HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!. Andreas Zwengel
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»Viktor Ludlow war, wie Sie alle wissen, einer der vermögendsten und einflussreichsten Männer der Stadt …«, begann Lessing seine Einleitung.
»Weswegen Sie jetzt auch genug Druck von oben bekommen«, warf ein Reporter fröhlich ein und mehrere seiner Kollegen lachten. Einige Teilnehmer dieser Veranstaltung hatten durchaus ihren Spaß.
»In der Nacht zum Fünfzehnten dieses Monats wurde Herr Ludlow von seiner Frau Monique tot aufgefunden, als diese kurz nach dreiundzwanzig Uhr von einem Theaterbesuch nach Hause zurückkehrte. Sie verständigte zuerst ihren Stiefsohn Rudolf und gemeinsam mit ihm die Polizei. Allem Anschein nach hatte Herr Ludlow auf seinem Treppenlift den Halt verloren und stürzte die neununddreißig Stufen bis zum Fuß der Treppe. Der verständigte Arzt stellte seinen Tod durch Genickbruch fest. Es war keine Fremdeinwirkung erkennbar, zumal der Tote sich zum Unglückszeitpunkt allein im Haus befunden haben soll.« Lessing machte eine Pause und holte tief Luft. »Aber dann hat Herr Hauser hier einige interessante Entdeckungen gemacht, die zu einer erneuten Untersuchung des Falles führten.«
Lessing wandte sich an Hauser und machte eine einladende Geste zum Mikrofon, doch Hauser winkte ab. »Er fand heraus«, fuhr der Hauptkommissar routiniert fort, »dass Herr Ludlow aus seiner Sitzposition niemals so unglücklich hätte fallen können. Dies führte dazu, dass der Leichnam vor der Einäscherung einer genaueren Untersuchung unterzogen wurde. Wir fanden heraus, dass die Knochenbrüche vom Treppensturz post mortem entstanden waren. Außerdem gab es Spuren von Blutergüssen an Herrn Ludlows Rücken, die sich durch Liegen nach Eintritt des Todes bilden. Allerdings fanden wir den Toten auf dem Bauch liegend vor.«
Die Reporter hingen an Lessings Lippen und schrieben eifrig mit.
»Darüber hinaus fand Herr Hauser Blut an einem Ort, an dem sich normalerweise keines befinden konnte. Die Tat muss sich deshalb folgendermaßen abgespielt haben: Der Täter ließ zuerst den Lift nach unten fahren und warf erst dann den bereits toten Ludlow die Treppe hinunter. Für den Täter vielleicht unbedeutend, aber nicht für die Lösung des Falles. Beim Sturz erhielt die Leiche durch den harten Aufprall auf die Stufen mehrere Platzwunden und hinterließ feine Blutspritzer. Unter anderem auf dem Treppenlift. Dies bedeutet, dass der Lift vor dem Toten unten war. Wäre Herr Ludlow tatsächlich während der Fahrt herausgefallen, hätte dies nicht geschehen können.«
Lessing beendete seine Ausführungen. Hauser hatte mit offenem Mund zugehört, was er alles herausgefunden haben sollte. Das war tatsächlich ziemlich clever von ihm gewesen. Einer zweiten Aufforderung, zum Mikrofon zu gehen, konnte er sich nicht verweigern. Und Bornemann wollte ihm gar nicht erst die Gelegenheit geben, darüber nachzudenken. Sie schob Hauser an das Rednerpult, wo er einen Moment unbeholfen herumstand. Die Vertreter der Presse waren inzwischen über Hausers Identität im Bilde und fanden die Verwechslung vor dem Revier wesentlich amüsanter als er.
»Herr Hauser ist gelegentlich als Ermittler für uns tätig«, erklärte Bornemann freundlich und machte eine auffordernde Handbewegung in Hausers Richtung. »Er hat in diesem Fall nicht nur den richtigen Riecher bewiesen, sondern inzwischen auch den Täter ermittelt.«
Hauser trat an das Mikrofon.
»Haben Sie den Schuldigen überführt?«, herrschte ihn eine Reporterin aus der ersten Reihe an, sodass er zurückzuckte.
»Ja, das habe ich«, hauchte er in das Mikrofon.
Eine Pause entstand.
»Und?«, hakte die Reporterin nach.
»Nach den Ermittlungen gibt es drei Hauptverdächtige …«, begann er.
Ein Reporter wedelte abwehrend mit der Hand. »Das wissen wir alles. Wer war es?«
Hauser sah verzweifelt zum Eingang. Wo blieb Mayerbach mit der Assistentin? Er musste Zeit gewinnen. Die Anwälte machten sich Notizen, die Verdächtigen sahen unwillig auf ihre Uhren, Bornemanns Gesicht rötete sich und Lessing wich immer weiter in Richtung Tür. Die Situation wurde brenzlig.
»Nachdem wir die Todesursache ermittelt hatten, mussten wir herausfinden, wer ein Interesse …«
»Halloooo?«, fragte ein Reporter ungeduldig. »Wer war es?«
Bornemann räusperte sich und trat nach vorn. »Meine Damen und Herren, ich muss Sie doch bitten, ein wenig Geduld zu haben. Herr Hauser wird Ihnen alles sehr genau erklären, damit es anschließend weniger Fragen gibt.« Sie deckte das Mikrofon mit der Hand ab und streckte sich zu Hausers Ohr: »Sonst gnade Ihnen Gott.«
Hauser räusperte sich lang und ausgiebig. Mehrere Reporter in der ersten Reihe schauten angewidert. Der Detektiv nahm noch einen Schluck Wasser, bevor er sich über das Mikrofon beugte. »Was ist an diesem Abend wirklich passiert? … Äh, das fragen Sie sich sicher alle.«
»Nein, das fragen wir Sie!«, rief eine Reporterin.
Melanie Beck erschien hinter der Glasscheibe. Mayerbach tauchte hinter ihr auf und war völlig außer Puste. Trotzdem grinste er und machte eine präsentierende Geste. Hauser stieß erleichtert die Luft aus, doch Melanie stand nur mit verschränkten Armen dort und ließ ihn zappeln. Ihr Gesichtsausdruck zeigte weder Mitleid noch Milde. Sie wirkte eher, als wolle sie zuschauen, wie er hier geröstet wurde. Und davon bekam sie eine Menge geboten. Die anwesenden Reporter reagierten genervt wegen der langen Wartezeit und der spärlichen Informationen. Sie stellten ihre Fragen nicht brav hintereinander, sondern bombardierten den Clown am Mikrofon förmlich damit. Hauser wand sich unter den Fragen und warf flehende Blick in Melanies Richtung.
Endlich ließ sie sich erweichen und nickte. Sie simulierte einen gebrechlichen alten Mann und zog anschließend die Innenfutter aus ihrer Jeans. Hauser war nie besonders gut bei Gesellschaftsspielen dieser Art gewesen, doch dies verstand sogar er. »Viktor Ludlow war pleite, seine Firma stand vor dem Ruin«, begann Hauser zögernd. Ein Raunen ging durch die Zuschauerreihen bis hin zu den Anwälten.
Melanie drückte Mayerbach auf einen Stuhl und gestikulierte wild vor ihm.
»Sie hatten einen Streit«, übersetzte Hauser.
»Wer?«, fragten mehrere Reporter gleichzeitig.
Melanie wies auf Monique und machte eine kreisförmige Bewegung vor ihrem Körper.
»Ludlow und seine Frau Monique. Denn sie hatte eine Brustvergrößerung.«
»Was hatte ich?«, schrillte Moniques Stimme über die Aha-Laute der Reporter hinweg. Melanie wiederholte ihre Bewegung, diesmal hektischer.
»Äh, nein«, korrigierte sich Hauser rasch. »Sie ist aufgebläht … hat Essstörungen?«
Melanie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Da die Trennscheibe nicht durchgängig bis zur Decke verlief, reichte das Geräusch noch weit genug, damit sich einige der Reporter neugierig umdrehten.
»Sagen Sie mal, raten Sie gerade die Lösung?«, fragte ein Reporter lauernd.
Hauser verzog nachdenklich das Gesicht, dann klarte sich sein Blick auf. »Monique Ludlow ist schwanger.«
Das war allerdings eine Sensation, die kritischen Stimmen verstummten augenblicklich.
Melanie arbeitete weiter hinter der Glasscheibe, mit Unterstützung von Polizeihauptmeister Mayerbach, der ihr widerwillig assistierte. Bornemann und Lessing mussten dem pantomimischen Schauspiel