zug von Neugierde sich mengte.

      Da in dem zweiten Stocke nicht das geringste Geräusch zu vernehmen war, horchte Mouret aufmerksam auf der Treppe und wagte sich sogar auf den Dachboden hinauf. Als er langsam den Korridor entlang ging, glaubte er hinter der Türe ein Schlürfen von Pantoffeln zu hören, was ihn ungemein aufregte; er konnte aber nichts Sicheres sehen und hören und ging in den Garten hinunter und hielt sich in der Nähe der Laube auf, von wo er vergebens durch die Fenster erkennen wollte, was in den Zimmern vorging. Er bemerkte nicht einmal den Schatten des Abbés, denn seine Mutter hatte in Ermanglung von Vorhängen die Leintücher vor die Fenster gespannt.

      Bei dem Frühstück schien Mouret sehr beunruhigt.

      Sind

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