TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2). Stephen England
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Mit einem Druck seines Daumens ließ er das Magazin herausschnappen. Metall klapperte über die Steine, als es herausfiel. Mit den Fingern tastete er nach der Tasche an seinem Gürtel. Eine Kugel bohrte sich durch das Fleisch in seinem Arm und wirbelte ihn halb herum, während eine zweite Kugel in seine Brust einschlug. Der Border-Patrol-Officer sackte nach hinten zusammen, seine Pistole glitt ihm aus den Fingern.
Dunkelheit. Die Sterne schienen um seinen Kopf zu kreisen, während er am Boden lag. Nichts von alledem schien real. Wie lange hatte das Feuergefecht gedauert? Zwei Minuten? Drei? Nicht lange, alles andere als lange, verglichen mit den Jahren des Krieges, die er überlebt hatte.
Und doch lag er im Sterben.
Gutierrez hustete, Blut besprenkelte seine Lippen. Stimmen, dann Schritte, die sich den Felsen näherten.
Sie suchten. Nach ihm.
Die Stimmen waren jetzt näher und unterhielten sich in ihrer Sprache. Das war kein Spanisch, wurde ihm in einem Moment plötzlicher Klarheit bewusst. Aber er hatte sie schon einmal gehört … irgendwo.
Er schloss seine Augen, versuchte sich zu erinnern, während Zweifel an seinem Gehirn nagten.
Und dann war er wieder in Afghanistan, transportierte Vorräte nach Norden, entlang der pakistanischen Grenze. Hörte ihrem Übersetzer zu, wie er sich mit den Dorfbewohnern unterhielt. Über die Monate hinweg hatte er sogar selbst ein paar Worte aufgeschnappt. Worte auf … paschtunisch.
Aber das war nicht Afghanistan. Er war zuhause. In den Vereinigten Staaten.
Flackernd schlug Gutierrez die Augen auf, sah in das Gesicht eines dunkelhäutigen, bärtigen jungen Mannes und in den Lauf einer Pistole in dessen Händen.
Er hörte eine weitere Stimme aus der Ferne, die etwas auf paschtunisch fragte. Es dauerte einen Moment, bis die Frage seinen sich immer mehr verdunkelnden Verstand durchquerte, dann fiel ihm die Übersetzung dafür wieder ein. »Ist er tot?«
Über ihm schüttelte der Pakistani den Kopf und zog den Hammer seiner Pistole zurück. »Nein.«
Kapitel 1
13. Dezember
05:25 Uhr Ortszeit
CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia
Der Raum war spartanisch eingerichtet, weiße Wände auf drei Seiten und eine Einweg-Glasscheibe, die in Hüfthöhe der verbliebenen vierten Wand begann. Genau in der Mitte des Raums stand ein Klapptisch mit jeweils einem Stuhl auf jeder Seite unter einem Paneel hell leuchtender Glühbirnen direkt darüber an der Decke.
Nur drei Männer befanden sich in dem Raum. Der Erste war ein junger asiatischer Techniker, der vornübergebeugt an einem Lügendetektor arbeitete, der an dem Tisch befestigt war. Der zweite Mann war Mitte fünfzig, korpulent, in einem dunklen Anzug, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, und dem konstant gelangweilten Blick eines Bürokraten ins Gesicht gemeißelt. Sein Name war Lucas Henderson Ellsworth IV, und auf diesen war er stolz, genau wie auf seine Familiengeschichte, die bis nach Jamestown zurückreichte. Was seine illustren Vorfahren von seiner Position als Generalinspekteur der CIA gehalten hätten, ließ sich nur schwer sagen.
Der Mann, der vor ihm saß, war achtunddreißig Jahre alt, groß – einen Meter neunzig, laut seiner Personalakte –, schlank und drahtig, was seine Kraft und seine Fähigkeit, gewalttätig werden zu können, gut verschleierte. Stahlblaue Augen blickten Ellsworth aus einem glattrasierten, markantem Gesicht entgegen. Ein Lächeln hätte ihn vielleicht sogar gutaussehend erscheinen lassen, aber der Mann unter den Lampen lächelte nicht. Drähte aus dem Lügendetektor führten zu Elektroden an seinen Armen und einem Gurt um seine Brust.
Der Techniker und der Bürokrat tauschten ein paar Worte aus, dann verließ der Techniker den Raum und ließ die Tür mit der Endgültigkeit einer Zellentür hinter sich zufallen.
Ellsworth lächelte und öffnete die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. »Sie haben eine beeindruckende Karriere vorzuweisen, Mr. Nichols. Fünfzehn Jahre beim Clandestine Service, dazu sogar noch einige Jahre im früheren Directorate of Operations, vor der Gründung des NCS. Vor fünf Jahren mit dem Intelligence Star ausgezeichnet, für eine Operation, deren Details redigiert wurden. Höchst bedauerlich. Ich bin sicher, dass diese eine interessante Lektüre abgegeben hätten. Aber deswegen sind wir heute auch nicht hier.«
Der Mann vor ihm rutschte unruhig herum, über den Smalltalk ganz offensichtlich verärgert. »Ich habe schon darauf gewartet, dass Sie endlich zum Punkt kommen.«
»Natürlich. Lassen Sie mich Ihnen zuerst ein paar vorausgehende Fragen stellen, um einen Basiswert für die Maschine zu ermitteln. Ihr voller Name lautet?«
»Harold Nichols. Einen Mittelnamen hat man mir nicht gegeben.«
»Anfang Oktober dieses Jahres waren Sie und das Alpha Team der Special Activities Division an einer Operation im Mittleren Osten beteiligt. Sie sind der Anführer des Alpha Teams, nicht wahr?«
»Das ist korrekt.«
»Sehr gut. Darf ich Sie Harry nennen?«
»Meine Freunde nennen mich Harry«, antwortete der Mann gelassen und ohne jede Regung.
Ein Moment peinlicher Stille folgte, dann räusperte sich der Bürokrat. »Gut. Wir können jetzt beginnen, Mr. Nichols.«
Der Mann hob eine Hand vom Tisch und deutete auf die Drähte und das Equipment. »Was erhoffen Sie sich eigentlich von all dem?«
Ellsworth schien über die Frage nachzudenken, dann antwortete er: »Die Wahrheit, Mr. Nichols. Ich erhoffe mir, die Wahrheit herauszufinden.«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, oder vielmehr die ironische, zynische Parodie eines Lächelns. »Ich werde Ihnen etwas verraten. Lügen ist mein Beruf. 2008 wurde ich in den Bergen des Hindukusch von einer Splittergruppe der Taliban geschnappt. Ich verbrachte drei Monate in Gefangenschaft, bis es einem Team gelang, mich zu befreien. Ich wurde jeden Tag gefoltert, um Informationen aus mir herauszubekommen. Es dauerte fünf Monate, bis ich wieder eine komplette Meile rennen konnte. An meinem Körper finden sich noch immer die Narben aus jenen Tagen. In all diesen Monaten erfuhren diese Männer nur das, was ich sie wissen lassen wollte. Desinformation, ohne dass sie es je bemerkten. Wenn Sie also glauben, dass dieser Maschine etwas gelingen könnte, wozu diese Männer nicht fähig waren, verschwenden Sie Ihre Zeit …«
05:42 Uhr Ortszeit
eine Stadtvilla
Fairfax, Virginia
Wie so oft schien der Wecker viel zu früh zu klingeln. David Lay öffnete seine Augen und starrte durch die Dunkelheit an die Decke, während der Alarm misstönend vor sich hin lärmte.
Ächzend schwang er seine Beine aus dem Bett und tastete nach dem leuchtenden Display. Mit zweiundsechzig Jahren war er nicht mehr so