Wenn sie mich finden. Terri Blackstock
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Читать онлайн книгу Wenn sie mich finden - Terri Blackstock страница 16
Er knallt den Hörer auf den Apparat und lehnt sich über seinen Schreibtisch zu mir vor. „Es gibt da ein paar Menschen, die mir sehr am Herzen liegen und die erneut in tiefe Trauer gestürzt wurden, weil sie den blutigen Körper ihres Sohnes auf einem Fernsehbildschirm ansehen mussten und ihn überall im Internet finden können. Was wissen Sie davon, Dylan?“
„Deswegen bin ich hier“, sage ich. „Weil ich genau dieselbe Frage habe. Wer hat diese Fotos an die Presse gebracht?“
„Keegan sagt, Sie waren’s. Setzen Sie sich.“
Ich kann jetzt nicht sitzen. „Keegan weiß sehr gut, dass man mir diese Fotos gar nicht ausgehändigt hat.“ Meine Hände zittern noch immer, als ich mein Handy heraushole und die Fotos aufrufe. Ich blättere durch den Ordner, bis das erste Bild erscheint, das ich an jenem Tag gemacht habe – es sind Bilder von der Tatortdokumentation der Spurensicherung. Kein einziges zeigt Brents Körper. Ich reiche ihm das Handy und beobachte, wie er die Bilder ansieht.
Schließlich gibt er mir das Handy zurück. „Das beweist gar nichts, Dylan. Wer sagt mir, dass sie die anderen Fotos nicht einfach auf dem Weg hierher gelöscht haben?“
„Und warum sollte ich dann wohl sofort, nachdem ich sie gesehen habe, hier auftauchen? Brent war mein Freund. Ich will nicht, dass die ganze Welt ihn so anstarren kann. Das trägt die Handschrift von Detective Keegan.“
Er knurrt. „Und was veranlasst Sie zu dieser Aussage?“
„Keegan gefällt die PR nicht, die Casey Cox im Moment bekommt“, sage ich. „Er möchte die Geschichte verändern.“
„Das will ich auch“, erwidert Gates. „Genauso wie Sie selbst. Aber dies …“
Endlich sinke ich auf einen Stuhl und vergrabe das Gesicht in den Händen. „Hat Brents Mutter sie gesehen?“
„Das am Telefon eben war Jim“, sagt er. „Sie war gerade im Supermarkt – die Bilder liefen auf zehn Großbildschirmen. Man musste ihr ein Beruhigungsmittel geben. Sie ist am Boden zerstört. Als wäre es erst gestern passiert.“
Ich brauche einen Moment, um meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ich reibe mir über die Lippen, damit sie mir gehorchen. „In meiner gesamten Arbeit als Ermittler habe ich niemals Informationen durchsickern lassen“, sage ich mit Nachdruck. „Und ich würde es auch nie tun. Schon gar nicht, wenn die Familie eines Freundes betroffen ist. Können wir vielleicht eine einstweilige Verfügung gegen den Sender erwirken? Eine Unterlassungsklage?“
„Zu spät“, entgegnet der Polizeichef. „Die Bilder sind draußen. Die Leute machen sich Screenshots davon und verschicken sie an Freunde.“
Ich stoße die Luft aus. „Die Leute sind krank.“
„Die Bilder sind spektakulär. Die Sache ist skandalös. Schrecklich – und die Leute wollen Blut sehen.“ Er macht eine Handbewegung, mit der er versehentlich eine Wasserflasche und seine Kaffeetasse vom Schreibtisch fegt. Die Tasse zerbricht klirrend in Scherben und der braune Inhalt verteilt sich auf dem Fußboden.
Seine Sekretärin stürmt herein. „Sir, ist Ihnen was passiert?“
„Nein“, bellt er. „Bringen Sie mir Keegan und Rollins her. Auf der Stelle. Egal, wo sie stecken, erklären Sie ihnen, ich will sie hier sehen. Und rufen Sie den Staatsanwalt an. Ich kann ihn nicht mehr heraushalten. Wenn er kann, soll er auch herkommen.“
Dass er die beiden Ermittler kommen lässt, bedeutet hoffentlich, dass er mir glaubt. Die Sekretärin ruft den Staatsanwalt an und ich lasse den Polizeichef eine Minute allein, gehe hinaus auf den Flur und checke per Handy, wie sich die Bilder bisher verbreitet haben. Dann höre ich am Ende des Ganges jemanden fluchen. Als ich hochschaue, marschiert Jim Pace auf mich zu. Seine Augen sind gerötet, seine Schritte energisch. „Dylan, sag mir, dass du das nicht warst!“
Dass er das überhaupt in Erwägung ziehen kann, lässt meine Augen brennen. Ich gehe ihm entgegen. „Jim, warum sollte ich wohl wollen, dass diese Bilder in Großformat über die Bildschirme flimmern? Warum sollte ich wollen, dass Leute sie weiterverschicken und dass Elise sie zu sehen bekommt? Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen.“
Jims Lippen zittern und er hat sich nicht mehr in der Gewalt. Er schlägt die Hände vors Gesicht und kehrt mir den Rücken zu. „Ich kann es einfach nicht glauben“, stammelt er. „Seine Mutter …“
„Ich glaube es auch kaum“, flüstere ich.
Er dreht sich zu mir um. „Wer hatte Zugang zu diesen Fotos?“
„Die Leute von der Spurensicherung, die sie gemacht haben“, sage ich. „Und natürlich die Ermittler, die den Fall bearbeiten. Aber mir wollte man keinen Zugriff auf diese Fotos geben und das hat seinen Grund. Für diese Bilder gibt es sehr strenge Beweismittelsicherungsbestimmungen. Alles zu dem Zweck, es der Familie zu ersparen, noch einmal mit allen Einzelheiten konfrontiert zu werden.“
Am Ende des Ganges entsteht Bewegung und ich höre Keegans Stimme, der, Rollins im Schlepptau, auf uns zumarschiert. Keegan ist wütend, hat das Kinn vorgestreckt und schaut mich von oben herab an, als wolle er sich gleich auf mich stürzen. Ich straffe die Schultern und gehe ihm entgegen.
Dann sieht Keegan Jim und seine Miene verändert sich. Er streckt ihm die Hand entgegen. „Jim, das tut mir schrecklich leid. Wir gehen der Sache auf den Grund, und wenn wir herausfinden, wer das war …“ Er lässt Jims Hand los und zeigt mit dem Finger auf mich. Mit jedem Wort schnellt sein Finger vor: „Wenn. Wir. Herausfinden. Wer …“
Gates hat uns gehört und ruft uns zu sich in sein Büro. Keegan geht sofort in die Offensive, kaum dass er über die Schwelle ist. „Chef, sehen Sie, was passiert, wenn man sich Hilfe von außen holt. Er ist ein Anfänger – ein Amateur! – und so einer hat in einem Mordfall nichts verloren.“
„Wissen Sie, ich habe diese Fotos nicht an die Presse lanciert“, knurre ich.
„Ach nein? Und wer sagt mir, dass das stimmt?“
„Ich. Denn ich hatte darum gebeten, diese Fotos zu bekommen, und Sie selbst haben sie mir verweigert.“ Ich wende mich an Rollins. „Sie waren dabei. Sie haben es gehört.“ Rollins sieht aus, als sei er eben erst aus dem Bett gekrochen, und er riecht nach Alkohol. Er sagt keinen Ton.
„Sie haben die Bilder abfotografiert“, wirft Keegan mir vor.
„Aber nicht die mit der Leiche. Sie haben genau beobachtet, welche ich fotografiert habe. Sie haben neben mir gesessen und genau verfolgt, was ich tat. Wir haben besprochen, welche ich abfotografieren kann.“
„Und Sie haben anscheinend nicht zugehört!“
„Setzen Sie sich!“, brüllt der Polizeichef und tritt gegen den Stuhl, den er Keegan rüberschiebt. Keegan und Rollins nehmen Platz, aber ich stehe noch immer mit Brents Dad in der Tür. Ich muss Jim sagen, dass er sich entscheiden muss, wem er mehr vertraut – mir oder ihnen. Aber ich muss vorsichtig sein.
Jetzt reden alle durcheinander, jeder will den anderen übertönen. Ich schweige und lehne mich gegen die Wand.
Schließlich lässt sich Gates in seinen Stuhl fallen. Sofort herrscht Schweigen. „Jim, ich hoffe, Sie glauben mir, wenn ich sage: Ich wusste nichts von dieser Sache und ich