Befehle von oben. Franz Taut

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Befehle von oben - Franz Taut страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Befehle von oben - Franz Taut Zeitzeugen

Скачать книгу

schaute eine Zeit lang als Kiebitz dem Skatspiel meiner vier Quartiergenossen zu.

      Es war kalt in dem trübseligen Raum, in dem eine Kerosinlampe brannte. Der große Ofen war nicht geheizt.

      In der Nähe krachten Artillerieeinschläge. Die kämpfende Nachhut, die den Rückzug deckte, rückte wohl allmählich an den Don heran. An den Brückenkopf, den der Hauptmann erwähnt hatte, glaubte ich nicht. Von vorbereiteten Stellungen war nichts zu bemerken gewesen.

      Die Skatbrüder schienen den Krieg vergessen zu haben. Es war eine von der Willkür der Zeit zusammengewürfelte Gesellschaft. Der aus dem Sattel in ein gepanzertes Fahrzeug übergewechselte Kavallerist Graf Lerchenau, schmalschädelig, mit scharfen, straffen Zügen, die der Steppenwind modelliert zu haben schien. Das Gegenstück zu dem drahtigen Rittmeister war der etwas füllige bedächtige Hauptmann, der seine Batterie bis auf zwanzig Mann verloren hatte. Assistenzarzt Schmitt mit dem Aeskulapstab auf den Schulterstücken spielte mit nervöser Zerfahrenheit. In sein unfertiges blasses Knabengesicht hatte der Griffel unserer grimmigen Gegenwart tiefe Furchen gegraben. Göbel dagegen, der Pionierleutnant, war ein lebhaftes munteres Kerlchen, dem allem Anschein nach nichts sonderlich nahe ging. Seine Spielverluste nahm er lachend hin, und die Art, wie er genießerisch an seiner Zigarette zog, gab zu erkennen, dass er im Gegensatz zu den anderen den Ernst der Stunde überhaupt nicht erfasste.

      Das Artilleriefeuer verstärkte sich. In dichter Folge krachten die Einschläge, die sich im Bereich der Donbrücke zu konzentrieren schienen.

      Plötzlich flog die Außentür unserer Kate auf. Ein Verwundeter wurde von zwei Soldaten hereingetragen. Die rechte Hand des Mannes hing an einem blutigen Hautfetzen. Ein Blutstrom sprudelte aus der grässlichen Wunde.

      Die Skatkarten verschwanden wie durch Zauberei. Assistenzarzt Schmitt verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen in einen Mann, der sein Metier mit überlegener Sicherheit beherrschte.

      Er drückte mir die Lampe in die Hand, gab den beiden Soldaten Weisung, den Verwundeten auf den Tisch zu betten, krempelte die Ärmel seiner Feldbluse auf und griff zur Sanitätstasche, die bei seinem Gepäck bereitlag.

      Das Gesicht des Verwundeten, der kaum älter als zwanzig sein mochte, war grau und greisenhaft verfallen. Er stöhnte schwach.

      Als Assistenzarzt Schmitt den Hautfetzen durchschnitt, um sogleich bewundernswert geschickt mit Aderpressen und Klemmen zu hantieren, stieß der Verwundete ein tierisches Gebrüll aus, bäumte sich auf und wand sich, so dass es die beiden Soldaten, die ihn gebracht hatten, Leutnant Göbel und den rasch, zugreifenden Rittmeister Mühe kostete, ihn festzuhalten.

      Assistenzarzt Schmitt verabreichte dem Tobenden eine Injektion, legte einen dicken Verband an und sagte schließlich zu den beiden Soldaten: »Tragt ihn zur Verwundetensammelstelle! Ich komme gleich nach.«

      Als der Verwundete fortgeschafft war, nahm Schmitt die abgetrennte blutige Hand und ging durch die offene, im Wind schlagende Tür hinaus, um sich, wie er trocken bemerkte, die Pfoten im Schnee zu säubern.

      Ich folgte ihm zur Tür. Der Anblick, der sich mir bot, war grausiger als alles, was ich bisher in diesem elenden Krieg gesehen hatte.

      Drüben am Fluss, der unter seiner Eisdecke dem Asowschen Meer zuströmte, wuchsen die Qualmpilze der pausenlos niedergehenden Granateinschläge auf. Die Brücke war halb durch beschneite Fichten und unter Schneehauben sich duckende Katen verdeckt. An einem Knäuel ineinander verkeilter Fahrzeuge und zerfetzter Pferde vorbei hasteten Gestalten. Einzelne brachen zusammen, andere trampelten über die Gefallenen hinweg, und auf der Rollbahn, die an dem kleinen Uferdorf vorbei in die östliche Steppe hinausführte, jagte alles, was sich über die unter Feuer liegende Brücke hatte retten können, dicht gedrängt durch den vom Wind getriebenen Schnee.

      Ich drehte mich um und sagte: »Das ist kein Rückzug mehr, das ist Flucht.«

      »Flucht nach Osten«, versetzte der Rittmeister bissig, »ein tolles Ding, meine Herren. Gehaben Sie sich wohl! Ich geh zu meinen Leuten.«

      Er streifte den Kopfschützer über, drückte eine speckige, abgegriffene Schirmmütze darauf, schnallte um, schlüpfte in seinen bis zu den Füßen reichenden Übermantel und griff zum Stahlhelm und zur Maschinenpistole.

      »Gehaben Sie sich wohl!«, sagte er noch einmal.

      In der Tür begegnete er dem Assistenzarzt und ging mit den Worten: »Sie haben eine arbeitsreiche Zeit vor sich, Doktor«, vorbei.

      Auch Schmitt zog den Mantel an, nahm seine Sanitätstasche und sein geringes Gepäck und entfernte sich wortlos in Richtung zur Verwundetensammelstelle, vor der sich eine Reihe von Sankas staute.

      »Damit wäre die Skatpartie geplatzt«, sagte Leutnant Göbel. »Sieht beinah so aus, als ob wir bald an die Reihe kämen.«

      Er hatte kaum ausgesprochen, als der Melder herantrabte, den ich zu Oberst Kern abgestellt hatte. »Herr Leutnant«, rief er mir zu, »Herr Leutnant, Befehl von Herrn Oberst: die Kompanie soll am Westufer einen Streifen besetzen zur Aufnahme der Nachhut.«

      Ich verabschiedete mich kurz von dem Hauptmann und dem Leutnant und folgte dem Melder zum Fluss. Die Kompanie sei bereits alarmiert, berichtete er. Die Nachhut liege im Kampf mit russischen Reiterspitzen. Der Donübergang müsse solange als möglich gehalten werden.

      Ich wusste, es war ein Himmelfahrtskommando, das man uns aufgehalst hatte. Während Hunderte sich verkrümelten, hatte meine Kompanie wieder einmal den Schwarzen Peter gezogen.

      Aber dann kam es doch anders. Die Ereignisse überstürzten sich. Oberst Kerns »Heldenfalle« war geplatzt. Die Mehrzahl der von ihm aufgefangenen zersplitterten Haufen zerstob in dem zunehmenden feindlichen Feuer wie der Schnee, den der Wind vor sich hertrieb.

      Wir betraten die Brücke, aber wir gelangten nicht mehr hinüber aufs westliche Ufer. Die abgekämpfte, hart mitgenommene Nachhut drängte uns schon entgegen. Sanitäter führten Verwundete oder schleppten sie auf Tragen. Drüben feuerten russische MG und Granatwerfer, und hinter uns schrie jemand: »Brücke freimachen zur Sprengung!«

      Wir gingen zurück, setzten uns in Granattrichtern fest und gaben den Letzten der Nachhut Feuerschutz, während Pioniere unter dem Befehl von Leutnant Göbel die Sprengung vorbereiteten.

      Etliche Rotarmisten erschienen ein Stück flussaufwärts auf dem Eis, offensichtlich mit der Absicht, die Brücke unversehrt in Besitz zu nehmen. Die Eisdecke, die noch dünn war, brach, und die im Wasser treibenden Russen gerieten ins Feuer unserer MG.

      Am Ufer erschien der alte Oberst Kern. Tobend trieb er die Pioniere an. Aber auch mit seinem Gebrüll konnte er die Sprengladung nicht zum Hochgehen bringen. Die Zündschnüre wollten nicht glimmen. Schließlich versuchten es Leutnant Göbel und seine Pioniere mit Handgranaten. Der Belag der Brücke wurde zwar beschädigt, doch als Ganzes hielt sie stand.

      Unterdessen nahm die russische Artillerie, die kurze Zeit geschwiegen hatte, ihr Feuer wieder auf. Als die ersten feindlichen Stoßtrupps auf der Brücke erschienen, zerplatzten Granaten in ihren Reihen. Verwirrung entstand. Der Feind wich zurück. Und plötzlich flog die Brücke unter einer gewaltigen Detonation in die Luft.

      Ich erhielt Befehl, mich vom Ufer abzusetzen. In dem Dorf, in dem Oberst Kern alle kampffähigen Kräfte hatte versammeln wollen, schlugen Granaten von schwerem Kaliber ein.

      In dichtem Schneetreiben formierten sich Marschkolonnen, die alle nach Südosten strebten. Ich fragte mich, ob der Einzelne sich

Скачать книгу