Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Dr. Robert Dietsch kam schon nach ein paar Sekunden. Äußerlich hatte er allerdings nicht die geringste Ähnlichkeit mit Leon Laurin. Aus dem dürren jungen Burschen, den Antonia in Erinnerung hatte, war ein recht gewichtiger Mann geworden.
»Antonia, ich freue mich, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen«, sagte er und gab ihr die Hand. »Sie sind noch schöner geworden. Sie sind eine glückliche Frau, das sieht man Ihnen an. Nun frage ich mich, aus welchem Grund Sie sich meiner erinnert haben.«
»Ich werde es Ihnen erklären, Robert«, erwiderte Antonia. »Ich danke Ihnen, dass Sie Zeit für mich haben.«
»Das ist doch selbstverständlich. Maria bringt uns einen Kaffee. Ist es Ihnen recht?«
»Ja, sehr«, erwiderte Antonia, und sie dachte dabei, dass er mit seiner netten Sekretärin auf vertrautem Fuß stehen musste, wenn er sie Maria nannte.
Sie erinnerte sich aber auch daran, dass er schon während der Studentenzeit geheiratet hatte.
»Wie geht es?«, fragte sie.
»Beruflich bin ich zufrieden, privat – na ja, es könnte besser sein. Die Ehe ist schiefgegangen. Meine Tochter lebt bei mir. Sie ist achtzehn. Ihrer Mutter hat es nicht behagt, dass ich beruflich so viele Sorgen hatte. Sie hat sich für einen anderen entschieden, der ihr ein leichteres Leben bieten konnte. Aber Katrin ist ein liebes Mädchen, das entschädigt mich für vieles.«
»Was hatten Sie für berufliche Sorgen, Robert?«, fragte Antonia.
»Na ja, die Klinik war ziemlich heruntergewirtschaftet. Es sah nicht so rosig aus, wie mancher meinte. Mein Vater hatte den Überblick verloren. Er war krank, aber er wollte sich das Heft ja nicht aus der Hand nehmen lassen. Reden wir nicht mehr davon. Jetzt habe ich es geschafft, wenn ich auch keine Konkurrenz für die Prof.-Kayser-Klinik bin.«
»Wir hören das Wort Konkurrenz nicht gern«, sagte Antonia mit einem Lächeln.
Maria kam mit dem Kaffee und Gebäck.
»Meine beste Freundin«, sagte Dr. Dietsch.
Maria verschwand schnell wieder.
»Sehr sympathisch«, sagte Antonia. »Nicht mehr als eine Freundin?«
»Gebranntes Kind scheut das Feuer, Antonia. Wir verstehen uns prächtig, aber Maria hat auch eine böse Erfahrung gemacht. Man muss ja nicht unbedingt heiraten, um sich zu verstehen. Wir sind aufeinander eingespielt. Was würde ich ohne Maria anfangen? Katrin versteht sich auch gut mit ihr. Was will ich mehr?« Er sah ganz zufrieden aus. »Die Laurins haben ja reichen Kindersegen«, fügte er dann schmunzelnd hinzu.
»Und wir sind auch zufrieden, Robert«, sagte Antonia. Dann erzählte sie schnell von den Kindern, aber sie war ja nicht gekommen, um sich privat mit ihm zu unterhalten, deshalb kam sie rasch zum Grund ihres Besuches.
»Wir haben gestern eine Geburtsanzeige bekommen – von Bettina Hammilton«, sagte sie nach einer kurzen Gedankenpause.
»Sie kennen Frau Hammilton?«, fragte der Arzt erstaunt.
»Hat sie nichts über Leon gesagt?«, fragte Antonia zurück.
»Wieso das? War sie hinter ihm her?«
Antonia hielt unwillkürlich die Luft an. »O nein, das nicht. Aber sie war mal seine Patientin«, erwiderte sie.
»Das ist interessant«, staunte jetzt Dr. Dietsch. »Ich hatte noch nie eine Patientin, die von Dr. Laurin zu mir übergelaufen wäre. Allerdings hatte ich schon mehrere Patientinnen, die in jedem einigermaßen interessanten Mann ein Objekt sahen. Bettina Hammilton hat meine Klinik nicht meinetwegen aufgesucht, um es gleich zu sagen. Ich habe einen Belegarzt, der schien die treibende Kraft zu sein.«
»Aber sie hat doch einen attraktiven Mann«, wandte Antonia ein.
Dr. Dietsch seufzte. »Manche Frauen brauchen die Bestätigung von mehreren Männern, Antonia. Aber das bleibt unter uns, nicht wahr?«
»Selbstverständlich, Robert. Was ich fragen wollte, muss auch unter uns bleiben. Welchen Eindruck haben Sie von Bettina Hammilton?«
»Ich habe nicht viel mit ihr zu tun. Dr. Bernulf betreut sie. Er ist sozusagen ihr Stiefbruder. Sohn aus der ersten Ehe von Jonas Bernulf. Er heißt übrigens auch Jonas. Ist erst seit drei Monaten hier Belegarzt. Ich konnte die Klinik nicht anders halten, Antonia. Die Modernisierung hat irrsinniges Geld gekostet. Er hat zehn Betten belegt, obwohl er noch jung ist. Gerade zweiunddreißig. Sein Vater finanziert alles.«
»Das ist interessant. Also könnte verwandtschaftliches Interesse vorliegen«, meinte Antonia.
»Meiner Ansicht nach ist sie eine recht labile, manchmal hysterische Frau«, erklärte Dr. Dietsch.
»Leon hatte eine andere Diagnose gestellt«, sagte Antonia nachdenklich. »ZNS, um es gleich zu sagen.«
»Störung des Zentralnervensystems?« Dr. Dietsch war plötzlich hellwach.
»Leon weiß übrigens nicht, dass ich bei Ihnen bin. Er zweifelt jetzt an seiner Diagnose und leidet darunter. Ich möchte ihm irgendwie helfen, deshalb bin ich hergekommen.«
Dr. Dietsch runzelte die Stirn. »Ich habe sie nicht untersucht. Wie schon gesagt, sie ist Patientin von Dr. Bernulf. Das Kind ist jedoch gesund. Sie können es sich anschauen, Antonia. Sie sind ja auch Ärztin. Aber was Sie da gesagt haben, beschäftigt mich. Ein paar Schwestern haben sich bei mir schon über Frau Hammilton beklagt. Sie werden Tag und Nacht in Atem gehalten. Bernulf ist ja nicht immer hier. Er meckert nur herum, dass Frau Hammilton nicht genügend betreut würde. Das Personal steht ja unter meiner Aufsicht.«
»Mich würde es sehr interessieren, welcher Meinung Sie sind, Robert«, sagte Antonia nachdenklich. »Leon hegt nicht den geringsten Zweifel an Ihrer Qualifikation, um das vorauszuschicken. Aber ihn quält der Gedanke, dass er eine Fehldiagnose gestellt haben könnte.«
»Hier war nie die Rede davon, dass sie bei Dr. Laurin gewesen ist. Sie kam drei Tage vor der Geburt hierher. Vorher habe ich sie nie gesehen. Ich mache meine Visiten, wenn Bernulf nicht da ist, weiter nichts. Frau Hammilton ist nicht gerade freundlich zu mir, aber ich kann auch nichts Ungewöhnliches an ihr bemerken. Ich weiß nur von den Schwestern, dass sie manchmal aus der Rolle fällt. Aber da Sie mir jetzt einen Hinweis gegeben haben, werde ich mich intensiver mit ihr befassen, wenn es möglich ist. Sie kann mich natürlich ablehnen. Aber auch für mich wäre der Fall sehr interessant, wenn Sie recht hätten.«
»Wie hat sie entbunden?«
»Durch Kaiserschnitt. Ich war dabei. Es ging recht gut. Ich kann Bernulf nichts nachsagen, er ist ein guter Gynäkologe. Das Kind wog knapp sechs Pfund, war ganz in Ordnung. Herr Hammilton war erst einmal hier. Er ist im Ausland, wie ich hörte. Frau Bernulf jedoch ist jeden Tag hier. Sie macht einen kränklichen Eindruck. Mehr kann ich Ihnen vorerst nicht berichten, Antonia.«
»Wie lange wird Frau Hammilton noch hierbleiben?«
»Wohl noch vierzehn Tage. Ich werde die Zeit nützen, wenn es mir, wie schon gesagt, möglich ist. Ich werde Sie informieren, wenn ich etwas herausbringe. Ich rufe Sie an.«
»Besuchen