Halt. Michael Donkor

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Halt - Michael Donkor

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hatten, ihr Bestes versucht, um lockerer zu werden. Sie ließ die Arme baumeln und neigte den Kopf, worauf Aunty und Nana sich schallend anlachten. Ihre klobigen Armreifen klapperten und ihre Korbsessel knarrten. Sie nippten an ihrem Gulder und dann schwiegen sie. Belinda blickte hin und wieder zu den Oleanderbäumen im Garten, die ein leichter Wind bewegte, aber dann konzentrierte sie sich aus Sorge, unhöflich zu erscheinen, so gut es ging auf die beiden Frauen. Aunty lobte Belinda, weil sie so hart und unermüdlich arbeitete, und auf einmal fühlte sich der Tabbard weniger beengend an.

      Nana nickte, wobei ihr indigoblaues Kopftuch fast verrutschte. »Stimmt, du machst dich hier sehr gut. Während unserer Ferien konnte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie großartig du bist. Schon bevor ich hierher kam, hat deine Aunty dich in jeder einzelnen Mail gepriesen, die sie mir von ihrem iBook-PC aus schrieb, du hättest sie mal hören sollen, sie meinte, sie brauche selbst keinen Finger zu rühren, nie, und dass du immer so achtsam vorgehst und sie dank dir einen so herrlich schönen Ruhestand genießen. Ich freue mich sehr für meine teuerste Freundin.«

      »Me da ase«, sagte Belinda leise.

      Aunty lud sie ein, sich zu setzen, also setzte Belinda sich.

      Nana fuhrt fort: »Vor allem, wie du mit Mary umgehst. So klug und umsichtig. Das finde ich hervorragend. Du leitest sie an und du kümmerst dich um sie. Was für ein Segen, das zu erleben.«

      »Wie schön, das zu hören. Ich danke Gott für all die Wohltaten, die uns in diesem Haus zuteilwerden. Aunty und Uncle haben mir große Güte erwiesen. Und auch Mary. Ein Wunder, dass meine Mutter auf dem Postamt in Adum dieses Kärtchen mit dem Jobangebot entdeckt hat. Ein Wunder paaa. Ich glaube, der Allmächtige hat dazu beigetragen, dass sie mich ausgesucht haben.« Als Belinda zu Ende gesprochen hatte, war sie außer Atem. Selbst ein flüchtiger Verweis auf Mutter konnte ihre Kehle rau und trocken machen.

      Eine Weile waren alle still. Aunty spielte mit dem Kronkorken ihres Gulders, Belinda sog die Unterlippe ein. Schließlich schleuderte Nana eine Serviette auf den Tisch, als hätte diese sie irgendwie beleidigt. »Belinda. Ich spreche dich jetzt als erwachsene Frau an. Einverstanden? Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, wa te? Ich muss zu dir offen sein, weil das nun mal unsere Art ist und immer sein wird, wa te

      »Aane

      »Ich habe eine Tochter in London. Amma. Sie ist siebzehn, fast in deinem Alter. Vielleicht hat deine Aunty von ihr erzählt. Sie ist mein Ein und Alles.« Nana nahm ihre Ohrringe ab und schüttelte sie wie Würfel. »Sie ist wunderschön und das belesenste Mädchen im ganzen Vereinigten Königreich. Ewurade! Sie heimst eine Auszeichnung nach der anderen ein und spricht über so viele schlaue Dinge, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe. Einmal stand sie sogar in der South London Gazette, weil sie so gescheit ist!« Nana schüttelte fassungslos den Kopf. »Und wenn sie sich mal eine Pause von ihren Hausaufgaben gönnt oder von ihrer Malerei, kaufen wir zusammen bei H&M ein und führen richtig gute Gespräche. Ihr Vater ist so stolz auf sie, dass er sich gar nicht grämt, keinen Sohn zu haben, und sich auch nie darüber beschwert, was ihre Privatschule ihn für horrende Summen kostet.«

      Belinda nahm die Serviette und faltete sie zu einem Viereck. »Wie schön«, sagte sie. »Wie schön für Sie.«

      »War es mal.« Nana seufzte und stellte ihr Bier ab. »Vergangenheit. Wir müssen die Vergangenheitsform verwenden, weil es damit jetzt aus und vorbei ist, verstehst du? So schnell, wie sich eine Rauchwolke auflöst, auf einmal ist sie wie besessen. Redet nicht mehr. Ist mürrisch. Nur noch einsilbig, zweisilbig, wenn’s nicht anders geht. Als laste die ganze Welt auf ihren Schultern. Ich bemüh mich ja, versuche sie zu verstehen, stell ihr Fragen, um herauszufinden, was mit ihr los ist, aber ich bekomme keine Antwort. Nur freche Ungezogenheit.«

      »Das tut mir sehr leid, Madam.«

      Nana zischte: »Und sämtliche Schwachköpfe dieser Welt wollen mir weismachen, es wären ihre Hormone, Hormone, Hormone, dahinter steckt aber mehr. Ich spüre das. Als Mutter weiß ich das. Und was ihr wehtut, tut auch mir weh.« Aunty tätschelte Nana ermutigend die Schulter, wie Belinda es oft mit Mary tat.

      Und so setzte Nana zu ihren Erklärungen an, trank noch ein bisschen und fuchtelte mit den Armen, sobald sich ihr ein Moskito näherte. Im Lauf ihrer Ansprache sagte sie ständig »wenn«, und das sehr bedächtig, als hätte Belinda eine Wahl. Nana redete endlos davon, dass ihre Tochter den Beistand einer guten, besonnenen Freundin wie Belinda bräuchte. Sie lächelte – ihr Gebiss war so makel- wie lückenlos – und zählte die Möglichkeiten auf, die Belinda offenstünden, wenn sie nach London käme und bei ihnen wohnte, sie sagte, Belinda könne sich in einer wunderbaren Londoner Schule weiterbilden und ihre Zukunft sichern; sie sagte, sie und Dr. Otuo würden Mutter jeden Monat mit einem kleinen Geldbetrag unterstützen, wie Aunty und Uncle es bisher taten, weil sie wussten, dass Mutter mit ihren Schichten in der chop bar nicht genug verdiente. Die Erwähnung von Mutters Restaurantjob, Nanas schweres Parfüm, die Vorstellung, wieder umziehen zu müssen – all das löste bei Belinda ein Gefühl von Schwerelosigkeit und Übelkeit aus, als wäre ihre Brust voll seltsamer, schwebender Blasen.

      Zwischendurch wandte Nana sich Aunty zu. Die beiden Frauen hielten sich an den Händen, ihre Ringe stießen klirrend aufeinander, wieder klapperten ihre Armreifen. Aunty atmete tief durch. »Es schmerzt mich unendlich und es bricht mir das Herz, dich ziehen zu lassen, Belinda. So früh schon. Als wären es nur wenige Tage gewesen, dabei –«

      »Sechs Monate und ein paar Wochen.«

      »Wie bitte?«

      »Mary und ich sind seit sechs Monaten und ungefähr zwei Wochen hier.«

      »Genau«, sagte Aunty und berührte die papierne Haut an ihrem Hals. »Und das bricht mir das Herz. Meine gute Freundin meint aber, sie braucht dich und Amma braucht dich. Und so lasse ich dich gehen, weil ich ihr treu verbunden bin und weil ich ihr helfen möchte.«

      Belinda fuhr mit dem Finger über das silberne Muster am Serviettenrand. Die Zikaden sangen ihre lange, eintönige Melodie. Sie hatte so viele Fragen, aber nur eine kam ihr über die Lippen: »Sie reden nur von mir. Was ist mit Mary? Bleibt sie hier?«

      »Ja«, sagte Nana, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Sie bleibt hier.«

      »Oh. Oh.« Belinda konzentrierte sich wieder auf die Serviette, das unruhige Muster wurde ihr jedoch bald zu viel.

      Nana und Aunty taten so, als würde alles ganz einfach werden. Belinda befürchtete das Gegenteil. Trotzdem nickte sie und ging dann auf die Knie, um ihnen zu danken, schließlich wusste sie, welche Rolle sie innehatte, welcher Platz ihr zukam, sie begriff, was das Richtige war. Sie verneigte sich zu ihren Füßen und pries mit leisen Sätzen ihre Großmut, denn für Belinda war die Gelegenheit, noch mehr Abstand zu dem zu gewinnen, was sie im Dorf zurückgelassen hatte, sogar ein größerer Segen, als Nana oder Aunty ahnen konnten.

      Man entschied, dass Belinda mit Mary einen Ausflug unternehmen würde, um ihr die Neuigkeit zu vermitteln. Ihr die bittere Pille ein wenig zu versüßen. Man erklärte, dass ein Besuch im Zoo sich dafür am besten eigne. Man befand diesen Plan für ausgezeichnet. Also erwiderte Belinda mit einer Stimme, die aus der Ferne zu kommen schien und anders klang als gewohnt, dass es Mary im Zoo gefallen würde, vor allem die Affen, wegen ihrer beweglichen und geschickten Schwänze, die Mary so liebte.

      Nun aber, da Belinda und Mary unweit des Schlangengeheges neben einem Trinkbrunnen standen und warteten, während die Hostess einen Schluck trank, schien Mary sich weitaus mehr für Strauße zu interessieren als für Affen.

      »Wo verstecken die sich denn?«, fragte sie und zeigte auf eine körnige Abbildung

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