Ohne Panzer Ohne Straßen. Franz Taut
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ohne Panzer Ohne Straßen - Franz Taut страница 5
Vorn, im Niemandsland, erhoben sich die Sturmpioniere aus dem taunassen Gras. Während sich der Pulverqualm des kurzen Feuerschlages verflüchtigte, schlichen sie geduckt zum Drahthindernis, durchschnitten mit ihren Scheren den Stacheldraht und huschten weiter, jetzt schon in Feindesland. Leutnant Heise und der Funker, der das Tornistergerät trug, begleiteten die erste Welle.
Aus einem Wäldchen und einem in einer Mulde halb versteckten Dorf peitschten vereinzelte Schüsse.
Nun trat auch die Infanterie auf der ganzen Front zum Angriff an. Keilförmig folgten die Kompanien den zügig vorgehenden Sturmpionieren.
Das Abwehrfeuer verstärkte sich. Aber es waren ungezielte, wie in höchster Verwirrung abgegebene Schüsse. Zu sehen jedoch war niemand.
Ohne auf Widerstand zu treffen, drangen die Pioniere in das kleine Dorf ein. Die Häuser waren verlassen. Offenbar hatte die russische Besatzung, wie drüben die deutsche, die polnischen Bewohner aus den grenznahen Dörfern vertrieben.
Aus einem einzeln stehenden Haus fielen plötzlich Schüsse. Pioniere umstellten es. Eine Handgranate flog durch ein geöffnetes Fenster. Die laut krachende Explosion riss ein Loch in die Hauswand. Die Tür sprang aus den Angeln. Durch Schwaden von Rauch und Qualm taumelten drei Gestalten in dunklen Uniformen mit erhobenen Händen ins Freie.
»Nix Soldat – nix Soldat!«, rief einer, der aus einer Kopfwunde blutete. Anscheinend waren es Grenzwächter, wie auch auf der deutschen Seite Zollbeamte die Grenze bewacht hatten. Wo aber war die Rote Armee? Weit im Osten schien sie sich allerdings zum Kampf zu stellen, denn dort steigerte sich das anhaltende Artilleriefeuer zu wütendem Trommeln.
Während der Funker, der den Artillerieleutnant Heise begleitete, bei einem vorsintflutlichen Ziehbrunnen sein Gerät aufbaute, kam ein Melder ins Dorf. Die Pioniere wurden angehalten. Sie sollten der Infanterie, die jetzt nachrückte, folgen und später, wenn die weiter landein vermutete Befestigungslinie erreicht war, die Bunkerbekämpfung übernehmen.
Durch Funk gab Heise dem Batteriechef einen Überblick. Unerklärlich war die bisherige Lage. Auf feindliche Kampftruppen war man bisher nicht gestoßen. Nicht einmal als Geplänkel konnte man das bezeichnen, was sich einstweilen in Grenznähe abgespielt hatte.
Von Hauptmann Kern erhielt Heise den Befehl, sich nunmehr als vorgeschobener Beobachter der Infanterie anzuschließen.
Die Kompanie, die die Sturmpioniere abgelöst hatte, sammelte sich am Ausgang des verlassenen Dorfes. Leutnant Heise meldete sich beim Kompaniechef, einem jungen Hauptmann, der wie er das EK I und das silberne Verwundetenabzeichen trug.
»Na, dann wollen wir mal!«, sagte der Hauptmann und stieß die Faust hoch. In drei langen, nebeneinander vorgehenden Reihen durchquerte die Kompanie einen Wiesengrund. Unheimlich war die Stille. Kein Schuss fiel. Wo, zum Teufel, steckte die Rote Armee?
Die Batterie Kern befand sich auf dem Marsch. Rätselhaft war das alles. Zwar waren vor Kurzem, als die Zugmaschinen aus der Protzenstellung kamen, Stuka in großer Höhe nach Südosten geflogen, und irgendwo in der Ferne rumpelte es drohend, aber im eigenen Vorgelände war kein Gefechtslärm zu vernehmen.
Nach kurzer Fahrt durch eine Kiefernschonung kam ein staubbedeckter Kradmelder auf seinem Motorrad von vorn. Leutnant Hohberg nahm die Meldung vom Batteriechef entgegen.
Das Dorf, bei dem die Geschütze erneut in Stellung gehen sollten, lag schon sieben Kilometer tief in Feindesland. Wie rasch hatte man sich umgestellt! Das Gebiet, das Stalin im Herbst 1939 auf Grund des deutsch-sowjetischen Freundschaftspaktes besetzt hatte, war jetzt Feindesland!
»Was wird hier eigentlich geboten?«, fragte Hohberg den Kradmelder. »Kein Widerstand bei den Russen, wie?«
Der Mann nahm die Brille ab und wischte sich den Staub vom Gesicht.
»Wird ganz bestimmt noch kommen, Herr Leutnant«, meinte er.
Er behielt recht. Am Nachmittag, als die Infanteriespitze sich einer Linie gut getarnter Bunker näherte, trat die feindliche Artillerie in Aktion.
Die Batterie Kern und eine benachbarte bespannte Batterie leichter Feldhaubitzen erwiderten das Feuer. Bald meldete die B-Stelle die Vernichtung von zwei feindlichen Geschützen. Die Kanoniere quittierten den Erfolg mit Freudengebrüll, als wäre der Krieg in Russland nun schon gewonnen. Zuinnerst jedoch wusste jeder, dass er jetzt erst begann.
Das nächste Feuerkommando, das von vorn, von der B-Stelle, kam, galt der Bekämpfung der feindlichen Bunker. Nach mehreren, genau im Ziel liegenden Salven verstummten die Geschütze.
Sturmpioniere und Infanterie traten zum Angriff an. Plötzlich aufkommender Wind vertrieb die Schwaden der Nebelgranaten. MG- und Gewehrfeuer schlug den Angreifern aus den Bunkern entgegen, die auf und an einen nach Norden abfallenden Hang gebaut waren. Sie hatten Stirnwände aus Beton, in die Schießscharten eingelassen waren. Einige der Bunker waren noch nicht ganz fertiggestellt, doch aus allen ratterte und peitschte wildes Abwehrfeuer, der erste ernsthafte Widerstand seit dem Überschreiten der Grenze.
Unter den Angreifern, die ohne Deckung den Hang hinaufstürmten, wurden Rufe nach den Sanitätern laut. Aber einzelne Trupps der Pioniere waren im toten Winkel der Bunker angelangt, in dem ihnen das Feuer aus den Schießscharten nichts mehr anhaben konnte. Sie schleuderten Handgranaten und Nebelkerzen in die Öffnungen. Brennendes, dunkel qualmendes Flammöl fuhr in fauchendem Strahl durch die Scharten.
Schon ließ das Feuer nach, Luken öffneten sich. Mit erhobenen Händen kamen erdbraune Gestalten zum Vorschein.
Leutnant Heise, der vorgeschobene Beobachter der schweren Haubitzbatterie, befand sich, gefolgt von dem Funker Kranz, beim Kompanietrupp der sprungweise vorgehenden Infanterie. Dicht vor Heise rannte Hauptmann Martin, der Kompaniechef, den Hang hinauf, die Maschinenpistole schwenkend. Im Kreischen einer MG-Garbe warf der Hauptmann sich nieder. Heise sah es, als er gerade zum Sprung ansetzte. In diesem Augenblick warf ihn etwas hoch und schleuderte ihn hintenüber. Auf dem Rücken blieb er liegen, den Mund wie zu einer Frage geöffnet. Der Funker Kranz beugte sich über den Leutnant. Er sah die Einschüsse in Brusthöhe, sah das Blut, das die Feldbluse färbte.
»Sanitäter!«, rief er mit heiserer Stimme. »Sanitäter!«
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass der Kampflärm verstummt war.
Ein Sanitäter kam. Kopfschüttelnd sagte er: »Da gibt’s keine Hilfe mehr.« Er ging weiter, zu einem Verwundeten, der beide Fäuste gegen das schmerzverzerrte Gesicht presste.
Der Funker Kranz nahm sein Gerät vom Rücken.
»Ameise kommen – Ameise kommen!«
»Ameise« war der Deckname der B-Stelle.
Unteroffizier Heinbusch, der in der B-Stelle das Funkgerät bediente, notierte auf dem Meldeblock den vom »Vorgeschobenen« eintreffenden Spruch. Wortlos reichte er Hauptmann Kern, der am Scherenfernrohr kniete, das Blatt.
»Bunkerlinie genommen – Leutnant Heise gefallen.«
Der Batteriechef übergab Heinbusch das Kommando. Ein Melder wurde beauftragt, den Kübelwagen aus der Deckung heranzuholen.
Beim Einsteigen sagte Hauptmann Kern zum Fahrer Faltermann: »Leutnant Heise