Isabelle von Bayern. Alexandre Dumas

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Isabelle von Bayern - Alexandre Dumas

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während zahlreiche Vögel aller Farben von Zweig zu Zweig hüpften. Die Menge wunderte sich hierüber sehr, denn sie fragte sich, wie man sonst so wilde Tiere in diesem Grade hätte zähmen können. Das Staunen stieg aber noch bedeutend, als man aus diesem Walde einen schönen weißen Hirsch hervortreten sah, der so groß war, wie die, welche im Garten des Königs sich befanden, und so künstlich gearbeitet, dass man ihn für lebend halten musste, denn ein Mensch, der darin verborgen war, bewegte seine Augen, öffnete seinen Mund und ließ seine Beine gehen. Sein Geweih war vergoldet, auf dem Halse trug er eine Krone, welche der königlichen ähnlich war, und auf der Brust hing ihm ein azurblaues Schild mit drei goldenen Lilien, das Wappen des Königs und Frankreichs. Schön und stolz trat so das edle Tier gegen das Lager der Gerechtigkeit vor, nahm mit dem rechten Vorderlaufe das Schwert, das Symbol derselben, hob es in die Luft und ließ es erzittern. In diesem Augenblicke traten aus dem entgegengesetzten Teile des Waldes ein Löwe und ein Adler hervor, die Symbole der Kraft, und diese wollten ihm mit Gewalt das heilige Schwert entreißen; aber zwölf junge, weißgekleidete Mädchen, in der einen Hand einen goldenen Rosenkranz, in der andern ein blankes Schwert tragend, traten jetzt aus dem Wald und umgaben, als Symbole der Religion, den Hirsch, wie zu dessen Verteidigung. Nach einigen vergeblichen Versuchen kehrten der Adler und Löwe besiegt in den Wald zurück. Der lebende Wald, welcher die Gerechtigkeit verteidigte, öffnete sich jetzt, und der Hirsch neigte anmutig die Knie vor der Sänfte der Königin, und diese liebkoste ihn, wie sie bei den Hirschen zu tun pflegte, die der König in dem Garten seines Hôtels hatte. Diese Anordnung fanden sowohl die Königin als die Herren ihres Gefolges sehr sinnreich.

      Indessen war die Nacht angebrochen, denn seit Saint Denis hatte man nur im langsamen Schritt vorwärts kommen können, und die verschiedenen Schauspiele während des Weges hatten den Marsch sehr verzögert; endlich nahte man sich, doch der Kirche von Notre Dame, wohin die Königin sich begeben sollte. Nur der Pont- au- Change blieb noch zu überschreiten, und man glaubte nicht, dass bis dahin irgendetwas Neues erdacht werden könnte, als man plötzlich ein wunderbares Schauspiel er blickte. Ein Mensch, wie ein Engel gekleidet, er schien an dem Dach der Türme von Notre Dame; er trug in jeder Hand eine prächtige Fackel, und ging auf einem so feinen Seile, dass man es kaum erkennen konnte. Er stieg über die Dächer der Häuser herab, und schien wie durch Wunder durch die Luft zu gleiten, bis er sich auf einem der Häuser, welche die Brücke bekränzten, niedersetzte. Als die Königin ihm gegenüber war, verbot sie ihm, aus Furcht vor irgendeinem Unglücksfalle, auf dem Wege zurück zu kehren, auf welchem er gekommen war er aber wusste wohl, aus welchem Grunde dieser Befehl entsprang, achtete nicht darauf, und ging rückwärts das Seil hinan, um der Königin nicht den Rücken zuzuwenden. So erreichte er die Höhe des Turmes der Kathedrale und verschwand durch eben die Öffnung, durch welche er herausgekommen war. Die Königin fragte, wer dieser leichte, gewandte Mensch wäre, und man sagte ihr, dass es ein Genueser von Geburt und Meister in dieser Art von Spielen sei. Während dieser letzten Darstellung hatten sich die Vogelhändler in großer Menge auf der Straße der Königin versammelt; sie hatten in Käfigen eine Menge Sperlinge und ließen diese fliegen, als die Königin vorüber kam. Dies war ein alter Gebrauch, der auf die Hoffnung anspielte, welche das Volk bei jeder neuen Regierung hat: dass sie nämlich neue Freiheiten mit sich bringen werde. – Der Gebrauch ist verschwunden, die Hoffnung geblieben.

      In der Kirche von Notre Dame fand die Königin auf den Stufen des Altars den Bischof von Paris, bekleidet mit Mitra und Stola, dem Helm und Harnisch unters Heilandes; rings um ihn her stand die hohe Geistlichkeit und die Deputierten der Universität, welche ihr Titel als älteste Tochter des Königs berechtigte, der Krönung beizuwohnen. Die Königin stieg aus der Sänfte, und ebenso auch die Damen ihres Gefolges; die Ritter sprangen von den Pferden, übergaben diese ihren Pagen oder Stallmeistern, und begleitet von den Herzögen von Touraine, von Berry, von Burgund, und von Bourbon, trat sie in die Kirche ein, während der Bischof und die Geistlichkeit laut das Lob Gottes und der Heiligen Jungfrau sangen.

      Dem großen Altare gegenüber angelangt, kniete Madame Isabelle ehrfurchtsvoll nieder, und nachdem sie ihr Gebet gesprochen, schenkte sie der Kirche von Notre Dame die goldene Krone, welche die Engel am zweiten Tor von Saint Denis ihr aufs Haupt gesetzt hatten. Messire Johann de la Rivière und Messire Johann le Mercier überreichten ihr dafür eine noch schönere, prachtvollere, der ähnlich, welche der König trug, wenn er auf einem Thron Sitzung hielt. Der Bischof fasste sie bei der Lilie, in die ihre Spitze auslief, die vier Bischöfe hielten sie mit der Hand, und setzten sie leise auf die Stirn der Madame Isabelle. In diesem Augenblicke ertönten lauten, allgemeinen Freudengeschrei, denn jetzt erst war Madame Isabelle wirkliche Königin von Frankreich.

      Die Königin und die Herren verließen hierauf die Kirche und bestiegen ihre Sänften, Zelter und Rosse wieder. An beiden Seiten des Zuges trugen sechshundert Diener brennende Fackeln, so dass es in den Straßen hell war, als fände die Sonne am Himmel.

      Die Königin wurde zu dem Palaste von Paris geführt, wo sie der König erwartete, an seiner Rechten die Königin Johanna, an seiner Linken die Herzogin von Orleans. Vor ihm angelangt, verließ die Königin ihre Sänfte und kniete vor ihm nieder, wie sie in der Kirche getan; dadurch wollte sie andeuten, dass sie Gott als ihren Herrn im Himmel, wie den König als ihren Gebieter auf Erden anerkenne, Der König hob sie auf und umarmte sie. Das Volk schrie: »Weihnacht!« denn es glaubt, indem es seine Herrscher so einig, so jung, so schön erblickte, dass die beiden Schutzengel Frankreichs die Rechte und die Linke Gottes verlassen hätten.

      Die Herren beurlaubten sich hierauf von dem König und der Königin, um sich in ihre Hôtels zurück zu ziehen; nur die blieben bei ihnen, welche zu ihrem Hofstaate gehörten. Das Volk harrte noch vor dem Palaste aus und schrie so lange Weihnacht, bis der letzte Page hinter dem letzten Ritter eingezogen war. Dann schloss sich das Tor, die Fackeln zerstreuten sich oder verlöschten allmählich, Und die Menge verlief sich durch die tausend Straßen, welche sich, wie die Adern des Körpers, durch alle Richtungen der Hauptstadt hinziehen. Bald war der Lärmen nur noch ein Gemurmel, doch auch dies verstummte endlich ganz. Eine Stunde später war alles Schweigen und Finsternis.

      Wir verbreiteten uns etwas ausführlich über den Einzug der Königin Isabelle in Paris, über die Personen, welche sie begleiteten und über die Feste, welche bei dieser Gelegenheit gegeben wurden; das aber nicht blos, um dem Leser einen Begriff von den Sitten und Gebräuchen jener Zeit zu geben, sondern auch, um zu zeigen, wie, gleich dem ersten schwachen Quell der Flüsse, schwach und schüchtern jene verderbliche Liebe, jener tödliche Hass entstanden, die sich von dort herschreiben. Jetzt werden wir sie erblicken, wie sie bei jedem Winde sich regen, unter Stürmen und Widerwärtigkeiten anwachsen, und wie sie Frankreich so tiefe Wunden schlugen, wie ihr Übermaß jene unglückselige Regierung bezeichnete.

      II.

      Es gibt wohl keinen Romanschreiber oder Historiker, der nicht seine Betrachtungen über große Wirkungen aus geringen Ursachen angestellt hätte, und in der Tat ist es auch unmöglich, die Falten des Herzens oder die Tiefen der Geschichte zu erforschen, ohne darüber zu erschrecken, wenn man sieht, wie leicht ein unbedeutender Umstand, der unbemerkt vorüberging, als er sich zutrug, nach einer gewissen Zeit eine Katastrophe für ein Menschenleben oder für ein ganzes Reich sogar werden kann. Es ist daher auch für den Dichter, wie für den Philosophen vom höchsten Interesse, nach der vollendeten Katastrophe in deren Tiefe hinabzusteigen, wie in den Krater eines ausgebrannten Vulkanes, und sie dann in allen ihren Windungen und Verzweigungen bis zur Quelle zu verfolgen. Wahr ist es, dass die, welche durch ihren Geist zu dergleichen Forschungen getrieben werden, und sich ihnen mit Ausdauer und Leidenschaft hingeben, dabei Gefahr laufen, allmählich ihre älteren Begriffe gegen neuere umzutauschen, und je nachdem sie von der Flamme der Wissenschaft oder dem Sterne des Glaubens sich leiten lassen, werden sie aus gottesfürchtigen Leuten Atheisten, oder aus Irreligösen Gläubige; denn in der Verkettung der Umstände glaubt der Eine die phantastische Laune des Zufalls, der Andere die leitende Hand Gottes zu sehen. Der Eine sagt mit Hugo Foscolo: »Verhängnis«, der Andere mit Sylvio Pellico: »Vorsehung.« Dadurch sprechen sie die beiden Worte aus, welche man auch durch: »Verzweiflung« und »Ergebung« bezeichnen könnte.

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