Lacroix und die stille Nacht von Montmartre. Alex Lépic

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Lacroix und die stille Nacht von Montmartre - Alex Lépic Red Eye

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reicht, was Sie mir bisher erklärt haben, Monsieur Foll. Danke. Und pinseln Sie schön.« Lacroix stapfte davon.

      Rose flüsterte etwas zu Castraux, der verschwand, dann folgte sie ihm.

      Der Commissaire war sauer. »Eingebildeter Kretin …«, knurrte er, griff in seine Manteltasche und nahm die Pfeife heraus.

      »Bitte, Lacroix«, sagte Rose flehend, »du hast mir einen Wein versprochen. Meine Füße sind Eis, los, gehen wir gleich rein.«

      Er steckte die Pfeife wieder ein und ließ sich von ihr in das erstbeste Bistro ziehen. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Teil, und der Commissaire bestellte zwei Gläser Tursan aus dem Südwesten. Er war überrascht, dass sie in dieser Touristenspelunke so einen Wein führten.

      »Was war das denn?«

      »Sympathischer Mann, oder?«

      »Ich habe schon öfter gehört, dass er renitent ist. Aber so?«

      »Immerhin hat er uns nicht angegriffen!«

      »Hätte er weitergemacht, hätte ich …«

      »Er saß lange im Knast.«

      »Wirklich?« Lacroix sah sie interessiert an, doch Rose antwortete nicht, weil der Kellner in Weste und Fliege gerade die Gläser vor ihnen abstellte. Sie trank einen Schluck, dann fuhr sie fort.

      »Ja, er war in der Kommunistischen Partei, zu der Zeit, als Giscard hart gegen das linke Lager vorging. Er hat gegen das Kapital gehetzt und war Anführer zahlreicher Straßenschlachten, bis er zwei Jahre hinter Gitter musste. Und dann hat er sich Ende der Siebziger auch noch mit den Kommunisten überworfen, wie alle Künstler und Intellektuelle – und hatte dann gar keine Freunde mehr. Seitdem ist er … nun ja, eine verletzte Seele.«

      »Aber eine ziemlich aufmüpfige verletzte Seele.«

      »Er hasst alle Institutionen, und um ehrlich zu sein, ich kann es ihm nicht verdenken. Diese Firmenbosse und ihre ach so guten Verbindungen in höchste politische Kreise – mir geht das auch auf den Wecker. Aber heute gibt es, anders als damals, keinerlei linken Aufstand, obwohl es viel dringender wäre. Doch die jungen Leute interessieren sich nur für die Marke ihrer Turnschuhe und ihres Handys. Ich kann es nicht mehr hören.«

      »Ach, Rose«, sagte Lacroix sanft, »du bist doch eine echte Revolutionärin.«

      »Die Jeanne d’Arc vom Montmartre nennen sie mich. Aber gut, solange sie mich nicht anzünden …«

      »Ist er denn noch aktiv, unser Monsieur Foll?«

      »Wenn du so fragst, denkst du wohl, dass er etwas mit dem Diebstahl zu tun hat?«

      Lacroix grinste und nahm einen Schluck von dem tiefroten Wein. Der Tursan passte perfekt zum Winter. Er war tief und sanft, dabei aber voller Frucht.

      »Er war zumindest nicht gut auf die Dekoration zu sprechen.«

      »Sagen wir mal so: Foll ist einer von den Salonlinken, der gauche caviar. Er gefällt sich in seiner Rolle des Künstlers mit kommunistischem Antlitz, weil er damit bei einer Sorte Mensch besonders gut ankommt.«

      »Du meinst …«

      Sie nickte. »Er wohnt in einem dieser ehemaligen besetzten Häuser in Château Rouge, ein Stück den Berg runter. Es gehört der Stadt, die dort für einen Spottpreis Künstler wohnen lässt. Er hat eine sehr junge Freundin, so heißt es, und es gehen die lustigsten Revolutionäre von Paris ein und aus, trinken, kiffen, nehmen Drogen und schimpfen auf den reichen Staat und auf die Kommerzialisierung der Gesellschaft. Sie haben eine Flugblattaktion gemacht, als ein bekanntes amerikanisches Schnellrestaurant auf den Berg kommen sollte. Eine Flugblattaktion wie zu Zeiten der Résistance – kannst du dir das vorstellen? Foll ist immer vorn mit dabei, wenn es um irgendeine neue Idee des Bürgermeisters geht. Er hasst alle Veränderungen. Aber für ein paar Flugblätter oder ein Tütchen Haschisch mach ich heutzutage keine Razzia mehr. Du etwa?«

      »Wir haben kein Cannabis im Fünften.«

      »Bei euch gibt’s nur Champagner?«

      Sie mussten beide lachen.

      »Los, Lacroix, nun sag schon, warum bist du hier? Du kommst doch nicht am kältesten Tag des Jahres nur wegen ein paar gestohlenen Lichterketten den Berg herauf.«

      »Ehrlich gesagt: doch.«

      »Aber warum?«

      »Ich weiß es nicht, Rose. Es ist nur so ein Gefühl.«

      Sie hob die Augenbrauen und sah ihn an, sagte aber nichts. Er hätte auch keine gute Erklärung liefern können: Ich habe die Nachricht gelesen, und mir haben sich die Haare auf den Unterarmen aufgestellt. Das hätte er sagen können, aber er tat es nicht.

      »Ich habe mich gefragt, wer so etwas tut. Es ist doch vollkommen verrückt. Ist es ein einfacher Diebstahl? Oder ist es ideologisch aufgeladen? Ein Weihnachtshasser?«

      »Und bist du jetzt schlauer?«

      »Leider nicht. Was wirst du jetzt tun? Es ist dein Bezirk.«

      »Ich werde Serge Foll jedenfalls keinen Besuch abstatten. Nicht wegen ein paar Lichterketten. Selbst wenn er es war, wäre es sinnlos, da hineinzugehen. Es gäbe sicherlich keine Beweise. Ich glaube kaum, dass er seinen eigenen Weihnachtsbaum damit schmücken wollte.«

      »Unwahrscheinlich.«

      »Wenn du sagst, dass die Sache dich stutzig gemacht hat, Lacroix, dann werde ich sie ernster nehmen, als ich es bisher getan habe. Ich werde die Anwohner befragen lassen. Der Abbau muss doch Lärm gemacht haben.«

      »Das wäre gut. Rufst du mich an?«

      »Das mache ich. Grüß deine Frau von mir. Und danke. Für den Wein, meine ich.«

      Sie standen auf, Lacroix ließ zehn Euro auf dem Tisch liegen. Als sie hinaustraten, war es gänzlich dunkel – und doch flimmerte die Luft. Ein weißer Glitzer vor den gelben Straßenlaternen. Es schneite.

      Für einen Moment schwiegen sie beide, während sie einträchtig nebeneinanderstanden und zusahen, wie die Schneeflocken die Place du Tertre in eine Winterlandschaft verwandelten.

      Nach einer Minute sagte Rose: »Ich bin ja keine Romantikerin, aber das …«

      »… ist wirklich ein Anblick, den wir nicht vergessen werden.«

       »Bon soirée, mon Commissaire.«

      4

      Er hatte wieder den funiculaire genommen, doch der Schneefall war mittlerweile so dicht, dass er auf der Fahrt runter zur Rue Tardieu nichts sehen konnte. Unten angekommen, zog Lacroix den Hut tief ins Gesicht und nahm den Boulevard de Rochechouart, bevor er nach links in die Rue des Martyrs abbog. Es hätte keinen Sinn ergeben, in einen Bus zu steigen. Der Verkehr war nicht nur auf den großen Boulevards, sondern auch auf den Nebenstraßen schlicht zum Erliegen gekommen.

      Die Pariser besaßen keine Winterreifen. Er sah während seines zwanzigminütigen Fußweges drei Auffahrunfälle und

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