Wut, Mut, Liebe!. Charles Eisenstein

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Wut, Mut, Liebe! - Charles Eisenstein

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      1. eBook-Ausgabe 2020

      Der Verlag dankt Jürgen Hornschuh, Eike Richter und Nikola Winter für die unentgeltliche Übersetzung.

      Der Originaltext von Charles Eisenstein wurde im Januar 2020 online unter dem Titel »Extinction and the Revolution of Love« unter der Lizenz Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0) veröffentlicht.

       https://charleseisenstein.org/essays/extinction-and-the-revolution-of-love/

       https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

      © der deutschsprachigen Ausgabe 2020 Europa Verlag AG Zürich

      Umschlaggestaltung:

      Guter Punkt, München, www.guter-punkt.de

      Übersetzung: Jürgen Hornschuh, Eike Richter und Nikola Winter

      Redaktion: Franz Leipold

      Layout & Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

      Gesetzt aus der Garamond Premier Pro

      Konvertierung: Bookwire

      ePub-ISBN: 978-3-95890-325-8

      Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

      Alle Rechte vorbehalten.

       www.europa-verlag.com

       INHALT

       1.Keine Forderung ist zu groß

       2.Ausgrenzung und CO2-Reduktionismus

       3.Der Lebendige Planet

       4.Neue Prioritäten

       5.Schulden und Krieg

       6.Polarisierung und Leugnen

       7.Aussterben und Bestimmung

       Der Autor

       Anmerkungen

       1. KEINE FORDERUNG IST ZU GROSS

      Der Extinction Rebellion (XR) geht es in Wirklichkeit gar nicht um den Klimawandel, obwohl sie das selbst noch glaubt. Das Klima ist eher als Aufhänger zu sehen, als Ausdruck eines tieferen Sehnens. Greta Thunberg und die Klimastreikenden verkörpern die Weigerung, einem lebensfeindlichen System zu gehorchen. »Ich werde nicht zur Schule gehen. Ich werde mich nicht an all dem beteiligen. Ich will kein Rädchen im Getriebe sein!«

      Die drohende Klimakatastrophe ist wie ein Kristallisationskeim. Sie verleiht einer intuitiv empfundenen, diffusen Entfremdung vom gegenwärtigen Zivilisationsprojekt Form und Ausdruck und kann als Sündenbock für alles, was falsch läuft, herhalten. Sie lenkt die revolutionäre Bestrebung, alles zu ändern, gegen eine Sache. Aber wenn wir morgen früh aufwachen und in den Nachrichten hören würden, dass die Wissenschaft unrecht gehabt hätte und sich die globalen Temperaturen stabilisierten, wäre das immer noch kein Grund für die Protestierenden, aufzuhören. Denn sie begreifen, dass die Herausforderung, vor der die Menschheit steht, nicht die Frage ist, wie alles weiterhin seinen gewohnten Gang gehen kann, nur eben ohne fossile Brennstoffe. Der gewohnte Gang ist nicht in Ordnung, und das lässt sich auch durch einen Umstieg auf andere Energiequellen nicht ändern. Wie die radikalen Kriegsgegner der 1960er-Jahre, die Globalisierungsgegner der 1990er-Jahre oder auch die Occupy-Bewegung haben sie nicht gemäßigte Reformen zum Ziel. Sie wissen, dass gemäßigte Reformen nicht tief genug ansetzen. Sie erkennen – bewusst oder unbewusst –, dass Ökozid1 kein korrigierbarer Nebeneffekt, sondern ein integraler Bestandteil des heutigen Wirtschaftsund Gesellschaftssystems ist. Sie wissen, dass wir zu mehr fähig sind als zu einer Welt voll nie endender Armut, Ungleichheit, Kriegen, häuslicher Gewalt, Rassismus und Umweltzerstörung. Und sie wissen, dass all diese Erscheinungen einander wechselseitig bedingen.

      Mit anderen Worten, die Frage ist nicht, ob unsere heutige Zivilisation nachhaltig werden soll, sondern: Wollen wir sie überhaupt in der Form weiter aufrechterhalten? Sind wir denn nicht zu mehr fähig?

      Bei einer Rede anlässlich der Eröffnung des Berliner Extinction-Rebellion-Camps im Oktober 20192 wagte ich, eine Vermutung darüber zu äußern, worum es der Bewegung in Wirklichkeit geht. Was wir eigentlich wollen, sagte ich, ist, dass die Menschheit die Natur wieder heiligt. Wir wollen von einer Gesellschaft der Herrschaft zu einer der Teilhabe übergehen, von der Unterwerfung zum gemeinsam schöpferischen Tätigsein, von der Ausbeutung zur Regeneration, von der Schädigung zur Heilung und von der Vereinzelung zur Liebe. Und wir wollen diesen Wandel in all unseren Angelegenheiten zum Ausdruck bringen: in Ökologie, Ökonomie, Politik und im persönlichen Bereich. Darum können wir sagen: »Liebe ist die Revolution.«

      Solch ein Ziel lässt sich nicht leicht in politische Forderungen übersetzen. Jede Forderung, die ich stellen könnte, wäre entweder zu gering oder zu groß. Ist sie politisch denkbar, dann ist sie zu gering. Wenn ihre Umsetzung in der Macht und Befugnis politischer Amtsträger steht, wenn sie im Rahmen der gegenwärtigen Politik denkbar ist, heißt das, dass damit keine grundlegende Änderung des Systems verbunden sein darf. Solche Forderungen wären bestenfalls Richtungsanzeiger für ein Ziel, das wir ansteuern wollen. Schlimmstenfalls wären sie wie der letzte Walzer der Schiffskapelle auf dem sinkenden Ozeandampfer.

      Wenn wir hingegen Forderungen stellen, die dem Umfang des angestrebten Wandels entsprechen: An wen, bitteschön, sind diese Forderungen zu richten? Glauben wir denn, die globale Industriewirtschaft und der ihr angegliederte politische Apparat sind ein Güterzug, und wir müssen lediglich den Lokführer auffordern, die Maschine zu drosseln? Die Spitzen in Politik und Konzernen sind gerade so hilflos wie alle anderen. Sie sind Spielbälle von Kräften jenseits ihrer Kontrolle – und zumeist auch ihres Verständnisses. Was wir wirklich wollen – die schönere Welt, von der unsere Herzen wissen, dass es sie gibt3, und deren unverwirklichte Möglichkeiten mit jeder neuen Generation wieder eine Rebellion auslösen werden –, kann uns keine Macht der Welt gewähren. Das heißt

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