Wenn sie mich finden. Terri Blackstock
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„Ich werde ihn aufhalten.“
„Nachdem er vollendete Tatsachen geschaffen hat. Nachdem es zu spät ist für die Menschen, die ich liebe.“
„Casey, Sie müssen sich jetzt um sich selbst kümmern. Auf Hannah richten sich gerade viele Augen. Die Presse belagert ihr Haus und das Ihrer Mutter; sie versuchen immer wieder, jemanden vor die Kamera zu kriegen. Ich glaube nicht, dass ihr im Moment etwas passieren kann.“
Ich springe auf. „Was? Sie belagern sie? Warum?“
„Na, wegen dem, was Sie in Shady Grove getan haben. Das ist ein gefundenes Fressen für die Medien. Stellen Sie sich die Schlagzeilen vor: Ist sie ein Killer oder eine Heilige?“
„Weder noch.“
Er schweigt einen Moment. „Heiligkeit ist nicht das, was die Leute dafür halten. Sie sollten mal die Bibel dazu befragen.“
„Ich weiß nicht viel von der Bibel“, sage ich.
„Das lässt sich ändern. Vielleicht gefällt sie Ihnen sogar.“ Ich mag den sanften Ton seiner Stimme. „Ich glaube wirklich, dass Gott hier seine Hand im Spiel hat. Er ist der Grund, warum ich auf Ihrer Seite bin.“
Wieder fließen die Tränen. Ich wische sie fort.
„Casey, ich wünsche mir, dass Sie sehen können, wo er am Werk ist. Halten Sie Ausschau nach ihm. Nehmen Sie mich als erstes Indiz.“
Ich denke darüber nach, was er sagt. Wenn er nicht lügt, wenn er wirklich auf meiner Seite steht, dann ist die Tatsache, dass es ihn in meinem Leben gibt, allerdings ein Wunder. Ich denke an mein Entkommen aus Shady Grove, daran, dass er im entscheidenden Moment aufgetaucht ist, wenn auch nur, um mich zu verhaften. Aber dann hat er es nicht getan.
„Ja, das sehe ich“, flüstere ich, ziehe den Ärmel über meine Faust und wische mir über Wangen und Nase.
„Gut.“
Ich weiß nicht, warum dieser Augenblick mit Dylan mich so tröstet. Ich wünschte, ich könnte ihm direkt gegenübersitzen. Ich wünschte, ich könnte seine Hand halten.
Ich wünschte, ich müsste dieses Gespräch nicht abbrechen. Aber es ist möglich, dass er das Gespräch zurückverfolgen lässt. Falls das so ist, bin ich vermutlich bereits entdeckt. Jedenfalls sollte ich es jetzt nicht noch ausdehnen. „Ich muss Schluss machen“, sage ich leise.
„Ich bin froh, dass Sie angerufen haben. Tun Sie das wieder. Wenn ich nicht direkt abnehmen kann, rufe ich Sie zurück.“
Ich weiß nicht, ob ich ihn je wieder anrufen werde. Für alle Fälle sage ich: „Vielen Dank, Dylan.“
„Passen Sie auf sich auf“, sagt er. „Ich bete für Sie.“
Ich beende das Gespräch, überrascht, wie gut mir diese Bemerkung tut. Dass da jemand, irgendein Jemand, für mich beten will … Die Vorstellung verleiht mir Kraft; ich fühle mich nicht mehr so entsetzlich schwach.
Heute Nacht werde ich schlafen. Und morgen werde ich etwas anderes tun als trauern.
9
Casey
Am Sonntagmorgen nehme ich ein Taxi nach Armstrong, gerade außerhalb des Stadtgebiets von Durant, und verbringe die Nacht dort. Am Montagmorgen versuche ich mir zu überlegen, wie meine nächsten Schritte aussehen könnten. Ich muss Kontakt zu meiner Schwester aufnehmen, aber ich wage nicht, sie auf dem Wegwerfhandy anzurufen, das ich ihr geschickt habe, als ich noch in Shady Grove gewohnt habe. Jetzt können sie meine Spur in Georgia ja verfolgen, sie wissen, unter welchem Namen ich dort gelebt habe, und höchstwahrscheinlich haben sie dieses Handy bereits ermittelt.
Ich kann ihr auch nicht noch einmal ein Handy über ihre Schwiegereltern zuschicken. Die würden misstrauisch werden.
Weil ich Angst habe, zu lange an einem Ort zu sein, bestelle ich erneut ein Taxi. Während ich darauf warte, suche ich im Papiercontainer nach einer Schachtel. Ich finde eine mit einem Amazonlogo, groß genug, um ein Kuscheltier für meine Nichte darin zu verpacken. Wenn ich das Handy darin verstecke, wird jeder, der das Haus vielleicht beobachtet, glauben, es sei etwas, das Hannah selbst bei Amazon bestellt hat.
Da kommt mein Taxi und ich bitte den Fahrer, mich zum nächsten Walmart zu fahren. Er kurvt mich ein paar Meilen durch die Gegend und an meinem Ziel finde ich ein Plüschtier, das eine nervtötende Melodie spielt. Hinter einer Klappe auf dem Rücken finde ich die Spieluhr. Wenn ich die herausnehme, ist genug Platz, um das neue Handy darin zu verstecken. Und die Klappe mit dem Klettverschluss lässt sich spurlos wieder verschließen.
Ich kaufe das Spielzeug und zwei neue Wegwerfhandys samt Telefonkarten, außerdem Paketband und Schere. Nebenan gibt es ein Restaurant mit öffentlichem WLAN und ich beschließe, dort zu frühstücken. Während ich auf mein Essen warte, lege ich das Plüschtier auf meinen Schoß, sodass es halb vom Tisch verdeckt wird, und entferne die elektronischen Eingeweide aus dem Häschen. Ich lege Handy und Ladegerät in den entstandenen Hohlraum, schließe die Rückenklappe wieder und begutachte mein Werk. Es sieht perfekt aus. Ich hoffe, Hannah wird versuchen, die Melodie abzuspielen, und merken, dass etwas nicht stimmt. Ich verpacke das Tier in der Schachtel, und verklebe sie, sodass ich das Päckchen leicht bei FedEx aufgeben kann.
„Bitte sehr.“ Die Bedienung stellt einen Teller vor mich hin und ist schon wieder weg, bevor ich mich bedanken kann. Eilig läuft sie zurück zu ihrer Theke.
Ich blicke ihr nach. Ob sie mich erkannt hat? Ich will gerade meine Sachen zusammensammeln und mich aus dem Staub machen, als ich höre, wie die andere Bedienung zu mir sagt: „Sue ist sofort wieder zurück, Liebe. Ihr ist nur zurzeit morgens immer etwas übel.“
Erleichtert beginne ich zu essen. Ein paar Minuten später kehrt Sue mit einer Kaffeekanne zurück. „Es tut mir leid“, sagt sie. „Ich fühle mich nicht wohl.“
„Sie hat es mir erklärt“, sage ich und nicke in Richtung der anderen Kellnerin. „Schwangerschaftsübelkeit?“
„Mmh. Eigentlich mag ich meinen Job, aber zurzeit bringt mich jeder Teller, den ich servieren will, zum Spucken.“
„Vielleicht könnte ja jemand anders die Bedienung an den Tischen übernehmen?“
Sie gießt mir Kaffee ein. „Das wäre eine große Hilfe, aber niemand vom Küchenpersonal will das. Ich glaube, wenn die ersten drei Monate um sind, kommt alles wieder in Ordnung. Jedenfalls hat man mir das so gesagt.“
Sie kommt mir ziemlich jung vor und ich frage: „Ihr Erstes?“
„Mmhm.“ Sie sieht nicht allzu glücklich aus. Vielleicht kommt die Übelkeit zurück.
Ich esse und sie verschwindet erneut. Als sie zurückkommt, höre ich, wie ihre Kollegin ihr mitteilt, dass sie zu einer Elternversammlung in die Schule muss. Sue wird für eine Weile allein zurechtkommen müssen. Es tut mir leid für sie.
Um mich herum sitzen ein paar Gäste an den Tischen und wollen Kaffee nachgeschenkt bekommen, aber sie ist schon wieder auf dem Weg zur Toilette. „Eine Sekunde“, sagt sie und verschwindet.
Die