Evas Geschichte. Eva Schloss

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Evas Geschichte - Eva  Schloss

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oft miteinander weggehen.

      Wieder einmal schickte man mich auf die örtliche Grundschule, und ich fand mich schließlich mit meinem Schicksal ab, wieder eine neue Sprache lernen zu müssen. Holländisch fiel mir nicht ganz so schwer, weil es dem Flämischen, das ich in Belgien einmal die Woche gehört hatte, ähnlich war. Zumindest konnte ich ein wenig verstehen. In den meisten holländischen Grundschulen wurde auch Französisch unterrichtet, und mittlerweile sprach ich fließend Französisch.

      Das hatte zur Folge, dass ich mir einbildete, ich sei besser als meine Lehrerin. Immer wenn sie ein französisches Wort falsch aussprach – was oft vorkam –, verbesserte ich sie. Ich kam mir dabei wichtig und bedeutend vor, aber sie ärgerte sich und ließ diesen Ärger bei jeder sich bietenden Gelegenheit an mir aus. Sie benahm sich mir gegenüber ausgesprochen hässlich, aber mich kümmerte das wenig, weil ich dadurch der Star der Klasse wurde.

      Das geordnete Familienleben gab mir die Sicherheit, die ich so lange vermisst hatte. An Frühlingsabenden hörte ich die Kinder vor unserem Haus draußen spielen. Der Platz vor unserem Häuserblock war geradezu ideal zum Spielen – die Straße endete an unserem Haus und führte in einer Art Dreieck wieder zurück; frisch gepflanzte Büsche und Bäume trennten den Asphalt von einer kleinen Wiese dahinter. Nahezu alle Kinder aus der näheren Umgebung kamen hierher, um miteinander zu spielen.

      Seit 1933 lebten sehr viele jüdische Familien hier in der Gegend, und die jüdischen Kinder schlossen sich zu festen Cliquen zusammen. Neuankömmlinge waren alles andere als willkommen. Ich stand sehr oft herum und wartete darauf, dass jemand mit mir sprach, aber sie wollten mich nicht. So war ich froh, wenn ein paar meiner holländischen Schulfreunde zu dem Platz kamen, um mit mir zu spielen. Vermutlich war ich einfach noch zu neu, denn schon bald schusserte ich mit ihnen, spielte mit ihnen Himmel und Hölle, Verstecken und vieles andere. Dann kaufte Papi mir eines Tages ein schwarzes, gebrauchtes Fahrrad. Ich lernte sehr schnell auf diesem zweirädrigen Ding die Balance zu halten. In den ersten Monaten 1940 fühlte ich mich richtig zugehörig, wenn ich mit meinen Freunden in der üblichen Tracht – Matrosenmantel und kniehohe Stiefel – durch die Gegend fuhr. Wenn es nicht regnete, waren immer genug Kinder da, um Mannschaften zum Beispiel für Schlagball zu bilden. Das gefiel mir am besten, weil man sich mit anderen zusammentun musste. Weil ich eine gute Schlägerin und Läuferin war, rissen sich die anderen um mich, was mein Selbstbewusstsein beachtlich stärkte.

      Ganz allmählich fühlte ich mich wieder heiter und unbeschwert wie früher. Das Leben hatte wieder so viele schöne Seiten. Wenn ich zu Hause von der Schule erzählt und meine Hausaufgaben gemacht hatte, lief ich hinunter, um mit den anderen zu spielen. Um sechs Uhr rief mich meine Mutter zum Abendessen, aber ich folgte ihr meist nur widerwillig – schließlich waren viele meiner Spielkameraden noch draußen, bis nach acht! Aber Papi bestand darauf, dass ich nach dem Abendbrot zu Hause blieb. Im Unterschied zu meiner Mutter war ich nicht stets freundlich und nachgiebig: Ich hatte eine Menge von Papis Charaktereigenschaften geerbt, und es geschah nicht selten, dass er mich für meinen Eigensinn mit Hausarrest bestrafte. Ich war ein richtiges kleines Energiebündel und wäre am liebsten immer draußen gewesen, wo das Leben pulsierte.

      Mit der Zeit entwickelten sich auch engere Freundschaften. Ich verliebte mich bis über beide Ohren in Suzanne Lederman. Sie hatte strahlende veilchenblaue Augen, pfirsichfarbene Haut und dicke, dunkle Zöpfe, die ihr bis zur Taille reichten. Ich hielt mich immer in ihrer Nähe auf, aber sie war lieber in Gesellschaft von zwei quirligen Mädchen namens Anne und Hanne. Die drei tauchten überall gemeinsam auf. Wir gaben ihnen den Spitznamen Anne, Hanne und Sanne, weil sie ein schier unzertrennliches Trio waren, alle ein bisschen weiter entwickelt als wir anderen – mehr wie richtige Teenager. Bei unseren kindischen Spielen wollten sie nicht mitspielen. Sie gluckten zusammen, beobachteten uns und kicherten über die Jungs, was mir sehr dumm vorkam. Dauernd blätterten sie in irgendwelchen Modezeitschriften und sammelten Bilder von Filmstars.

      Von meinem Zimmer aus konnte ich zu Suzannes Zimmer hinübersehen, und manchmal gaben wir uns Zeichen. An einem sonnigen Sonntagnachmittag, ich saß mit Suzanne auf den Stufen zu unserer Wohnung, vertraute sie mir an, wie sehr sie ihre Freundin Anne Frank bewunderte, weil sie immer so geschmackvoll gekleidet war.

      Wie recht sie hatte. Als Mutti mit mir einmal zu dem Schneider in unserer Gegend ging, um einen Mantel ändern zu lassen, mussten wir eine Weile warten, weil der Schneider noch mit einer anderen Kundin beschäftigt war. Aus dem Ankleidezimmer hörten wir Stimmen. Die Kundin wusste offenbar sehr genau, was sie wollte.

      »Mit dickeren Schulterpolstern würde ich besser aussehen«, hörten wir sie mit bestimmtem Ton sagen, »und der Saum könnte ruhig ein bisschen höher rutschen, meinen Sie nicht auch?«

      Der Schneider stimmte zu, und ich saß da und wünschte, ich könnte auch tragen, was ich wollte. Ich war platt, als der Vorhang zurückgeschoben wurde und Anne zum Vorschein kam, ganz alleine. Das Kleid, von dem die Rede gewesen war, trug sie immer noch. Es war pfirsichfarben mit grünem Besatz. Sie lächelte mich an. »Gefällt es dir?«, fragte sie und drehte sich dabei leichtfüßig.

      »Oh, ja«, antwortete ich hastig. Ich platzte fast vor Neid. Verglichen mit ihr kam ich mir wie eine graue Maus vor. Obwohl ich einen Monat älter war als sie, erschien sie mir viel erwachsener. Sie besuchte die Montessorischule und war mir im Stoff etwa ein Jahr voraus.

      Anne wohnte im gleichen Stockwerk wie wir, uns gegenüber. Ich ging sehr oft hinüber, weil ich Suzanne nahe sein wollte. Die Franks hatten eine große, graubraun gestreifte Katze, die jedes Mal behaglich schnurrte, wenn ich sie hochnahm und streichelte. Wie gerne hätte ich selbst ein Haustier gehabt, aber Mutti war strikt dagegen. Oft ging ich ins Wohnzimmer, um die Katze zu kraulen, und Herr Frank sah mir amüsiert dabei zu. Er war viel älter als Papi und sehr nett. Als er merkte, wie schlecht ich Holländisch sprach, redete er fortan Deutsch mit mir. Frau Frank schenkte Limonade für die Kinder ein, und wir saßen gemütlich, mit dem kühlen Getränk in der Hand, in der Küche zusammen.

      Heinz hatte sich in zwei Mädchen verliebt, die beide in unserem Block wohnten. Eine, Ellen, war eine jüdische Immigrantin, genauso wie wir, die andere aber, Jopie, war eine hübsche, blonde Holländerin. Ich war ziemlich gekränkt, dass er den beiden so viel Aufmerksamkeit schenkte – ja, es gefiel mir ganz und gar nicht, dass mein Bruder Interesse für andere Mädchen zeigte. Ich wurde richtig eifersüchtig. Schließlich war ich seine kleine Schwester und stolz auf ihn, auf seine Musikalität und seinen klugen Kopf. Abgesehen davon plagte mich kaum etwas. Es war Frühling, und ich liebte Amsterdam, wo ich endlich wieder ein normales Leben führen konnte.

      10. Mai 1940:

       Die Deutschen marschieren in Holland und Belgien ein

      Wir hatten angenommen, in Holland in Sicherheit zu sein, hatten uns allmählich eingelebt und begonnen, unser neues Leben zu genießen, als zu unser aller Entsetzen die Nazis in Holland einmarschierten.

      Am 13. Mai ging meine Familie mit tausend anderen hinunter zum Hafen, um auf einem Schiff nach England zu fliehen. Stundenlang standen wir Schlange, aber umsonst. Die meisten Schiffe waren entweder schon ausgelaufen oder bis auf den letzten Platz besetzt. Wir waren zu spät gekommen.

      14. Mai 1940:

       Die deutsche Luftwaffe bombardiert Rotterdam, um Holland zur Kapitulation zu zwingen. Nach fünf Tagen streckt die niederländische Armee die Waffen

      Das Land war nun in der Hand der Nazis. Überall waren deutsche Soldaten. Obwohl die Deutschen zunächst angekündigt hatten, alles werde beim Alten bleiben, wurden Woche für Woche neue Verordnungen über Funk und Anschlagtafeln bekanntgegeben, die uns immer mehr in unseren Rechten einschränkten.

      Hitler ordnete an, dass jüdische Kinder in jüdische Schulen zu gehen hatten, die speziell für sie eingerichtet wurden. Der Unterricht in diesen Schulen durfte nicht

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