Dr. Norden Box 10 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dr. Norden Box 10 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 16
»Man sollte jetzt nicht den Fehler machen und alle Gefängnisinsassen über einen Kamm scheren«, versuchte Daniel, trotz seiner Sorgen um Dési gerecht zu sein.
»Tatjana hat eine Freundin, die sich als Sozialarbeiterin um ehemalige Häftlinge kümmert«, meldete sich Danny zu Wort. Mit den Ellbogen auf dem Tresen gestützt stand er da und starrte aus dem Fenster. Die Minuten zogen sich wie Stunden in die Länge, und er war froh über dieses Gespräch, das wenigstens ein bisschen Ablenkung brachte. »Ihre Erfahrung hat sie gelehrt, dass viele der Knackis wahre Meister im Lügen sind. Nicht alle, aber viele«, wiederholte er.
»Ich gehe mal davon aus, dass sich Wendy keine Gedanken mehr darüber machen muss. Dieses Erlebnis wird ihre Verliebtheit im Keim ersticken«, mutmaßte Dr. Norden senior, als Leben in seine Sohn kam.
Ein Streifenwagen der Polizei war vorgefahren, gefolgt von einem Mannschaftswagen. Beide parkten vor der Praxis, und Wendy nahm die Beamten in Empfang.
*
Nichtahnend, was sich außerhalb des kleinen Behandlungszimmers abspielte, wurde Urs Hansen allmählich müde. Trotz seiner körperlichen Fitness war es anstrengend, seine Geisel ständig festzuhalten, und so sann er nach einem Ausweg, der schnell gefunden war.
Als sich sein Griff um Brust und Mund löste, wollte Dési schon aufatmen. Doch ihre Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.
»Auf die Liege mit dir!«, befahl er und versetzte ihr einen Stoß, dass sie gegen die Behandlungsliege geschleudert wurde.
Dési keuchte und wollte schreien. Doch ihr Instinkt sorgte dafür, dass kein Laut über ihre Lippen kam. Wie Urs es befohlen hatte, legte sie sich auf die Liege. Ihr tränennasses T-Shirt klebte an ihrer Haut. Doch sie bemerkte es nicht, während sie ihm dabei zusah, wie er in den Sachen auf dem Boden wühlte. Dabei wirkte er gesund und munter wie ein Fisch im Wasser.
»Das mit dem Husten war gelogen, oder?«, entfuhr es ihr, und sie zog automatisch den Kopf ein.
Doch Urs wurde nicht etwa böse, sondern lachte auf. Genauso stellte sich Dési das Lachen des Teufels vor.
»Gar nicht schlecht, was? Sogar deine Alte ist drauf reingefallen. Und sie ist eine gute Ärztin.«
»Die Beste«, gab Dési tapfer zurück und dachte fieberhaft nach. »Sie ist auch die beste Mutter. Wie deine bestimmt auch. Denkst du nicht drüber nach, was du deiner Mutter antust?«, versuchte sie, ihn bei seiner Ehre, seinen Gefühlen zu packen. Doch diese Eigenschaften schienen Urs schon vor langer Zeit abhanden gekommen zu sein.
»Meine Mutter?« Er lachte wieder und winkte ab. »Die interessiert sich einen Dreck für mich. Hat nur ihr eigenes Leben im Kopf.« Er hielt kurz inne und dachte nach. »Wenn ich eine Mum hätte wie du und deine Geschwister…« Einen Augenblick lang meinte Dési, Trauer in seinen Augen zu sehen. Doch der Moment verging, und Urs schüttelte ärgerlich den Kopf. »Hör gefälligst auf, mir solche Fragen zu stellen.«
Inzwischen hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte, und richtete sich auf. Er klemmte die Schere zwischen die Zähne. Neben der Liege stehend riss er die Verbandpäckchen auf. Dési sah ihm mit großen Augen dabei zu.
»Was hast du vor?«
Urs nahm die Schere aus dem Mund und klemmte sie zwischen die Beine.
»Was wohl? Ich muss doch dafür sorgen, dass mir mein Täubchen nicht weg fliegt.« Mit diesen Worten wickelte er den Verband ab und begann, Désis Oberkörper an der Liege festzubinden. Hilflos musste sie dabei zusehen, wie sie zur Reglosigkeit verdammt wurde, und erneut begannen die Tränen zu fließen. »Hör auf mit der verdammten Heulerei!«, schimpfte Urs, als er sein Werk vollendet hatte. Er schob den Hocker ans Fußende der Liege und setzte sich hinter Dési, die Schere wieder an ihrem Hals und die Tür fest im Blick. »Sonst mach ich dich kalt.«
Dési wagte es nicht, noch einen Ton zu sagen. Eingewickelt in meterlange Verbände lag sie auf der Liege und wartete darauf, dass sich ihr Schicksal auf die eine oder andere Art vollenden würde.
*
»Natürlich respektiere ich Ihre Entscheidung!«, erklärte Volker Lammers und lächelte die Eltern von Kevin Trostberg an. Das Gespräch in der Klinik war beendet ,und alle Beteiligten inklusive Felicitas Norden und Dr. Mario Cornelius erhoben sich. Wieder einmal war es dem Kinderchirurgen gelungen, seine Vorgesetzte zu verwirren. Fachmännisch und ohne Emotionen hatte er seine Sicht der Dinge erläutert und sich schließlich der Entscheidung der Eltern gebeugt, ohne sein charmantes Lächeln zu verlieren. »Ich bin sicher, dass alles gut gehen und Ihr Sohn bald wieder gesund sein wird.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.« Die Mutter war den Tränen nahe, als sie Seite an Seite mit ihrem Mann und Dr. Lammers das Zimmer verließ.
Fee und Mario schien sie völlig vergessen zu haben.
»Manchmal denke ich, ich leide unter Wahrnehmungsstörungen«, raunte Felicitas ihrem Bruder zu. »Wie kann ein Mensch so charmant und verständnisvoll und auf der anderen Seite so bösartig sein?«
»Vielleicht liegt es an deiner Haltung ihm gegenüber«, erwiderte Mario. Es war ihm anzusehen, dass diese Bemerkung nicht ernst gemeint war. »Du solltest es wie Frau Trostmann machen und Lammers das Gefühl geben, dass er der Größte ist. Dann frisst er dir mit Sicherheit aus der Hand.«
»Nur über meine Leiche!«, zischte Fee und setzte ein Lächeln auf, als sie zu dem Ehepaar trat, das an der Tür auf sie wartete. »Ich habe schon im Vorfeld mit den Kollegen eine Kombinationstherapie erarbeitet, die voll und ganz auf Kevins Bedürfnisse abgestimmt ist«, erklärte sie den Eltern. »Wir werden sofort mit der Behandlung beginnen.«
»Wann können wir mit ersten Ergebnissen rechnen?«, erkundigte sich Anton Trostmann.
»Ich rechne spätestens übermorgen mit einer Verbesserung seines Zustands.« Als Fee diese Worte aussprach, schickte sie ein Stoßgebet in den Himmel. Das Risiko zu scheitern war groß. Doch sie musste es eingehen.
Die drei Ärzte sahen dem Elternpaar nach, das sich auf den Weg zu seinem Sohn machte. Kurz darauf verabschiedete sich auch Mario Cornelius und kehrte in Jenny Behnischs Büro zurück. Volker Lammers und Fee blieben zurück. Allein mit dem Kollegen wappnete sich Fee innerlich schon gegen seine nächste Attacke. Diese Niederlage würde er ihr nicht verzeihen. Doch ihre Erwartung erfüllte sich nicht.
»Gratulation, Kollegin Norden. Sie haben brillant argumentiert«, lobte Dr. Lammers, während sie gemeinsam den Flur hinuntergingen.
Fee war so überrascht, dass sie den Sinn seiner Worte zunächst nicht verstand.
»Wie bitte?«
Volker Lammers schickte ihr einen Seitenblick, der Bände sprach.
»Ich sagte…«
»Ich habe verstanden, was Sie gesagt haben«, unterbrach sie ihn und trat zur Seite, um zwei Schwestern mit einem Utensilien-Wagen vorbeizulassen. »Aber warum? Ich meine, warum sagen Sie so was?«
»Weil