Ans Herz gelegt. Clemens Sedmak

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die mich auch auf häufige Fehler aufmerksam machen; ich brauche die Erfahrung von einschlägigen Gesprächssituationen; zu diesem Zweck sind Reisen in das Land, in dem die Sprache gesprochen wird, hilfreich. Hilfreich ist es auch, über gängige Fehler Bescheid zu wissen – es ist etwa ein Fehler zu glauben, Lieben kann man so ohne weiteres, man benötige einzig ein geeignetes Objekt. Es ist auch ein Standardfehler zu glauben, dass Liebe vor allem eine Frage der Gefühle oder gar von Gestimmtheiten sei. Solche Fehler könnte man in einem Kurs besprechen.

      Ich würde einen solchen Kurs wahrscheinlich in sechs Schritten angehen:

      1)Ich würde zuerst von konkreten Situationen ausgehen – beginnend mit einfachen (eine neue Familie zieht in die Nachbarwohnung ein) und übergehend zu anspruchsvolleren Situationen (ein Elternteil wurde in einem Krankenhaus schlecht behandelt oder ein Mitarbeiter muss entlassen werden); wichtig scheint hier die ausgewogene Diät an Beispielen zu sein, das Berücksichtigen von vielen verschiedenen Situationen, in denen sich Liebe „trotz allem“ zeigt.

      2)Ich würde einladen, über Bilder nachzudenken und daran Fragen zu knüpfen – was sind Bilder für die Liebe? Etwa das Bild des Hauses (einen Menschen zu lieben ist wie das Bauen eines gemeinsamen Hauses) oder das Bild des Gartens (einen Menschen zu lieben ist wie das Pflegen eines Gartens, der Ordnung und Sicherheit bietet, aber auch immer wieder Überraschendes, Blühendes und Neues). An diese Bilder kann man Fragen anschließen: Was ist beim gemeinsamen Hausbau zu beachten, etwa in Bezug auf Umsicht und vorausschauendes, langfristiges Denken? Wie pflegt man einen Garten, sodass die Pflanzen wachsen und gedeihen?

      3)In einem dritten Schritt würde ich „das Bedeutungsfeld“ von Liebe abstecken – welche Begriffe sind wichtig, will man den Begriff der Liebe gut und tief verstehen? Etwa: Freude, Höflichkeit, Achtung, Feinfühligkeit, Sorge, Bindung, Dankbarkeit. Über jeden Begriff würde ich nachdenken – Freude als Frucht der Liebe etwa ist ein „ starkes Ja zum Leben, das die Kraft hat, die Wirklichkeit zu verändern“, Höflichkeit als ein Ausdruck von Liebe ist behutsamer Umgang mit Menschen, der Zeit und Raum lässt. Achtung als grundlegende Sprache der Liebe ist die aufmerksame Anerkennung, dass andere Menschen mich zu etwas verpflichten. So würde ich mich dem Begriff der Liebe über andere Begriffe annähern.

      4)Viertens würde ich in einem Kurs über die Liebe Theorien oder Zugänge zur Liebe vorstellen, vor allem drei: Einen Menschen zu lieben bedeutet, dass ein Ich einem anderen Ich zum Du wird und dadurch ein Wir entsteht; dieses Wir bedeutet, dass das Wohl der einen Person mit dem Wohl der anderen Person verbunden ist und dass mehr und mehr Sätze in der ersten Person Plural (Wir-Sätze) gebildet werden können. Eine zweite Annäherung: Einen Menschen zu lieben bedeutet, sich für starke und tätige Sorge für diesen Menschen zu entscheiden; hier hat Liebe mit Verantwortung und Bindung zu tun. Und eine dritte Überlegung: Einen Menschen zu lieben bedeutet, in ihm einen Wert zu sehen, den andere nicht sehen. Das nennt man manchmal die Wert-Theorie der Liebe. Alle haben etwas für sich und helfen im Verstehen der Liebe.

      5)In einem Kurs über die Liebe würde ich dann Beispiele nahebringen, Beispiele von Meisterinnen und Meistern der Liebe, Beispiele von Menschen, von denen man so viel über die Kunst der Liebe lernen kann; ich kann hier etwa an Betsie ten Boom denken, die durch Verrat ins Konzentrationslager Ravensbrück gekommen ist und keinen Hass auf den Verräter empfand, sondern nur Betroffenheit: Was muss dieser Mensch für Wunden tragen, dass er zu so etwas fähig ist! Ich kann hier von Pedro Arrupe erzählen, der ein heiligmäßiger Mensch war und auch denjenigen, die ihm geschadet haben, großzügige Gastfreundschaft gewährte. Ich kann auch von unserer Freundin Felicia erzählen, die gerade auch in Krankheit und Tod eines Kindes eine Autorität in der Liebe ausstrahlt. Solche Beispiele liefern dichte Beschreibungen eines liebevollen Lebens; sie schenken uns Anhaltspunkte und einen Sinn für Weite.

      6)Schließlich dürfen in einem Kurs über die Liebe konkrete Übungen nicht fehlen. Es mag eine gute Übung sein, ein Liebestagebuch zu führen und jeden Abend darüber nachzudenken, wie man in bestimmten Situationen gehandelt hat, ob es Fortschritte auf dem Weg zur Liebe gibt. Eine gute Übung mag auch die Vorbereitung auf den Tag sein, in der man sich einstellt, liebevoll zu handeln. Empfehlenswert ist sicher auch das Bauen an guten Gewohnheiten, die es leichter machen, den Alltag liebevoll zu gestalten, die Gewohnheit eines gesunden Lebensrhythmus, der grundsätzlich Gelassenheit ermöglicht, oder die Gewohnheit, niemals im Zorn zu reden oder zu schreiben, sondern durchzuatmen und Zeit verstreichen zu lassen. Eine gute Übung könnte eine „kleine Autobiographie der Liebeserfahrungen“ sein – wann hast du wie über die Liebe gelernt? Was sind wichtige Erfahrungen, bedeutsame Sätze, gewichtige Situationen? Eine gute Übung ist auch die Suche nach Versöhnung mit Menschen, das gezielte Bemühen darum, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und die Vergangenheit zu heilen. Kein Zweifel: diese Übungen sind echte und anstrengende Arbeit an uns selbst, aber das wäre ein Kurs über die Liebe in jedem Fall. Ein Kurs ist wie eine Reise, die ein Ziel hat, an dem man aber nie endgültig ankommt.

      EINE REISE MIT VIELEN STATIONEN –

      ODER IN VIELEN BRIEFEN

      Ein Leben, das sich um die Liebe bemüht, ist eine Reise, ein Weg. Ein Band der Tagebücher von Thomas Merton, nach seinem Tod veröffentlicht, trägt den Titel Learning to Love, „Lernen zu lieben“. Das ist ein schönes Bild: Hier lesen wir vom Ringen eines Menschen, der versucht hat, in seinem Leben das Lieben zu lernen; weniger dadurch, dass er auszog, als dadurch, dass er einzog, Einkehr hielt in sich selbst. Ja, man kann das Leben sehen als eine Lernreise auf der Suche nach der Kunst der Liebe. Man könnte sich einen solchen Lernweg als eine Reise vorstellen; ähnlich wie die Reise des kleinen Prinzen, die Antoine de Saint-Exupéry beschrieben hat.

      Man könnte sich einen Lernweg zur Liebe aber auch als „Reise in Briefen“ vorstellen, als das Abfassen von Briefen an Menschen, die man liebt. Ein solcher Brief kann ein Feuerwerk sein, aber auch wie eine tiefe Wunde; wenn man Franz Kafkas Briefe an Milena liest – „ich lebte von deinem Blick“ –, kann das schmerzhaft sein, er ringt mit seiner Liebe, dem Nichtzugebenkönnen des Ausmaßes dieser Liebe und der Einsicht, dass Milena für ihn so viel mehr bedeutet als er für sie. Kafka denkt an sie und „über-denkt“, übertreibt das Denken, wie wir einem Brief vom April 1920 aus Meran entnehmen können: „Liebe Frau Milena, von Prag schrieb ich Ihnen einen Zettel und dann von Meran. Antwort bekam ich keine. Nun waren ja die Zettel keiner besonders baldigen Antwort bedürftig und wenn Ihr Schweigen nichts anderes ist als ein Zeichen verhältnismäßigen Wohlbefindens, das sich ja oft in Abneigung gegenüber dem Schreiben ausdrückt, so bin ich ganz zufrieden. Es ist aber auch möglich – und deshalb schreibe ich – daß ich Sie in meinen Zetteln irgendwie verletzt habe (welche gegen allen meinen Willen grobe Hand hätte ich, wenn das geschehen sein sollte) oder, was freilich noch viel schlimmer wäre, daß der Augenblick ruhigen Aufatmens, von dem Sie schrieben, wieder vorüber und wieder eine schlechte Zeit für Sie gekommen ist.“ – Kafka quält sich und quält sie mit seinen Selbstzweifeln. Das zu lesen tut weh; schmerzhaft kann auch die Lektüre der Briefe von Hilde Domin an ihren Ehemann Erwin Walter Palm sein, der mit der Begabung und dem Erfolg seiner Frau seine Schwierigkeiten hatte. Hier ringen „Ich“ und „Du“ und „Wir“ miteinander.

      Berührend ist es, die vielen Briefe zu lesen, die Lew und Swetlana Mitschtschenko einander zwischen 1946 und 1954 geschrieben haben, etwa zweimal pro Woche. Lew war nach den Irrungen und Wirrungen des Krieges zu einer zehnjährigen Haftstrafe in einem Gulag verurteilt worden; in den Briefen richten sie einander auf, wollen einander Gutes und sagen einander das Gute zu; im Jahr 1949 kann Lew etwa schreiben: „Ich möchte, dass Du häufiger lächelst, öfter singst oder etwas vor Dich hin summst und dass Du die Augen ein wenig zusammenkneifst, wie Du es tust, wenn Du etwas lustig findest, oder dass Du sie, mit einem leichten Stirnrunzeln, weit öffnest, weil Du etwas siehst, das Dich glücklich macht.“ Die Briefe, mit denen sie einander Mut machen („wir werden dies durchstehen“), hat der britische Historiker und Russlandexperte Orlando Figues gesichtet und in Übersetzung herausgegeben. Die Briefe sind ein beredtes Zeugnis dafür, dass die Liebe zu einem Menschen diesen Menschen zum selbstverständlichen

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