Katie. Christine Wunnicke
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Der Lehrling murmelte etwas, das wie »aber nicht doch« klang, und schob einen Finger der freien Hand in den Kautschukschlauch. Er hatte ein angenehmes Gesicht, belebt, gewitzt, mit feinen Zügen; man konnte in der Tat nur bedauern, dass er so wenig aus sich machte.
»Dann überlasse ich Sie nun Ihrem Schicksal, Mr. Pratt«, sagte Mrs. Crookes und machte sich auf den Weg zum Sofa.
Michael Faraday, der ein erklärter Feind des Spiritismus war, hatte den sogenannten Indikator entworfen, um die Kräfte zu analysieren, die beim Tischrücken zwischen Mensch und Möbel wirkten.
Zwischen Holzbrettchen, die über mehrere mit Gummi gepolsterte Glaswalzen gegeneinander glitten, waren zwei glatte Pappen gelegt, wozwischen ein Gemisch aus Wachs, Pomade und Terpentin gestrichen war. Es musste gelegentlich, bevor es eintrocknete, erneuert werden. In der Mitte des oberen Brettchens war ein Heustängel aufgesteckt, dessen Schwanken und Beben die Bewegungen des Indikators besser sichtbar machte. Insgesamt erinnerte das kleine Gerät an ein flaches Boot oder Fahrzeug. Man platzierte es zwischen die Tischplatte und die Hände der Sitzenden. Dort glitt es los, so denn der Tisch zu rücken, zu klopfen oder zu springen begann. Dank seiner Leichtgängigkeit, seinem schlüpfrigen Innenleben und dem zitternden Stängel konnte der Indikator nun zweifelsfrei zeigen, ob schlicht Lateraldruck ausgeübt wurde, sprich, ob die Sitzenden selbst den Tisch bewusst oder unbewusst in Bewegung versetzten, oder ob andere Kräfte hier wirkten, seien sie elektrischer, tierisch-elektrischer, magnetischer, elektromagnetischer, Reichenbach’scher oder sonstiger Art. Im Familienkreis hatte Faraday nur vom Humbug-Indikator gesprochen. Allerdings hatte er ihm im Athenaeum einen langen Artikel gewidmet.
Das Gerät war nie in Serie gegangen. Lange hatte der Prototyp unbeachtet im Laden des Instrumentenmachers Newman gestanden, bis William Crookes, dessen Bewunderung für Faraday auch nach dessen Umnachtung und Tod nie erlahmte, ihn eines Tages erwarb. Nun war er in die Messe der Urgent gelangt und stand auf einer Anrichte neben einem kleinen runden Tisch. Mit roher Gewalt hatte man die Schrauben herausgehebelt, die den Tischfuß im Boden fixierten. Draußen brauste über der Biskaya ein Wintersturm. Das Schiff schwankte, rollte, stampfte. Im Geschirrschrank klirrten die Teller. Vorhin war der Achtersteven gebrochen. Die Ruderseile knirschten. Längst drang Wasser ein. Kohlen, Eimer, Schaufeln, Werkzeug, Unrat kollerte über Deck. Der Kapitän, der sich zuvor lautstark übergeben hatte, schrie nach dem Bootsmann.
Währenddessen tranken die Mitglieder der Eklipsenexpedition in der Messe Wein. Sie hatten bereits ein wenig zu viel getrunken. Von Schwindel und Übelkeit waren auf einen Schlag alle erlöst gewesen, sobald das Grauen der Biskaya über sie hereingebrochen war. Man fühlte sich, wie Mr. Huggins verwundert festgestellt hatte, plötzlich ganz wohl und zuhause wie in einem Sitzungszimmer der Royal Society. Seit Tagen schlief man in Hängematten. Lustig war das Souper verlaufen, mit schwappender Suppe und fliegendem Braten, der in seiner ganzen Pracht auf Mr. Gladstones Schoß gelandet war. Blitze zuckten, der Regen peitschte das Deck. Das meiste Licht war längst erloschen. Reverend Howlett hütete ein zitterndes Kerzchen.
»Nun, Gentlemen«, fragte William Crookes lachend, »wollen wir unser Glück versuchen?«
Die Herren drängten sich um den runden Tisch. Reverend Howlett mit seiner Kerze blieb, sichtlich ungern, in einigem Abstand stehen, da er nicht wusste, ob sich dieses Spiel für einen Geistlichen schickte. Man nahm Platz, nicht ohne Albernheiten, ein wenig verlegen und sehr amüsiert. Es gab viel Genestel an Ärmeln und Manschetten, doch endlich waren die Hände in einer Kette rund um die Tischkante aufgereiht. Man wusste nicht recht, wohin man schauen sollte. Alles starrte bald auf den Tisch. Ein Student hatte keinen Platz mehr gefunden und blieb bei Mr. Crookes, der den Indikator nun vorsichtig in beiden Händen hielt. Ob es denn ein Medium in dieser Runde gebe, fragte der Student mit einer gewissen Ehrfurcht. Crookes lachte: »Alle, alle!«
In kurzen, heftigen Stößen rückten Tisch, Stühle und Sitzende durch die schwankende Messe. Crookes, der Student und der Pastor folgten der Gruppe in breitbeinigem Seemannsgang. Der nötige Ernst blieb aus. Jemand erwähnte die Argonauten und quälte sich länger mit einem Zitat. Jemand anderes, wohl ein Student, verkündete mehrfach, wie furchtlos der englische Seeheld in Geschichte und Gegenwart sei. Das Kerzchen war erloschen. Etwas krachte. Vielleicht war das Ruder gebrochen. Von der nassen Treppe her fiel ein wenig Licht ein, fahlgrünes Gewitterlicht.
»Konzentration, meine Herren!«, rief Crookes. »Nutzen Sie Ihr Gewicht! Die Gravitation ist unser! Machen Sie sich schwer! Machen Sie Ihre Hände schwer!«
Wirklich kam nach einer Weile alles ein wenig zur Ruhe. Hatten Huggins und Tyndall zuvor noch ihre kleinen Finger ineinander gehakt, um nicht den Kontakt zu verlieren, reichte es nun plötzlich, die Handflächen auf den Tisch zu drücken. Die gespreizten Finger auf der Mahagoniplatte bildeten einen schönen Kreis.
»Gewicht«, wiederholte Crookes. »Gewicht … Gewicht …«
Die Sitzenden verstummten. Der Kreis stand still. Er stand plötzlich erstaunlich still.
Crookes wusste nicht recht, wie es nun weiterging. Nie hatte er ein Sitzen geleitet. Was sagte man? Man rief doch wohl nicht die Geister an. Was rief man an? Die Physik? Die Chemie? Die imponderablen Kräfte? Sollte Howlett ein Kirchenlied singen, wegen der Atmosphäre?
»Gewicht«, psalmodierte Crookes, »schwere Hände …« Er verspürte ein Blähen im Hals, ein Kribbeln. Irgendetwas geschah ihm, gelang ihm, und er wusste nicht, was das war. »Das Auge des Sturms«, hauchte Howlett. In der Tat stand der Kreis nun ein wenig allzu still.
Crookes beugte sich über Gladstones Schulter und platzierte den Indikator zwischen Gladstone und Ladd. Der Tisch schien in der Tat im Boden, in einem festen Boden vernagelt und die Sitzenden schwer und in sich gekehrt. Da weder Gladstone noch Ladd auf seine geflüsterte Bitte reagierten, löste Crookes ihre Finger einzeln vom Tisch, legte sie auf den Indikator und stellte dann den Kontakt der Kette wieder her. Der Indikator stand regungslos. Der Heustängel bewegte sich nicht. Der Sturm heulte und pfiff. Im Geschirrschrank splitterten die letzten noch heil gebliebenen Gläser.
»Huggins?«, fragte Crookes, »Gladstone? Tyndall? Ladd?«
Er bekam keine Antwort. Vielleicht war die Biskaya zu laut. Crookes zog den Indikator nicht ohne Schwierigkeiten unter Gladstones und Ladds Händen hervor und platzierte ihn zwischen Tyndall und Huggins. Die Sitzenden saßen wie Wachsfiguren, wie Spezimen einer zoologischen Sammlung. Crookes dachte an Faraday. Faradays Indikator maß nichts, weil nichts zu messen war. Dies war philosophisch bemerkenswerter, als man zunächst annehmen mochte. Ein Geniestreich, der Indikator. Crookes dachte an Faradays eisernen Rollstuhl, an Faradays Tod, an Philips Tod, an den Tod seines letzten Kindes, an den künftigen Tod seiner Frau, seiner selbst. Es tangierte ihn nicht. Der stille Tisch, der durch die laute Biskaya trieb, war ein Faraday-Käfig gegen den Tod. Hier bleibe ich, dachte Crookes. Er strich Gladstone über die Schulter, Tyndall über den Bart, berührte Ladds Nase. Keine Regung. Mesmerismus?
»Ist jemand anwesend?«, rief plötzlich der Student an Crookes Seite. »Eine Präsenz? Eine Wesenheit? Eine Elektrizität?« – und dann, nach tiefem Luftholen, laut und gepresst: »Mama?«
Der Tisch machte einen Satz. Faradays Heustängel bewies Lateraldruck. Alles schwankte, stampfte, rollte. Es gab ein großes Gelächter. Alle lachten den Studenten aus. Dann kondolierten sie. Dann lachten sie wieder. Man suchte nach intakten Weingläsern. Mr. Ladd