Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena Themsen
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Aber da war nur eine Stimme, die eines Mannes. Es klang, als gäbe er Kommandos.
Im nächsten Moment tauchte sie wieder hinter der Rückbank ab, als der Mann hinter den Autos hervorkam und ihre Erinnerung ihr den dazu passenden Hinweis gab. Es war der Mann in dem seltsamen Kapuzenmantel, den sie beim Lindelbrunnen gesehen hatte. Sie wusste nicht genau, warum, aber sie legte keinerlei Wert darauf, von ihm entdeckt zu werden. Ihr Gefühl in dieser Hinsicht war durch den seltsamen Blick, den Rian und David bei ihrer Erzählung getauscht hatten, nur noch verstärkt worden. Es schien, als würden die Geschwister den Mann kennen, und nicht in positiver Weise. Doch sie hatten kein Wort darüber verloren, und Nina hatte es für besser befunden, nicht in sie zu dringen. Jetzt bereute sie es. Der Kerl war sehr groß und breitschultrig.
Der Mann kam näher, und erneut hörte sie seine Stimme. Sie klang kalt und rau, fast wie ein Zischen, und er redete in einer ihr unbekannten Sprache. Als er schließlich direkt hinter ihrem Auto vorbeiging, hörte sie jemanden leise antworten, in hohen, etwas quäkenden Tönen, wie sie sie noch nie von einem Menschen gehört hatte. Der Mann sagte in scharfem Tonfall ein paar Worte, dann schien das Gespräch beendet, und Nina hörte nur noch das Geräusch sich entfernender Schritte.
Sie wagte erneut einen kurzen Blick durch das Rückfenster. Der Mann ging zügig die Auffahrt hinunter und hielt auf den Feldweg Richtung Siegfriedsbrunnen zu. Wer auch immer bei ihm gewesen war, war entweder zurück zum Auto gegangen oder hatte einen anderen Weg genommen, denn Nina konnte niemanden sonst sehen.
Unschlüssig starrte Nina dem Mann hinterher, bis er den Waldrand erreicht hatte. Er hatte etwas mit David und Rian zu tun, ohne jeden Zweifel.
Dass die Geschwister keine Journalisten waren, war ihr recht schnell klar geworden, denn sie interessierten sich nicht für die Geschichten der einzelnen Brunnen, ihre Beziehung zur Nibelungensage, oder auch nur für die touristischen Aspekte der Rundfahrten, die sie machten. Sie hatten stattdessen jeden einzelnen Brunnen genau unter die Lupe genommen und auch das Umfeld untersucht.
Wilde Gedanken an Agenten, versteckte Akten und Verfolgungsjagden schossen durch Ninas Kopf. Hatte jemand an einem der Siegfriedsbrunnen etwas hinterlegt, und sie wussten nicht, an welchem? Oder waren sie Interpol-Agenten, die den geheimen Übergabepunkt in irgendeinem Handel zwischen Verbrechern oder Terroristen suchten? Oder – dieser Gedanke gefiel ihr gar nicht – waren sie vielleicht selbst Verbrecher oder Terroristen?
Nina rief sich zur Ordnung. Ihre Fantasie ging nun wirklich mit ihr durch. Vermutlich gab es für all das einen ganz normalen und prosaischen Hintergrund. Sobald David und Rian zurückkamen, würde sie sie rundheraus fragen, was das alles zu bedeuten habe.
Sie schüttelte den Kopf und wollte sich wieder hinlegen, doch etwas hielt sie zurück.
War das hier nicht genau das, worauf sie immer gewartet hatte? Hatte sie sich nicht immer nach Geheimnissen und Abenteuern in ihrem Leben gesehnt, nur nie den Mut aufgebracht, danach zu suchen? Nun hatte das Abenteuer offensichtlich sie gefunden. Aber sie musste die Entscheidung fällen, ob sie ihm folgte. Nina grinste sich selbst im Rückspiegel an, öffnete die Tür und stieg aus.
*
Rian ging auf dem schmalen und durch die Feuchtigkeit des Nebels schlüpfrigen und für Menschen nicht ungefährlichen Weg voran. Der Wald lichtete sich bald, sie konnte Sitzbänke sehen, sowie einen hohen Gedenkstein mit einem Kreuz darauf, und die Siegfriedquelle selbst. Das Wasser drang hier an einer mit einem Naturstein geschützten Stelle aus dem Hang und lief über einige weitere Steine in einem schmalen, von Farnen eingefassten Bett abwärts. Ein kleiner Steg führte unterhalb der Quelle über das Bachbett, und von dort verlief ein Pfad zu einer runden Ruhehütte weiter oben am Hang. Aus der Hütte drangen Stimmen zu ihr herüber.
Gerade als Rian am Kreuzstein vorbeiging, erschien auf der anderen Seite des Bachs eine junge Frau mit dunkelrot gefärbten Haaren und langen silbernen Ohrringen mit Mondsteinen. Sie trug einen dicken blauen Anorak, unter dem ein bunter Wollrock hervorschaute, ihre Füße steckten in schwarzen Stiefeln, und in ihren mit mehreren silbernen Ringen und Armreifen geschmückten Händen hielt sie eine kleine Glasflasche.
Die junge Frau nickte Rian und David mit einem freundlichen Lächeln zu, als sie sie bemerkte, und folgte dann auf ihrer Seite dem Bachbett, den Blick suchend auf das Wasser gerichtet.
Neugierig trat Rian näher. »Wollen Sie etwas von dem Wasser in die Flasche füllen?«
Die Rothaarige sah zu ihr auf. »Ja, aber es scheint, als wäre das nicht so leicht. Das Wasser fließt zu flach über die Steine.« Ratlos sah sie wieder auf den Bach hinunter. »Wir müssen wohl doch das Wasser nehmen, das wir mitgebracht haben.«
»Wofür brauchen Sie es denn?«
Die Frau steckte die kleine Flasche in eine ihrer Anoraktaschen und sah dann wieder zu Rian. Ein vorsichtiger Ausdruck trat in ihre Augen.
»Wir machen hier eine kleine Feier, zu Allerheiligen«, sagte sie. »Das machen wir gern mit frischem, reinem Quellwasser.«
»Allerheiligen?«, fragte David nach. »Sie meinen das Samhain-Fest?«
»So nennt man es auch«, antwortete die Frau mit einem leichten Lächeln.
»Ah. Warten Sie, ich glaube, ich kann Ihnen helfen.«
David ging das Bachbett entlang, stellte sich dann vor der Quelle breitbeinig auf die Steine, sodass das Wasser zwischen seinen Füßen hindurchlief, und ließ sich in die Hocke sinken. Er warf einen Blick in die Höhlung unter dem Naturstein, legte dann beide Hände aneinander und hielt sie hinein.
»Kommen Sie mit ihrer Flasche her und öffnen Sie sie«, rief er.
Die Frau folgte seiner Aufforderung und hielt ihm die offene Flasche hin. Vorsichtig zog der Elf seine Hände zurück. Der Kelch, den sie bildeten, war randvoll mit glasklarem Wasser. Langsam ließ er es über seine Finger in die Flasche laufen. Drei Mal wiederholte er dieses Vorgehen, dann war das Fläschchen voll, und die Frau schraubte es wieder zu.
»Vielen herzlichen Dank«, sagte sie mit einem breiten Lächeln.
»Gern geschehen«, winkte David ab. »Ich hoffe nur, meine Hände haben das Wasser nicht beschmutzt.«
Sie winkte ab. »Wir werden es ohnehin mit Salz reinigen. Das gehört dazu. Und außerdem, was heißt schon sauber – wenn wir absolut sauberes Wasser haben wollten, müssten wir ja destilliertes Wasser nehmen, und das ist wiederum unnatürlich.« Sie grinste und sah zwischen David und Rian hin und her, während sie die Flasche in ihren Anorak steckte. Die feuchten Finger trocknete sie an ihrem Rock ab. »Werden Sie hierbleiben?«
»Nur so lange wie nötig«, antwortete David und schüttelte sich die Feuchtigkeit von den Fingern.
»Warten Sie nur nicht zu lange. Es wird schon dunkel, und bei dieser Feuchtigkeit ist der Waldboden tückisch. Ich weiß es, ich habe mir letztes Jahr hier den Knöchel verstaucht.« Sie verzog das Gesicht.
»Ich denke, wir werden nicht lange bleiben«, antwortete Rian. »Wir wollten uns nur schnell die Quelle anschauen.«
»Haben Sie schon die Runen bemerkt?«