Über Mut. Martin Kolozs
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Leichter gesagt, als getan, möchte man daraufhin entgegnen und hat nicht einmal ganz unrecht damit, denn: Um wieviel schneller schmieden wir Rachepläne, als dass wir Frieden schließen mit unseren Feinden und leider auch mit uns selbst? Die Menschen sind so, lautet dafür eine beliebte Erklärung, die sich aber fast wie eine Entschuldigung anhört, wenn wir abermals und lautstark Wie du mir, so ich dir! rufen und jemandem mit barer Münze heimzahlen, was wir an Schlechtem von ihm erfahren haben. Das ist jedoch keine (Wieder-)Gutmachung, wie wir meinen, sondern nur verdoppeltes und vervielfachtes Leid, das wir auf diese Weise anrichten.
Wenn die Verletzungen auf unserer Seele tatsächlich heilen sollen, so wird uns das nur mit Großmut gelingen, dem großherzigen Mut zur Vergebung.
Postskriptum: Anfang August 2018 kam die Nachricht aus dem Vatikan, dass Papst Franziskus eine Neuformulierung des Absatzes 2267 im Katechismus der Katholischen Kirche angeordnet hat: „… im Licht des Evangeliums lehrt die Kirche, dass die Todesstrafe unzulässig ist …“.7 Vielfach wurde ich darauf angesprochen, wobei einerseits Verwunderung darüber herrschte, dass ein klares Nein zur Todesstrafe bis dato nicht bestanden hatte, und andererseits Aufregung deswegen, weil Schwerstverbrecher nicht ihre gerechte Strafe bekommen würden: den Tod.
Nun stelle ich mir die Frage, wie man als Christ (vielleicht als Mensch überhaupt) die Meinung vertreten kann, dass der angeordnete Tod eines Verbrechers den Ausgleich für dessen Tat, wie zum Beispiel einen Mord, bieten kann?
Die am häufigsten gegebene Antwort darauf lautet: Wiedergutmachung bzw. ausgleichende Gerechtigkeit. Entgegnet man wiederum mit Vergebung, hört man oft: sich nicht versöhnen und/ oder nicht vergessen können.
Dabei müssen die drei Begriffe streng getrennt voneinander betrachtet werden: Vergeben schließt weder Versöhnung noch Vergessen ein. Zwar ist es eine notwendige Vorbedingung für beides, allerdings folgen weder Versöhnung noch Vergessen direkt aus dem Vergeben einer Tat. D. h. „ich kann jemandem vergeben, ohne dass ich mich mit ihm versöhne. Doch umgekehrt kann ich mich nur ehrlichen Herzens mit ihm versöhnen, wenn ich bereit bin, ihm zu vergeben.“8
Auch Jesus hat mit seiner Ermahnung Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein! zwar Vergebung für eine gefallene Person (Ehebrecherin; Joh 8,2–11) eingefordert, aber mit seiner nachfolgenden Weisung Geh hin und sündige nicht mehr! eine Art Erinnerungskultur und nicht das Vergessen der Schuld verlangt, sowohl von der Sünderin selbst als auch von ihren Anklägern, Richtern und Beinahe-Henkern, die einsichtig ihrer eigenen Sündhaftigkeit keinen Stein geworfen haben.
Vergeben passiert also auf Selbsteinsicht, Selbstkritik, Selbsterkenntnis usw., ohne zwingend sich versöhnen oder vergessen zu müssen. Gegen die Todesstrafe zu sein, ist also auch der tieferen Einsicht geschuldet, dass wir selbst Sünder sind, die ihrerseits auf Vergebung hoffen müssen.
4Edgar A. Poe, Gesammelte Schriften, Bd. 4, Grausige und humoristische Erzählungen, S. 88–99
5Melanie Wolfers, Die Kraft des Vergebens, S. 29
6Ebd., S. 136f
7Vatican News, 2. August 2018
8Melanie Wolfers, Die Kraft des Vergebens, S. 45
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