Der Weihnachtsabend - Eine Geistergeschichte. Charles Dickens

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Der Weihnachtsabend - Eine Geistergeschichte - Charles Dickens

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armselige Entschuldigung, um an jedem fünfundzwanzigsten Dezember eines Mannes Tasche zu bestehlen“, sagte Scrooge, indem er seinen Überrock bis an das Kinn zuknöpfte. „Aber ich vermute, Sie wollen den ganzen Tag frei haben. Sie werden den ganzen Vormittag hier sein.“

      Der Gehilfe versprach, dass er kommen wolle und Scrooge ging mit einem Brummen fort. Das Kontor war im Nu geschlossen und der Gehilfe, mit den langen Enden seines weißen Schals über der Brust herabhängend (denn er konnte sich keines Überrockes rühmen), fuhr zu Ehren des Festes als der Letzte einer Reihe von Knaben zwanzigmal auf einem Handschlitten Cornhill hinunter und lief dann so schnell als möglich in seine Wohnung in Camden-Town, um dort Blindekuh zu spielen.

      Scrooge nahm sein einsames, trübseliges Mahl in seinem gewöhnlichen einsamen, trübseligen Gasthaus ein; und nachdem er alle Zeitungen gelesen und sich den Rest des Abends mit seinem Bankjournal vertrieben hatte, ging er nach Haus schlafen. Er wohnte in den Zimmern, welche seinem verstorbenen Compagnon gehört hatten. Es war eine düstere Reihe von Zimmern in einem niedrigen, finsteren Gebäude in einem Hof, wo es so wenig an seinem Platze stand, dass man fast hätte glauben mögen, es habe sich dorthin verlaufen als es noch ein junges Haus war und mit andern Häusern Verstecken spielte, und sich nicht wieder herausfinden können. Es war jetzt alt und öde, denn niemand wohnte dort, außer Scrooge, da die andern Örtlichkeiten alle als Geschäftslokale vermietet waren. Der Hof war so dunkel, dass selbst Scrooge, der jeden Stein desselben kannte, seinen Weg mit den Händen ertasten musste. Der Nebel und der Frost hingen so dick und schwer um den schwarzen alten Torweg des Hauses, als ob der Wettergeist trüb sinnend auf der Schwelle säße.

      Nun ist es richtig, dass an dem Klopfer der Haustür ganz und gar nichts Besonderes war, als seine Größe. Auch ist es richtig, dass Scrooge ihn jeden Abend und jeden Morgen, seitdem er das Haus bewohnte, gesehen hatte, und dass Scrooge so wenig Phantasie besaß als irgendjemand im Herzen von London, mit Einschluss des Stadtrats, der Beigeordneten und der Zünfte – wenn es erlaubt ist, das zu sagen. Man vergesse auch nicht, dass Scrooge, außer heute Nachmittag, mit keinem Wörtchen an seinen seit sieben Jahren verstorbenen Compagnon gedacht hatte. Und nun soll mir jemand erklären, warum Scrooge, als er seinen Schlüssel in das Türschloss steckte, in dem Klopfer, ohne dass er sich verändert hätte, keinen Türklopfer, sondern Marleys Gesicht sah.

      Ja, Marleys Gesicht. Es war nicht von so undurchdringlichem Dunkel umgeben, wie die andern Gegenstände im Hof, sondern von einem unheimlichen Licht, wie ein verdorbener Hummer in einem dunklen Keller. Er blickte ihm nicht wild oder zürnend entgegen, sondern sah Scrooge an, wie ihn Marley gewöhnlich ansah: mit der gespenstigen Brille auf die gespenstige Stirn hinauf geschoben. Das Haar stand seltsam in die Höhe, wie von Wind oder heißer Luft gehoben; und obgleich die Augen weit offen standen; waren sie doch ohne jede Bewegung. Das und die leichenhafte Farbe machten das Gesicht schrecklich; aber seine Schrecklichkeit schien mehr außerhalb des Gesichts und nicht in seiner Macht, als ein Teil seines Ausdruckes zu sein.

      Als Scrooge fest auf die Erscheinung blickte, war es wieder ein Türklopfer.

      Zu sagen, er wäre nicht erschrocken, oder er hätte nicht ein grausendes Gefühl empfunden, das ihm seit seiner Kindheit ferngeblieben war, wäre eine Lüge. Aber er fasste sich gewaltsam, legte die Hand wieder auf den Schlüssel, drehte ihn um, trat in das Haus, und zündete sein Licht an.

      Aber doch zögerte er einen Augenblick, ehe er die Tür schloss, und er guckte erst vorsichtig dahinter, als fürchte er wirklich mit dem Anblick von Marleys Zopf erschreckt zu werden. Aber hinter der Tür war nichts als die Schrauben, welche den Klopfer fest hielten; und so sagte er: „Bah, bah“, und warf sie zu.

      Der Schall klang durch das Haus wie ein Donner. Jedes Zimmer oben, und jedes Fass in des Weinhändlers Keller unten schien mit seinem besonderen Echo zu antworten. Scrooge war nicht der Mann, der sich durch Echos erschrecken ließ. Er schloss die Tür, ging über den Hausflur und die Treppe hinauf, und zwar langsam, und das Licht heller machend, während er hinaufging.

      Die Treppe war breit genug, um eine Bahre der Quere nach hinaufzubringen, und das ist vielleicht die Ursache, warum Scrooge glaubte, er sähe vor sich eine Bahre sich hinaufbewegen. Ein halbes Dutzend Gaslampen von der Straße würden den Eingang nicht zu hell gemacht haben, und so kann man sich denken, dass bei Scrooges kleinem Licht es ziemlich dunkel blieb.

      Scrooge aber ging hinauf und kümmerte sich keinen Pfifferling darum. Dunkelheit ist billig, und das mochte Scrooge sehr. Aber ehe er seine schwere Tür zumachte, ging er durch die Zimmer, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Er erinnerte sich des Gesichtes noch gerade genug, um das zu wünschen.

      Wohnzimmer, Schlafzimmer, Abstellkammer, alles war, wie es sein sollte. Niemand unter dem Tisch, niemand unter dem Sofa; ein kleines Feuer auf dem Rost, Löffel und Teller bereit und das kleine Töpfchen Suppe (Scrooge hatte den Schnupfen) auf dem Feuer. Niemand unter dem Bett, niemand im Alkofen, niemand in seinem Schlafrock, der auf eine ganz verdächtige Weise an der Wand hing. Die Abstellkammer wie gewöhnlich; ein alter Kaminschirm, alte Schuhe, zwei Fischkörbe, ein dreibeiniger Waschtisch und ein Schüreisen.

      Vollkommen zufriedengestellt machte er die Tür zu und schloss sich ein und riegelte noch zu, was sonst nicht seine Gewohnheit war. So gegen Überraschung sichergestellt, legte er seine Halsbinde ab, zog seinen Schlafrock und die Pantoffeln an und setzte die Nachtmütze auf, um dann in dem Sessel vor dem Feuer seine Suppe zu essen.

      Es war wirklich ein sehr kleines Feuer, so gut wie gar keins in einer so kalten Nacht. Er musste sich dicht daran setzen und sich darüber hinbeugen, um die geringste Wärme von einer solchen Handvoll Kohlen zu genießen. Der Kamin war vor langen Jahren von einem holländischen Kaufmann gebaut worden und rings um mit seltsamen holländischen Fliesen mit biblischen Bildern belegt. Da sah man Cain und Abel, Pharaos Töchter, Königinnen von Saba, Engel durch die Luft auf Wolken gleich Bettfedern herabschwebend, Abraham, Belsazar, Apostel in See gehend auf Butterschiffen, Hunderte von Figuren, seine Gedanken zu beschäftigen; und doch kam das Gesicht Marleys wie der Stab des alten Propheten und verschlang alles andere. Wenn jede glänzende Fliese weiß gewesen wäre und die Macht gehabt hätte, aus den vereinzelten Fragmenten seiner Gedanken ein Bild auf seine Fläche zu zaubern, auf jedem wäre ein Abbild von des alten Marleys Gesicht erschienen.

      „Dummes Zeug!“ sagte Scrooge und schritt durch das Zimmer.

      Nachdem er einige Male auf und ab gegangen war, setzte er sich wieder nieder. Wie er den Kopf in den Stuhl zurücklegte, fiel sein Auge wie von ungefähr auf eine Klingel, eine alte, nicht mehr gebrauchte Klingel, welche - zu einem jetzt vergessenen Zweck - mit einem Zimmer in dem obersten Stockwerk des Hauses in Verbindung stand. Zu seinem großen Erstaunen und mit einem seltsamen unerklärlichen Schauer sah er, wie die Klingel anfing sich zu bewegen; erst bewegte sie sich so wenig, das sie kaum einen Ton von sich gab; aber bald schellte sie laut und mit ihr jede Klingel des Hauses.

      Das mochte eine halbe Minute oder eine Minute gedauert haben, aber es schien ihm eine Stunde zu sein. Die Klingeln hörten gleichzeitig auf, wie sie gleichzeitig angefangen hatten. Dann vernahm man ein Klirren, tief unten, als ob jemand eine schwere Kette über die Fässer im Weinhändlers Keller schleppe. Jetzt erinnerte sich Scrooge gehört zu haben, dass Gespenster Ketten schleppen sollten.

      Die Kellertür flog mit einem dumpf dröhnenden Schall auf und dann hörte er das Klirren viel lauter auf dem Hausflur unten; dann wie es die Treppe herauf kam; und dann wie es geradewegs auf seine Tür zukam.

      „’s ist dummes Zeug“, sagte Scrooge. „Ich glaub nicht dran.“

      Aber doch veränderte er die Farbe, als es ohne zu verweilen, durch die schwere Tür und in das Zimmer kam. Als es herein trat, flammte das sterbende Feuer auf, als ob es riefe: “ich kenne ihn, Marleys Geist!”, und sank wieder zusammen.

      Dasselbe

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