AEIOU. Sigrid-Maria Größing

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AEIOU - Sigrid-Maria Größing

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Seefahrer hatten aus den fernen Ländern mitgebracht, was man nur erträumen konnte. Kostbare Teppiche aus dem Orient bedeckten die Marmorböden in den Palästen, Seidentapisserien zierten die Wände, wohlig konnte man sich in den weichen Kissen räkeln und köstliche Süßigkeiten genießen, wie sie dem gemeinen Volk noch lange verwehrt bleiben sollten. Auch in Frankreich sollte es dies alles geben, so war Eleonore berichtet worden, auch die französischen Adeligen wussten zu leben und sorgten durch Turniere und andere Lustbarkeiten für Abwechslung. Aber all das war der Prinzessin bekannt, das barg kein Geheimnis für sie: so wie sie ihr bisheriges Leben geführt hatte, so würde es auch sein, wenn sie dem Dauphin die Hand reichte.

      Wie oft mag Eleonore in ihrem späteren Leben an der Seite eines langweiligen, eigenbrötlerischen Mannes ohne Humor und ohne Charme, als sie im düsteren, kalten Palast in Wiener Neustadt die Tage verrinnen sah, an die Entscheidung gedacht haben, die sie so leichtfertig als fünfzehnjähriges halbes Kind getroffen hatte! Oft mag sie ihre Worte unter bitteren Tränen bereut und sich nach dem fröhlichen, abwechslungsreichen französischen Hof gesehnt haben, wenn sie in einsamen Nächten wach lag und die Stunden zählte. Und dabei hatte sie selbst entschieden! Das konnten nicht viele heiratsfähige Königstöchter zu ihrer Zeit. Meist schlossen die Eltern die Eheverträge, und den Töchtern blieb nichts übrig, als sich wohl oder übel zu fügen, mochte der zugedachte Mann noch so alt und hässlich sein. Eleonore hatte selbst gewählt, und der Mann ihrer Wahl war wohl selbst erstaunt darüber, dass seine Werbung sofort ihre Zustimmung gefunden hatte.

      Friedrich, zu Königsehren dadurch gekommen, dass sein Neffe, der junge Ladislaus Postumus, nach dem frühen Tod seines Vaters Albrecht V. noch nicht regierungsfähig war, war alles andere als ein attraktiver Mann, der ein junges Mädchen hätte betören können. Für seine Zeit ungewöhnlich groß, überragte er die meisten seiner Zeitgenossen um Haupteslänge und schritt wohl deshalb leicht vorgebeugt durchs Leben. Schon von weitem wirkte er missmutig, ja griesgrämig. Für Freundschaften hatte der misstrauische Mann wenig übrig, und für Liebschaften überhaupt nichts. Man wunderte sich schon am Hof über ihn, dass er sich so gar nicht für die charmanten Frauen erwärmen konnte, von denen so manche versuchte, sein Herz zu gewinnen. Aber keiner war es bisher gelungen, den eisernen Hagestolz aus der Reserve zu locken. Im Gegenteil, er verurteilte das lockere Leben der jungen Adeligen, die vor ihrer offiziellen Verheiratung reichlich Erfahrung in den Betten willfähriger Damen sammelten und auch nach dem heiligen Sakrament ihr Treueversprechen nicht allzu ernst nahmen. Friedrich missbilligte alle Annäherungen und wandte sich entsetzt ab, wenn eine Frau mehr von ihrem Körper zeigte, als die Schicklichkeit erlaubte. Schon als junger Mann galt Friedrich als ungewöhnlich prüde, und man munkelte, er wolle gar nicht wissen, was man mit einem jungen Mädchen alles machen konnte. Da war sein Bruder Albrecht aus anderem Holz geschnitzt, der war ein Kerl aus Fleisch und Blut, der die Frauen nahm, wo er konnte, der sich mit Essen vollstopfte und mit Wein voll laufen ließ, bis er umfiel, der das Geld mit vollen Händen unters Volk warf, um es sich dann mit brutalen Mitteln wieder zurückzuholen. Die Leute nahmen ihm sein ausschweifendes Leben nicht übel, im Gegenteil: Albrecht war immer greifbar, im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, er mischte sich unters Volk, er war ein Herr zum Anfassen. Er hätte herrschen sollen, nicht der verschlossene Spintisierer Friedrich. So dachten nicht nur die Anhänger Albrechts, so empfand auch er selbst und unternahm alles, um seinem Bruder das Leben schwer zu machen und selbst an die Macht zu kommen.

      Friedrich war kein Kämpfertyp. Ihn interessierte nicht, was die Leute über ihn flüsterten; er vergrub sich in seine alchimistischen Versuche, ließ sich die Sterne deuten und war überzeugt, selbst einmal Gold machen zu können. Auf diese Weise konnte er natürlich keine Frau finden, und allmählich regte sich der Verdacht, der König würde überhaupt nie heiraten. Dass dies aber im Interesse der Dynastie ausgeschlossen war, das wusste auch Friedrich und ließ sich nach langen Überlegungen doch dazu überreden, auf Brautschau zu gehen. Es war vor allem der Herzog von Tirol, Siegmund (der Münzreiche), der Friedrich von den positiven Seiten einer Ehe zu überzeugen versuchte. Der Tiroler hatte beste Beziehungen zum burgundischen Hof, und Herzog Philipp III. von Burgund wiederum war mit dem portugiesischen Königshaus verwandt. Was lag also näher, als Fäden in diese Richtung zu spannen, noch dazu, wo man wusste, dass in Portugal Geld in Hülle und Fülle vorhanden war. Geld, das konnte den König locken, kämpfte er doch, solange er denken konnte, gegen ein Heer von Schuldnern.

      Natürlich wussten sowohl der Herzog von Tirol als auch der Herzog von Burgund, dass sie den Habsburger in eine gewisse Abhängigkeit bringen konnten, sollte diese Heirat zustande kommen. Sie waren schließlich keine bloßen Wohltäter. Eines Tages würde Friedrich Kaiser werden; dann würde er sich erkenntlich zeigen müssen.

      Friedrich war mittlerweile 32 Jahre alt geworden, hager, mit fahlem, dünnem Haar, das schlaff herunterhing und wahrscheinlich auch in seiner Jugend nicht üppiger gewesen war. Man sah ihm den Asketen an, das schmale Gesicht zeigte einen leidenden Ausdruck, von Lebhaftigkeit und Weltaufgeschlossenheit war nichts zu bemerken. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war er schlank, verabscheute üppiges Essen, Völlerei war ihm in tiefster Seele zuwider, und an den Fress- und Saufgelagen, wie sie so üblich waren, nahm er nicht teil. Sicher war er selbst überrascht, dass sich die hübsche Prinzessin so rasch für ihn entschieden hatte – wahrscheinlich hatte er in seiner misstrauischen Art schon mit einem Korb gerechnet. Die Sache schien verdächtig; gab es vielleicht eine Fußschlinge, in der er gefangen werden sollte? Friedrich wollte keineswegs die Katze im Sack kaufen. Er hielt zwar ein Medaillon mit dem Bildnis Eleonores in Händen, aus dem ihm ein reizendes junges Mädchengesicht entgegenlachte, aber Leinwand war geduldig, wer garantierte ihm schon, dass die Prinzessin nicht verwachsen oder gar verkrüppelt war? Zwar hatte ihm ihr Onkel Pedro, den er in Wien persönlich kennen gelernt hatte, das Gegenteil versichert, aber konnte man ihm trauen, wenn es darum ging, eine Nichte an den zukünftigen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu verheiraten?

      Friedrich, der auf Nummer sicher gehen wollte, beauftragte zwei vertrauenswürdige Geistliche mit einer delikaten Mission: Sie sollten sich auf den weiten Weg durch das unsichere Europa machen, um die Braut in Augenschein zu nehmen und dann zu berichten, wie Eleonore wirklich beschaffen war. Der knauserige König gab den Boten allerdings so wenig Geld mit, dass die beiden ganz und gar nicht wie königliche Brautwerber auftreten konnten. Schmutzig und zerlumpt zogen sie ihres Weges, wurden zu allem Überfluss von Strauchdieben überfallen, die nicht wissen konnten, dass bei den beiden wirklich nichts zu holen war, und kamen endlich nach Portugal, wo man sie als verdächtiges Gesindel aufgriff und ins Gefängnis warf. Nur unter größten Mühen gelang es, dem portugiesischen König glaubhaft zu machen, dass diese abgerissenen Gestalten die Abgesandten des Habsburgers seien. Die beiden Geistlichen schworen alle Eide des Himmels, und schließlich erlaubte man dem einen, Jacob Mocz, den Ehevertrag »per procurationem«, als Stellvertreter Friedrichs, zu unterzeichnen.

      Über die Prinzessin konnten die beiden nur Gutes berichten. Eleonore war ganz bezaubernd, mit makelloser Haut und glänzendem braunem Haar, allerdings ungewöhnlich klein und grazil, beinahe zerbrechlich, was fast als Fehler gelten konnte. Die Herrscher bevorzugten robuste Frauen, die jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen konnten, ohne Schaden zu nehmen. Für den Fortbestand einer Dynastie war es wichtig, eine große Zahl von Erben zur Verfügung zu haben; der Tod raffte viele Nachkommen schon im Kleinkindesalter hinweg.

      Nach ihrer Rückkehr waren die beiden Boten voll des Lobes über die Schönheit und Anmut der jungen Prinzessin und versicherten Friedrich, dass er keine bessere Wahl treffen könne. Aber um ganz sicher zu sein, wollte er auch noch die Sterne befragen: Der Hofastrologe musste ein genaues Horoskop erstellen. Was darin stand, erfüllte ihn mit Genugtuung: Eleonore war die richtige Frau für ihn.

      Hektisches Leben erfüllte den Hof von Lissabon, als der Tag der Abreise festgesetzt war. Die Vorbereitungen für die große Reise wurden mit aller Sorgfalt getroffen, jedes Stück, das die Prinzessin in ihre neue Heimat mitnehmen sollte, wurde liebevoll ausgewählt, es sollte ihr an nichts mangeln. Ein Dutzend Schneider fertigte kostbare Kleider an, seidene Schuhe und Täschchen, alles passend, sollten die junge Frau schmücken. Auch Teppiche und weiche Kissen wurden auf die Schiffe verladen. Nach dem Auftreten

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