Die unvollendete Geliebte. Elisabeth-Joe Harriet

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Die unvollendete Geliebte - Elisabeth-Joe Harriet

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darf ich ihn nicht lieben? So unglücklich. Warum darf ich ihn nicht glücklich machen?« – »Ich habe dann meine heißgeweinten Augen an den Blumen gekühlt, die sind nun alles, was ich von ihm bewahren darf.« Diese Textstellen machen Arthur bewusst, dass er in Meran in Olgas Wunsch einer guten Kameradschaft eingewilligt hat, weil sie nicht mehr verbinden kann und darf. Kann sie das ernst gemeint haben, wenn sie ihm solche Blicke schenkt und ihm gesteht, dass sie nur ihn liebe? Schnitzler ist verwirrt, denkt aber nicht daran, aufzugeben.

      Am darauffolgenden Nachmittag genießen Arthur und Olga beim Promenadenkonzert zumindest die Nähe des Zusammensitzens und am Abend tanzen sie beim Hausball, der zum Höhepunkt der Sommersaison im großen Speisesaal stattfindet, sogar eine Quadrille. Arthur, der sich mehr von diesem Abend erhofft hat, trinkt zu viel und begegnet Olga am nächsten Morgen verkatert und übellaunig. So hat sie ihn noch nie erlebt und zieht sich erschrocken zurück. Bei einem kurzen Gespräch am Nachmittag stellt sie ihn zur Rede und gesteht ihm, dass es die unglücklichste Stunde ihres Lebens gewesen sei, ihn so verstimmt zu sehen. Seinem Tagebuch vertraut Schnitzler ein paar Tage später dazu an: »Nach dem Souper saßen wir lang beisammen. In jedes ihrer Worte wußte sie etwas von ihren Gefühlen für mich hineinzulegen – sie war unermeßlich lieb – Am Morgen darauf mußt ich weg – Ists denn möglich, daß Sie fortgehn, fragte sie – ich kanns nicht glauben – es ist schrecklich –!«

      In seinen Erinnerungen gesteht sich Schnitzler ein, dass die Seele ein recht weites Land sei, als er vermerkt, dass er gleich am ersten Abend, nachdem er den Thalhof verlassen hatte, wieder zur Familie Adler nach Baden fuhr, wo er mit den Töchtern Gisela und der noch hübscheren Emma erneut Zärtlichkeiten im Park austauschte. Immerhin war er seinem Tagebuch gegenüber ehrlich, auch wenn er sich selbst und sein stark ausgeprägtes Triebleben, das nach Befriedigung sucht, nicht versteht.

      Am Folgeabend besuchte Schnitzler seine Eltern, die sich bei Familie Mandl in Vöslau aufhielten, bevor er am Mittwoch, dem 11. August, abends wieder am Thalhof eintraf. Lange plaudert er mit Olga und Dora Kohnberger auf der Terrasse und jedes Mal, wenn der misstrauische Charles Waissnix herumspioniert, flirtet Schnitzler ostentativ mit Dora.

      Der nächste Tag ist regnerisch und schlägt Olga aufs Gemüt, weil er sie an den Abschiedsmorgen in Meran erinnert. Als bei Tisch jemand von einem Mädchen erzählt, dem Schnitzler im Winter des Vorjahres den Hof gemacht und mit dem man von einem Verlöbnis gemunkelt hat, wird sie sehr blass und beißt sich aus Eifersucht – wie sie Arthur später gesteht – so fest auf die Lippen, dass Blutströpfchen hervorquellen. Zu der eingeschworenen Gesellschaft, die die unsündige Liebe der beiden beschützt, hat sich inzwischen eine junge, hübsche Engländerin, Eveline, gesellt, die es durch Heirat mit dem Sohn der einflussreichen jüdischen Familie Brandeis-Weikersheim nach Wien verschlagen hat.

      Am Nachmittag spielt ein weiblicher Gast im Klavierzimmer. Olga und Arthur stehen hinter der Pianistin, er hält ihre Hand und bedeckt sie mit heißen Küssen. Nach dem Souper gibt es den üblichen Spaziergang, an dem diesmal auch Charles Waissnix teilnimmt. Olga und Arthur sprechen gerade leise darüber, eine regelmäßige Korrespondenz zu beginnen, als der Ehemann plötzlich verschwunden ist. Dass er nicht kurz darauf wieder erscheint, erregt Olga sehr und sie begibt sich auf ihr Zimmer. Gleich darauf stürzt Charles an Arthur vorbei und hinter seiner Frau her. Beunruhigt begeben sich Dora und Arthur ebenfalls zur Nachtruhe.

      Am nächsten Morgen erzählt Olga Dora, die es wiederum Arthur berichtet, was vorgefallen ist. Charles wollte gehört haben, wie Schnitzler mit Dora Kohnberger über eine Scheidung zwischen ihm und Olga geflüstert habe. Er machte Olga eine fürchterliche Szene und flehte sie an, ihn nicht zu verlassen. Wie ein Toter sei er vor ihr zusammengesunken, wobei er nach der Meinung Olgas und Doras diese Ohnmacht nur vortäuschte. Auch Schnitzler ist der Überzeugung, dass Charles nur Komödie gespielt hat. Er hätte sich auch von einer wirklichen Ohnmacht nicht rühren lassen: »Denn Liebende sind im allgemeinen nur gut, soweit es den Gegenstand ihrer Liebe betrifft; in Hinsicht auf alles andere und gar auf Menschen, von denen sich ihre Liebe irgendeiner Störung versehen muß, hart bis zur Grausamkeit. Und unbekümmert um den Komödianten, wie ich es für meinen Teil auch um den Toten gewesen wäre, spazierten wir abends im Mondenschein wieder auf und ab, Olga und ich …«

      Bevor Olga sich nach diesem romantischen Spaziergang zurückzieht, gesteht sie Arthur, wann sie sich in ihn verliebt habe, was er in seinem Tagebuch festhält: »Sie sagte, sie habe die Liebe zu mir in dem Moment das erstemal empfunden, wo ich ihr in Meran nach der Partie in jenes Thal gesagt: Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, sie ist geweiht für alle Zeit – das war der elektrische Schlag, der coup de foudre – Nie hab ich einen Menschen so lieb gehabt wie Sie! … Was sie für jenen andern empfand … sei nichts gewesen!«

      Auch wenn Dora erneut beruhigend auf Charles eingewirkt hat, spricht dieses Verhalten Olgas völlig gegen ihre so oft zum Ausdruck gebrachte Angst. Nahm sie Charles plötzlich nicht mehr ernst? Fühlte sie sich durch seine Schwäche mit einem Mal stark und bot ihm die Stirn? Oder nutzte sie nur die Gunst der Stunde, um so viel als irgendmöglich von ihrer unerlaubten Liebe genießen zu können?

      Das Grunddilemma der Eheleute war ihre unterschiedliche soziale Herkunft. Olga war ein Kind der Stadt, kam aus der Wiener Gesellschaft, in der es zum guten Ton gehörte, zu flirten und auch als verheiratete Frau von Männern umschwärmt zu werden. Was für sie nicht weiter bedeutungsvolle Alltäglichkeiten waren, wurde im ländlichen Raum nicht toleriert, als verwerflich und für den Mann erniedrigend angesehen. Es waren zwei Welten, die aufeinanderprallten. Charles beherbergte zwar die Wiener Gesellschaft in seinem Hotel, wollte mit ihren amoralischen Sitten aber nichts zu tun haben. Seine Frau hatte sich den Gebräuchen der ländlichen Gesellschaft, in die sie eingeheiratet hatte, entsprechend anzupassen.

      Da Arthur in Kürze wieder abreist, weil er mit seiner Familie die alljährliche Sommerfrische in Ischl verbringen wird, lädt Dora Kohnberger die Liebenden am nächsten Tag zu sich ins Appartement ein, wo sie sie bald allein lässt. Sie fallen einander zu einem minutenlangen, leidenschaftlichen Kuss in die Arme. Olga sagt: »Wenn ich glaube, dass ich mich werde beherrschen können, komme ich morgen herunter.« Sie kommt und schenkt Arthur eine Rose. Charles steht daneben und dann begleiten ihn die Eheleute gemeinsam ein Stück des Weges zur Bahn. Schnitzler schreibt resümierend: »Sie war nicht am Morphium gestorben, er war nicht toll geworden vor Eifersucht, und auch ich befand mich am Ende für einen glücklich-unglücklichen Liebhaber nicht so übel, als man hätte denken sollen.« Wie eine Komödie erscheint diese Szene, die Charles’ Ablehnung der höflichen Oberflächlichkeit der High Society nachvollziehbar macht.

      Schnitzler verbrachte die nächsten zehn Tage in Ischl, wo seine Eltern regelmäßig zur Sommerfrische waren. Bald erhält er von Olga, die seine Anwesenheit vermisst, eine Einladung, womit die Korrespondenz zwischen den beiden einsetzt.

      18. August 86

      Lieber Herr Doctor!

      Der Reichenauer Verschönerungs-Verein im Allgemeinen & meine Wenigkeit im Besonderen senden Ihnen hiermit Ihre Einladung zu dem nächsten Sonntag bei den Eichen stattfindenden Wolthätigkeitsfest. Wir kennen ja Ihren milden Sinn und hoffen, daß auch Ihre Angehörigen Ihnen, lieber Herr Doctor, auf einen ganz kleinen Abstecher nach Reichenau Urlaub geben werden. Ich verkaufe bei den Cigarren und würde mich sehr freuen Ihnen eine anbieten zu dürfen.

      Abends ist Kränzchen, alle anderen Aufklärungen mündlich. –

      Ich hoffe Ischl hält Sie nicht so riesig fest & freut sich sehr Sie, lieber Herr Doctor, baldigst hier zu sehen

      Olga Waißnix

      Bitte kommen Sie aber erst Sonntag, denn Samstag dürfte es unmöglich sein Ihnen ein Zimmer zu verschaffen.

      Dieses alljährliche Wohltätigkeitsfest rund um den Kaisergeburtstag fand 1886 auf der Eichenwiese oberhalb des Thalhofs statt. Die Einnahmen

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