Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena Themsen
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Читать онлайн книгу Elfenzeit 2: Schattendrache - Verena Themsen страница 11
»Klar«, antwortete Nina.
»Super. Du kannst es uns beibringen.«
Nina riss die Augen auf. »Ihr habt keinen Führerschein? Wie habt ihr dann ein Auto mieten können?«
»Es war kein Problem.« Rian tauschte mit ihrem Bruder ein schelmisches Grinsen.
»Und jetzt wollt ihr, dass ich euch das Fahren beibringe? Auf die Schnelle?«
»Es kann nicht so schwer sein«, meinte David mit einem seltsam abfälligen Unterton, der Nina gar nicht gefiel. »Jeder Mensch scheint es zu können.«
»Man braucht Wochen dazu«, erwiderte Nina. »Und selbst wenn ihr es von mir lernt, habt ihr noch immer keinen Führerschein und dürft gar nicht fahren!«
»Das lass unsere Sorge sein«, antwortete Rian lächelnd. »Wir haben bisher noch nie Probleme mit diesen Dingen gehabt. Es gibt nichts, das wir nicht auf unsere Weise regeln können.«
Nian zog kurz die Augenbrauen zusammen, zuckte dann jedoch die Achseln. Es war nicht ihr Problem, wenn die beiden ohne Führerschein erwischt wurden und eine saftige Strafe aufgebrummt bekamen. Wenn man sich ansah, wie sie wohnten und was für Sachen sie trugen, konnten sie es sich vermutlich leisten. Doch die Unbekümmertheit, mit der die beiden an die Sache herangingen, ließ Nina erneut staunen.
Sie nahm von Rian den Schlüssel entgegen und los ging die Fahrt.
*
Fanmór machte aus dem Sitz einen Sprung nach vorn, und der Aufprall sowie der Wutschrei des Riesen ließen die Audienzhalle erzittern. Die Rankenvorhänge kamen ins Schwingen, trockene Blätter und eingeflochtene Blüten lösten sich von Decken und Wänden und rieselten auf die sich ängstlich an die Wände drückenden Elfen herab. Hätte Alebin nicht ohnehin vor dem König der Sidhe Crain gekniet, hätte die Gewalt des mit diesem Wutausbruch verbundenen Sturms ihn von den Füßen geworfen.
»Wie kannst du es wagen, so etwas auch nur zu denken, geschweige denn offen vor mir auszusprechen?«, brüllte Fanmór. »Wie kannst du es wagen, so etwas von mir nicht nur zu erbitten, sondern nachgerade zu verlangen? Was glaubst du, wer du bist, Meidling? Denkst du, kein anderer kann sich um meine Weinkeller kümmern? Oder nimmst du an, nur weil mein Haar die Farbe ändert, könne jemand wie du ungestraft meine Macht anzweifeln? Was sollte mich wohl davon zurückhalten, dir mit meinen bloßen Fäusten für deine Unverschämtheit den Schädel zu zertrümmern und dich nach Annuyn zu schicken?«
Alebin zog die Schultern hoch, beugte sich vor und stützte sich mit den Händen am noch immer bebenden Boden ab. Er sah zu Fanmór auf, eine Spur bleicher als er ohnehin schon war, und sammelte all seinen Mut zusammen.
»Der gleiche Grund, der mir erlaubte, nach dem Schwur hier an Eurem Hof zu bleiben, als die Feinde der Sidhe Crain mit Bandorchu ins Schattenland verbannt wurden«, antwortete er mit einer Stimme, die ihm selbst viel zu schwach erschien, um überhaupt die Ohren des über ihm aufragenden Riesen erreichen zu können. »Weil Ihr wisst, dass ich unserem Volk treu bin und nur sein Wohlergehen im Sinn habe, und weil Ihr Gerechtigkeit schätzt. Darum hoffe ich, dass Ihr meine Worte überdenkt, und mich nicht dafür straft, dass ich sage, was ich für richtig halte.«
Fanmór öffnete den Mund, und alle Anwesenden einschließlich Alebin zuckten unwillkürlich in Erwartung eines weiteren Wutausbruchs zurück. Doch dann presste er die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Der Riese wandte sich ab, kehrte zu seinem Thronsessel zurück und setzte sich darauf. Der Blick, mit dem er Alebin bedachte, machte der eisigen Kälte des Totenreiches Annuyn Konkurrenz.
»Aye, Gerechtigkeit«, sagte er mit einer Stimme, welche die Efeuranken erneut in Schwingungen versetzte, ohne jedoch die ganze Halle zu erschüttern.
»Es war Gerechtigkeit, die Bandorchu dorthin brachte, wo sie nun ist. Und die gleiche Gerechtigkeit verlangt von mir, dafür zu sorgen, dass sie auf immer dortbleibt. Sie hat mit dem, was sie getan hat, viel Leid über unser Volk gebracht, es gespalten und geschwächt. Gerade diese Schwäche mag sogar dem, was jetzt geschehen ist, Tür und Tor geöffnet haben. Sie wäre die Allerletzte, an die ich mich um Hilfe wenden würde, und wenn es den Untergang unseres Volkes bedeutete – denn sie wäre ganz sicher unser Untergang.«
»Warum seid Ihr Euch da so sicher? Tausend Jahre sind vergangenen! Kann sie sich nicht gewandelt haben in der langen Zeit? Sollte man ihr nicht zumindest die Möglichkeit geben, erneut ihre Treue gegenüber unserem Volk zu beweisen, indem sie uns hilft, das aufziehende Unglück abzuwehren? Wollt Ihr lieber unser ganzes Volk dem endgültigen Verwehen preisgeben, als auch nur einen Schritt in dieser Sache zurückzugehen? Selbst wenn es damals kein Fehler war, sie in die Verbannung zu schicken – kann es nicht heute einer sein, sie dort zu halten? Ist solches Verhalten mit Eurer Gerechtigkeit zu vereinbaren?«
3.
Die Nacht des Samhain
Unzufrieden runzelte Rian die Stirn und sah auf die Karte, die sie auf der Holzbank neben sich ausgebreitet hatte. Hinter ihr plätscherte das Wasser der Zittenfeldener Quelle über bemoosten Fels und verschwand glucksend unter dem Weg, um dann auf der anderen Seite als schmaler Bach wieder auszutreten und sich in der Wiese weiter abwärts zu schlängeln.
Nina war den Wanderweg ein Stück vorausgegangen, um sich ein Holzhäuschen anzuschauen, das auf der anderen Seite zu sehen war. David hatte es sich ebenso wie Rian auf der Bank bequem gemacht, die Beine weit von sich gestreckt, die Arme auf der Rückenlehne ausgebreitet und den Kopf etwas zurückgelegt. Mit geschlossenen Augen atmete er tief den Duft des nahen Waldes ein, der die kühle Abendluft erfüllte.
Über den beiden kletterte Pirx am Abhang herum und erkundete die Höhlung, aus der das Wasser austrat, und die Felsspalten daneben. Kleine begeisterte Quietscher begleiteten seine Entdeckungen dort. Grog lehnte hinter den Geschwistern an der Bank, beobachtete den Pixie und hörte zugleich den Königskindern zu. Beide Feenkobolde waren für jeden Menschen wie immer unsichtbar. David hatte sich viel Mühe gegeben, beim Ein- und Aussteigen die Hintertür möglichst unauffällig länger offen zu halten, damit sie jeweils mit hinein- und hinausschlüpfen konnten, ohne dass Nina etwas bemerkte.
»Das ist jetzt schon die vierte Quelle, und noch haben wir keinerlei Hinweis darauf, warum irgendeiner dieser Brunnen oder Quellen etwas Besonderes sein sollte«, stellte Rian fest. »Sie sind alle durchaus ansprechend, bis auf diesen Fafnir-Brunnen in Bad König, aber da hatte Nina uns ja schon gewarnt, dass das etwas ganz anderes sein könnte. Sie haben alle die Magie der Quellen, manche mehr, manche weniger, aber …« Sie ließ den Satz unvollendet und seufzte.
»Diese hier ist bisher noch die beste«, meinte David, ohne die Augen zu öffnen.
»Aber sie ist eben nicht das, was wir suchen«, erwiderte Rian.
»Wenn es das überhaupt gibt«, sagte David.
Grog brummte etwas Undeutliches, und Rian runzelte die Stirn etwas mehr, rollte die Karte fest zusammen und schlug ihrem Bruder damit heftig auf den Bauch. Überrascht öffnete der Elf die Augen und begegnete ihrem zornigen Blick.
»Warum musst du immer alles in Zweifel ziehen?«, fuhr sie ihn an. »Warum kannst du nicht endlich anfangen, an das zu glauben, was wir hier tun, anstatt dich einfach nur mitschleifen zu lassen? Warum musst du immer alles schlechtmachen mit deiner zynischen Leichenbitterstimmung? Bei den Sommerblüten, fast wünschte ich mir, ich hätte dich zu Hause in deinem Selbstmitleid versunken