Elijah & seine Raben. Georg Sporschill
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Die Aufmerksamkeit des Managers bringt mich zu Jesus, der vom Mahl aufsteht, um seinen Schülern die Füße zu waschen. Als Erstes legt er die Oberkleider ab, die Gewänder des Lehrers und Meisters. Dann umgürtet er sich mit einem Leinentuch. Das Leinentuch ist das Gewand des Sklaven in der Antike, auch schon zur Zeit Abrahams. In einer jüdischen Auslegung der Genesis-Stelle, in der Abraham seine Magd Hagar, die Mutter seines Sohnes Ismael, mit einem Scheidebrief entlässt, heißt es: »Er nahm den Überwurf und gürtete ihn um ihre Lenden, damit man wisse, dass sie eine Sklavin sei.« Erkennbar am Leinentuch, soll sie die Chance haben, einen neuen Herrn zu finden. Dasselbe Kleidungsstück hat Kaiser Caligula seinen Senatoren, die höchste Ehrenstellen bekleideten und sonst die Toga trugen, aufgezwungen. Sie mussten »zu seinen Füßen wie Sklaven im Leinenschurz aufwarten«, berichtet der römische Schriftsteller Sueton. Abraham gibt Hagar mit dem Kleid der Sklavin eine neue Chance, Caligula hingegen verwendet dasselbe Gewand, um in seinem Größenwahn andere zu demütigen. Jesus umgürtet sich selbst mit dem Leinentuch des Dieners, um seine Schüler ihre Größe spüren zu lassen. Der Meister überrascht sie mit einem Rollenwechsel, indem er ihnen beim Letzten Abendmahl wie ein Sklave die Füße wäscht. Die Kleinen groß zu machen, das ist sein Vermächtnis.
Zwei verschiedene Gewänder – das Leinentuch des Dienens und das Gewand des Herrschens. Unterschiedliche Gewänder tragen auch der Meister und der Schüler, die Eltern und die Kinder, der Vorgesetzte und seine Untergebenen.
Das Gewand eines Managers ist schwer zu tragen, die Verantwortung lastet auf ihm. Ob dir das Gewand des Meisters steht und du es tragen kannst, erkennst du, wenn du in das Gewand des Dieners schlüpfst. Es lohnt sich, gelegentlich die Kleider zu wechseln.
Der große Diener
Welche Dienste übernehme ich,
welche Zeichen setze ich, um andere groß zu machen?
Um die Würde der anderen erstrahlen zu lassen?
Ruth Zenkert
Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann,
den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch
abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.
JOHANNES 13,5
In unserem rumänischen Dorf bekommen die Kinder in der Schule zu Mittag eine kleine Jause. Sie trinken ihre Milch und packen das Brot aus, die Verpackung lassen sie einfach auf den Boden fallen. Ein paar Minuten später ist der Platz vor der Schule voll mit knisterndem Papier. Der Wind trägt es durch die Straße, hin zum Bach. Dort sammelt sich der ganze Müll, auch Flaschen und Plastiksackerln, Bierdosen und alte Fetzen füllen die Straßengräben. Wir holen einen großen Kübel aus der Schule und sammeln vor dem Schuleingang den Müll ein. Zwei Kinder machen sofort mit. Auch Sonja, die Sportlehrerin, bückt sich nach einem Milchpäckchen. Danciu, der junge Roma-Bursche, steht im lila glänzenden Hemd und in polierten, spitz zulaufenden Schuhen daneben und schaut zu. Er arbeitet bei uns und erledigt die Transporte. Den Kindern im Dorf hat er erzählt, dass es sein Auto ist, mit dem wir kommen. Jetzt schwingt er die Autoschlüssel in der Hand und geht Schritt um Schritt zurück. Müll ist für ihn unweigerlich mit der Müllabfuhr verbunden, die in Rumänien nur von Zigeunern erledigt wird, auch von Leuten, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können. Damit will der stolze Roma nichts zu tun haben. Unsere Kinder freuen sich über ihren schönen Schulplatz und wollen die ganze Straße sauber machen. Da nimmt Danciu seinen schwarzen Hut ab und liest ebenfalls ein paar Papiere auf.
Unsere Aktion »sat curat« − »sauberes Dorf« – will Jesus nachahmen. Er gießt Wasser in die Schüssel, bückt sich hinunter zu den Füßen seiner Freunde, um sie zu waschen. Dann trocknet er sie ab mit dem Kleidungsstück des Sklaven, das er trägt. Jesus wäscht die Füße seiner Schüler, für die er der Meister ist: Das ist das intensivste Bild für das, was geschieht, wenn jemand den Schmutz anderer beseitigt. Normalerweise ist das Füßewaschen der Ehrendienst der Schüler gegenüber ihrem Meister. Jetzt dreht Jesus die Rollen um mit dem Ziel, die Lernenden strahlen zu lassen und sie groß zu machen. Nur wer ein starkes Selbstbewusstsein hat, kann dienen.
Unsere Kinder weigerten sich zu Beginn und sagten: »Das ist nicht mein Dreck. Nicht ich habe das Papier hingeworfen.« Dann aber halfen sie mit beim Saubermachen ihres Schulhofs. Der stolze Roma-Bursche wollte seinen eleganten Hut nicht ablegen, bis ihn die Kinder »umgedreht« haben. Durch sie hat er erstmals gefühlt, dass er sich mit der Aktion nicht mit dem Schmutz gleichsetzt, sondern im Gegenteil zur Sauberkeit beiträgt. Der neue Glanz fiel auf sein Haupt zurück, nachdem er Vorurteile, Unsicherheit und Scheu überwunden hatte. Danciu hatte durch den Rückhalt bei den Kindern, die sich gebückt hatten, so viel innere Sicherheit gewonnen, dass auch er Müll auflesen konnte. Er näherte sich der Haltung an, die Jesus seinen Schülern als höchstes Ziel mit auf den Weg gegeben hat.
Welche Dienste übernehme ich, welche Zeichen setze ich, um andere groß zu machen? Um die Würde der anderen erstrahlen zu lassen?
Auch die Langsamen bekommen
eine Chance
Manchmal bin ich schwer von Begriff.
Wo habe ich länger gebraucht, etwas zu verstehen?
Josef Steiner
Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht;
doch später wirst du es begreifen.
JOHANNES 13,7
In Nikolsburg in Mähren wurde ein neuer Rabbi eingesetzt. Es war dort Sitte, dass der neu Berufene beim Antritt seines Dienstes in die Gemeindechronik eine Verordnung eintrug, die ab jetzt zu befolgen sei. So forderte man auch ihn auf, das zu tun. Aber der Rabbi verschob es von Tag zu Tag. Er sah sich die Leute an und zögerte die Eintragung hinaus. Immer bedächtiger und genauer beobachtete er sie. Schließlich wurden die Leute von Nikolsburg ungeduldig und gaben ihm zu verstehen, er dürfe nun nicht länger säumen. Da ging er hin und trug die Zehn Gebote in die Chronik ein. Sein Blick auf die Gemeinde hatte ihm gezeigt, was wirklich nötig war. Er brauchte lange, um das zu verstehen.
»Habt ihr das alles verstanden?«, fragt Jesus seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nachdem er ihnen in Bildern und Vergleichen aus der Natur vom Reich Gottes erzählt hat, das wie ein Same, klein und unscheinbar ausgesät, groß wird und wächst. Er hat größtes Interesse, sie mitzunehmen in sein neues Werk, in sein Denken, in seine Vorstellungen. Als einfühlsamer und geduldiger Pädagoge weiß er aber auch, wie schwer von Begriff manchmal seine Elite ist. Bei einem Tagesausflug auf dem See haben sie die Brotzeit vergessen und machen sich darüber Gedanken. Jesus hält ihnen entgegen, ob sie denn immer noch nicht begriffen haben, dass sie in seiner Gegenwart nie des täglichen Brotes entbehren müssen; sie sollen das Wunder der Brotvermehrung nie vergessen. Auf dem Weg in das politische und religiöse Zentrum der Macht in Jerusalem erzählt er ihnen von den damit verbundenen Strapazen und Konflikten. Er akzeptiert ihre Überforderung und ihr Unverständnis, er versteht, dass eine solche Vorstellung der Zukunft schwer in ihre Köpfe geht. Bei einem Konfliktgespräch mit