"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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Читать онлайн книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing страница 12
Philipp und Juana zogen zunächst im Land hin und her, ohne Ferdinand zu treffen. Beide Männer vermieden die offene Konfrontation. Aber Philipp war gezwungen zu handeln, bevor es zu spät war. Sollte die neue Frau dem alternden Ferdinand einen Sohn schenken, war alles verloren und Juanas Anspruch null und nichtig. Und Ferdinand tat auch alles, um noch einen Thronerben zu zeugen, er versäumte keine Gelegenheit, um mit der unattraktiven Germaine die Nächte zu verbringen, es war ihm kein Lager zu schlecht, um es nicht unterwegs mit ihr zu teilen. Auch Germaine ließ kein Mittel unversucht, um den König aufzupeitschen, sie braute aus geheimnisvollen Kräutern und aus den Hoden eines Bullen Liebestränke, die sie unter Beschwörungsformeln ihrem liebesmüden Gatten einflößte.
Sie hätte sich gar nicht so sehr abmühen müssen, denn der Tod übernahm die Rolle des Richters in diesem unseligen Streit. Philipp war schon kurze Zeit, nachdem er den Boden Spaniens betreten hatte, von düsteren Ahnungen befallen worden. Ein altes Weib hatte ihm in Galicien aus der Hand gelesen und ihm prophezeit, er werde als Toter größere Strecken in Spanien zurücklegen denn als Lebender. Hastig hatte Philipp seine Hand zurückgezogen und laut aufgelacht, aber sein Lachen klang gezwungen, und die Umstehenden, die es hörten, schauderten. Wenige Wochen später sah man einen Kometen am Himmel aufflammen, drei Nächte hintereinander. Philipp befragte die Gelehrten nach der Ursache und bekam zur Antwort, daß das Erscheinen des Himmelskörpers entweder Pestilenz oder Fürstentod bedeute. In der brütenden Hitze, die über dem Land lag, vermeinte man den Hauch des Todes leibhaftig zu spüren.
Drückend und schwer hing die Luft über Valladolid, als Philipp mit seinem Gefolge in der Stadt einritt. Juana war die einzige Frau in dem Zug, mit starrem Gesicht und im fünften Monat schwanger ritt sie allein unter den Männern, sie hatte jeder Frau untersagt, im Gefolge Philipps zu verweilen. Ihr genügten schon die jungen Mädchen auf den Balkonen, die einen Blick des schönen Philipp auffangen wollten, was Juana nicht verhindern konnte. Das Paar nahm in Valladolid getrenntes Quartier. Hier in dieser Stadt wollte Philipp ein Exempel statuieren, das beispielhaft für das übrige Spanien sein sollte. Er beantragte vor den versammelten Cortes, daß Juana aufgrund ihres Geisteszustandes für regierungsunfähig erklärt werden solle. Die Cortes sollten ihm, Philipp, stellvertretend sämtliche Rechte übertragen. Aber Juana hatte immer noch Fürsprecher in Spanien, und wütend mußte ihr Mann erkennen, daß es ein diplomatischer Fehler gewesen war, die Katze endgültig aus dem Sack zu lassen und sein wahres Gesicht zu zeigen. Jetzt wartete er nur noch auf die Stunde, da er sich endgültig Juanas entledigen konnte. Er hatte den festen Plan, sie in ein Kloster zu stecken und entmündigen zu lassen. Aber er kam nicht mehr dazu, all dies auszuführen. Der Tod wartete schon auf ihn.
Nach einem Bankett, bei dem Philipp in lustiger Runde gegessen und getrunken hatte, stand eine Partie Pelota auf dem Programm. Alle wußten, daß Philipp ein hervorragender Spieler war, daß keiner so behend und schnell war wie er. Obwohl der König sich den ganzen Tag über nicht wohl gefühlt hatte, wollte er dennoch seine körperliche Schwäche nicht zu erkennen geben und verausgabte sich bis zur völligen Erschöpfung. Außer Atem und schweißüberströmt verlangte er nach einem Krug kalten Wassers, das er hastig und ohne abzusetzen in einem Zug hinunterstürzte.
Am nächsten Tag wurde er von Schüttelfrost befallen. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, und am Abend stellte sich Fieber ein. Aber Philipp wollte die Anzeichen der Krankheit nicht beachten, da für den nächsten Tag eine Jagd angesetzt war. Einen Tag schleppte er sich dahin, ohne irgend jemandem gegenüber eine Andeutung zu machen. Erst am darauffolgenden Tag ließ er die Ärzte holen, die sofort alle Mittel, die sie zur Verfügung hatten, an Philipp ausprobierten. Auch das Allheilmittel der damaligen Zeit wendeten sie an und ließen den Prinzen ausgiebig zur Ader, um ihn von den »schlechten Säften«, die ihrer Meinung nach das hohe Fieber verursachten, zu befreien. Aber Philipps Zustand verschlechterte sich von Stunde zu Stunde. Juana wich nicht von seinem Bett, wischte ihm den Schweiß ab und versuchte alles zu tun, damit Philipp wieder zu Kräften käme. Mit Entsetzen bemerkte sie, daß er plötzlich Blut zu spucken begann. Die Ärzte setzten Schröpfköpfe an, die aber das Befinden des Kranken nicht besserten. Die Kehle schwoll an, so daß er weder sprechen noch Nahrung zu sich nehmen konnte, dazu kam am sechsten Tag seiner Krankheit Durchfall, der ihn völlig entkräftete.
Die Ärzte am Hofe wußten sich keinen Rat mehr und schickten nach Salamanca, wo der berühmte Doktor Parra praktizierte. Man bat ihn, in aller Eile zu kommen. Kaum war Parra eingetroffen, als ein heftiger Streit über die Behandlungsmethoden entbrannte. Man diskutierte am Bett, während Philipp vor den Augen seiner schwangeren Frau ins Koma fiel. Sein einstmals so schöner Körper war mit roten und schwarzen Flecken übersät. Der Sohn des Kaisers war unrettbar verloren, jede Hilfe war zu spät gekommen. Noch in derselben Nacht, am 25. September 1506, verschied er in den Armen seiner Frau.
Juana war am Bett des Toten zusammengebrochen, und niemand konnte sie dazu bewegen, ihren Gemahl zu verlassen. Als die Höflinge kamen, um den Toten in einen hermelingefütterten Königsmantel zu hüllen, ihm eine schwarze Samtkappe auf die blonden Locken setzten und ihn mit flämischen Tapisserien umgaben, da konnte man ein fast stummes Schluchzen zwischen den Miserere-Gesängen hören. Die ganze Nacht zogen die Würdenträger des Landes durch die Räume, an dem toten Prinzen vorbei, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Am nächsten Tag wurde Philipp vom Thron herabgeholt, und in Anwesenheit Juanas begannen die Ärzte ihr grausiges Werk. Die Leiche wurde ausgezogen, dann wurde der Schädel geöffnet und das Gehirn herausgenommen. Den Körper schlitzte man von oben bis unten auf, entfernte das Herz und legte es in eine goldene Kapsel, um es nach Flandern bringen zu lassen. Die Gedärme und Eingeweide wurden verbrannt, aus den übrigen Körperteilen preßte man das Blut, damit die Verwesung nicht so schnell fortschreiten konnte. Weil man nicht die Möglichkeit hatte, den Körper einzubalsamieren, pumpte man Parfüm in die Adern. Anschließend wurde Philipp, oder was noch von ihm übrig war, wieder zusammengenäht und in gelöschten Kalk gebettet. So wurde der königliche Leichnam in einem Sarg aus Holz, in dem sich ein Sarg aus Blei befand, zum offiziellen Begräbnis in den Dom gebracht.
Hatte der lebende Philipp Juana schon beinahe verrückt gemacht, so verlor sie nun vollends den Verstand. Sie verfiel in dumpfes Brüten, starrte tagelang vor sich hin und untersagte es, daß die Leiche Philipps nach alter Sitte beigesetzt wurde. Sie weigerte sich, den Sarg herauszugeben, sie wollte den toten Gemahl immer und überall bei sich haben. War es ihr schon zu Philipps Lebzeiten nicht vergönnt gewesen, ihren Mann ganz für sich alleine zu haben, so sollte ihr wenigstens der Tote nicht entgehen. Bald kursierten im ganzen Land die schauerlichsten Geschichten, daß Juana immer wieder den Sarg öffnen lasse, den Toten streichle und liebkose, zu ihm die zärtlichsten Worte spreche, wie sie Philipp neben sich zu Tische setzen lasse und ihn neben sich ins Bett lege. Ob all diese Gerüchte auch tatsächlich wahr waren oder ob ihr eigener Vater sie verbreiten ließ, um die Tochter im Lande in Mißkredit zu bringen, ist nicht sicher. Aber eines war deutlich zu erkennen: Juana zeigte nach dem plötzlichen Tod Philipps nicht mehr das Verhalten eines normalen Menschen. Sie gebärdete sich wie eine Rasende, wenn man versuchte, ihr den Sarg wegzunehmen und sie überreden wollte, Philipp doch endlich beisetzen zu lassen. Dazu kam, daß sie mit einem Mönch gesprochen hatte, der ihr erzählte, wie ein verstorbener König nach vierzehn Jahren wieder zum Leben erwacht sei. An diesen Gedanken klammerte sie sich mit all den Geisteskräften, die ihr noch geblieben waren. Sie war felsenfest überzeugt, daß auch Philipp nach dieser Zeit auferstehen würde. Vor versammelten Adeligen ließ Juana immer wieder den Sarg öffnen, und alle mußten ihr, bei dem schaurigen Anblick, den die Leiche bot, bestätigen, daß Philipp nur schlafe.
Ein Jahr nach seinem so plötzlichen Tod erschien in Deutschland ein Gedenkblatt, in dem ausgesprochen wurde, was viele Gemüter bewegte. Wie konnte es sein, daß ein junger kräftiger König, ein Bild von einem Mann, so plötzlich, von einem Tag auf den anderen, von einer tödlichen Krankheit befallen worden war? Konnte da nicht etwas anderes, etwa Gift, im Spiel sein? Der Spanierin traute man allmählich alle