Katie. Christine Wunnicke
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»Elektrisch«, sagte Professor Tyndall. »So einfach ist das nicht.«
Gladstone, der länger schon auf einem Stück Braten kaute und von den Frauen gerade nicht lassen mochte, erlaubte sich einen Scherz über das funkensprühende Medium, der nicht ganz hasenrein war, was Huggins ärgerte und Reverend Howlett aus einem schwindligen Dösen weckte. William Crookes, in etwas sinnloser Stimmung, trat leicht gegen ein Tischbein, das im Boden der Messe verschraubt war, und wies darauf hin, dass Tischdrehen, Tischklopfen, Tischrücken und ähnliche Experimente auf dem Ozean wohl durchaus erschwert seien; um hier etwas auszurichten, müssten die Geister an Werkzeugen geschult oder stark wie die Bären sein.
»Geister? So einfach ist das nicht«, sagte Professor Tyndall.
»Die Winterstürme in der Biskaya …«, begann der Kapitän der Urgent, der gerne das Thema gewechselt hätte.
»Halluzinationen, Mesmerismus oder Reichenbach-Kraft«, warf einer der Studenten ein.
Crookes merkte, wie sein Hals zu schwellen begann. Dies geschah ihm in letzter Zeit öfter. Er wusste nicht, ob es Zorn war oder ein inneres, ängstliches Abdrücken der Luft. Er schätzte den Spiritismus nicht sehr. Nur wenig hatte er bislang darin dilettiert, kaum drei-, viermal selbst gesessen. Doch in Gelehrtenkreisen war ihm nicht zu entkommen.
Er entfernte ein Stück Kartoffel, das längst kalt war, von seiner Gabelspitze. »Goethe«, sagte er, »in seiner schlechten Farbenlehre, spricht statt eines ›Spektrums‹ dauernd vom ›Gespenst‹ des Lichts. Gespenst. Auf Deutsch. Das deutsche Wort für ›Gespenst‹.«
»Die Biskaya im Winter …«, versuchte der Kapitän sein Glück.
»Es folgt Gesetzen«, murmelte Huggins. Die Urgent lag ruhig wie in stehendem Wasser. »Elektrisch«, wimmerte Huggins, dann sprang er auf und lief fort, um sich gemeinsam mit Mr. Ladd zu erbrechen.
»Nicht so einfach«, sagte Tyndall.
»Mit dem Tod hat es nun ganz und gar nichts zu tun«, sagte Crookes.
»Die Reichenbach-Kraft …«, wiederholte der Student schwach, in der Hoffnung, dass ihm einfallen möge, worum es sich dabei handelte.
»Ich weiß nicht recht, was mich dazu verleitet hat, ihn einzupacken«, fuhr Crookes fort, »doch habe ich den Faraday’schen Indikator im Koffer, den Prototypen aus der Regent Street, und wenn Sie Lust verspüren, Gentlemen, und wenn uns die Langeweile in der Biskaya allzu sehr plagt: So könnten wir ihn doch einmal ausprobieren.«
Die Urgent begann sachte zu rollen.
Mrs. Crookes ging in ihrem Haus umher. Da sie es nicht schicklich fand, in gesegneten Umständen sich überall in der Welt zu zeigen, hatte sie die letzten dreizehn Jahre vor allem in diesem verbracht. Es war ein schönes Haus in der Mornington Road, weiß und rot und ein wenig griechisch, das Mr. Crookes von den Früchten der Wissenschaft und seinem väterlichen Erbe, vor allem letzterem, für die Familie gekauft hatte.
Oft ging Mrs. Crookes sehr lange und ziellos im Haus umher. Dem Personal wurde es zuweilen sauer, weil sie überall auftauchte, wo man nicht mit ihr rechnete, weil sie stehen blieb, schaute und schaute, ohne ein Anliegen zu haben. Mit langsamen, langen Schritten schob sie sich durch die Zimmer. Sie besichtigte die Wirtschaftsräume im Souterrain, warf einen Blick in die Spülküche, betrat dann sogar vorsichtig den Kohlenkeller und schaute länger hinauf in den schwarzen Einfallschacht, durch den vom Trottoir her ein wenig nebeliges Tageslicht drang. Sie ging in die Küche. Die Köchin zeigte ihr etwas, Mrs. Crookes sagte »ja, ja« und »schön, schön«, aber sie konnte sich nicht aufraffen, das Gezeigte anzuschauen. Man kochte für die Kinder seit einer Weile nach einem medizinischen Buch, das bestimmte Nahrung in einem bestimmtem Rhythmus empfahl, damit sie auch im Winter gut gediehen und der Katarrh sie verschonte. Mrs. Crookes konnte sich nicht erinnern, wer das angeordnet hatte, sie selbst, Mr. Crookes oder die Kinderfrau; nur vage erinnerte sie sich an eine vornehmlich blasse Kost, viel Hafer, gekochten Pudding, Blumenkohl und Brustfleisch vom Huhn. In bestimmten Monaten jeder Schwangerschaft verwirrte sich zuweilen ihr Kopf. In diesen Zeiten, so der Arzt, bilde sich das Gehirn des Kindes aus, weshalb es – und an diese Wendung erinnerte sie sich genau – ›sehr an der Mutter partizipiere‹.
»Du armes Ding«, murmelte Mrs. Crookes und strich über ihren Bauch. Langsam erklomm sie die Stufen zum Erdgeschoss und zwei Tränen stahlen sich aus ihren Augen.
In elegischer Stimmung durchwanderte sie Garderobe, Vorzimmer, Familienspeisezimmer und Speisesalon. Sie nahm die gute und die bessere Stube in Augenschein, öffnete und schloss ein Fenster, klimperte auf dem Klavier, dann verweilte sie in der Bibliothek und schob die Trittleiter, die auf Rollen lief und die Mr. Crookes erst letzthin erworben hatte, eine gute Weile hierhin und dorthin. Sie besuchte den Abtritt. Auch dort stand sie länger, schaute und lauschte. Wie die rollende Leiter, so hatte Mr. Crookes auch den Abtritt erst letzthin erworben, ein neues, kompliziertes, patentiertes, Nelly Crookes nicht geheures Wasserklosett. In den Rohren rauschte und gluckerte es, und es roch sehr nach Seife. Auch der Magd war das Klosett nicht geheuer, weshalb sie den Linoleumboden und sogar die Wände dauernd mit nassen Bürsten schrubbte. Und für das Porzellan hatte Mr. Crookes Karbolsäure und Chlorzink verordnet. Auch ihm war das Klosett nicht geheuer. Eine Hand auf der Klinke, die andere in den Rücken gestemmt, verharrte Nelly reglos, den Blick auf den Deckel des Abtrittsitzes geheftet, und überlegte, wie viel Furcht generell wohl in diesem Hause herrsche: Sehr viel, normal viel oder noch viel zu wenig. Vergäße man den Chlorzink, bevor man die Abtrittgrube räumen lasse, hatte Mr. Crookes zur Haushälterin gesagt, so zöge man sich die Cholera zu. Und wenn man bei Gaslicht mit Chlorzink hantiere, setze man giftige Gase frei und stürbe an der Bronchitis. Auch explodiere wahrscheinlich das Licht. Das Licht im Haus war ebenfalls neu, alles sehr modern und gefährlich. Nelly Crookes lächelte. Sie erinnerte sich, wie sie ein kleines Mädchen gewesen war, furchtlos, nicht schwanger, und im Trauerfall immer nur weiß gekleidet. Oh, die goldenen Jahre in Durham … Lächelnd verließ sie den Abtritt und stieg die Treppen hinauf, um nach ihren Kindern zu schauen.
Alice war dreizehn, Henry elf, Joseph neun, John sieben, Bernard fünf, Walter drei. Alle ähnelten eher dem Vater. Alice trug Walter im Arm. Henry ließ Bernard auf seinen Schultern reiten. Sie drängten sich um die Mutter. Die Kinderfrau zeigte ihr etwas, Mrs. Crookes sagte »schön, schön«, aber sie konnte sich nicht aufraffen, das Gezeigte anzuschauen; eine Bastelarbeit vielleicht oder ein Buchstabenspiel? Das Kind in ihrem Bauch trat um sich. Es würde leben. Die meisten lebten. Nur das letzte war gestorben. Mrs. Crookes konnte sich nicht erinnern, wie sehr das letzte getreten hatte. Sie strich allen über die Haare, küsste die kleinsten und sagte »brav«. Wieder schmeckte sie Magensäure. Sie sehnte sich nach dem Sofa, nach Fencheltee und Chlorodyne.
Zuvor warf sie jedoch noch einen Blick in Mr. Crookes’ Laboratorium. Dort traf sie den Lehrling, Mr. Pratt, einen fleißigen, schweigsamen Burschen, der Röhren evakuierte. Er trug eine Haube mit einem Schirm daran, einem Schutzschirm wahrscheinlich, gegen splitterndes Glas, und strahlte in dieser Verkleidung etwas sehr Einsames aus. Auf eigenen Wunsch nahm Mr. Pratt alle Mahlzeiten mit den Kindern ein, aus Schüchtern- oder Bescheidenheit. Mrs. Crookes, die sich angeschlichen hatte, sah ihm eine Weile unbemerkt zu, wie er an der großen, lauten Aspiratorpumpe mit Manneskräften zugange war, und stellte sich vor, wie er tagaus, tagein diese blassen Speisen verzehrte, all den ermüdenden Blumenkohl, und beschloss, falls sie es sich denn merken konnte, diese Situation zu beenden.
»Schön, Mr. Pratt«,