Standgericht. Franz Taut

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Standgericht - Franz Taut Zeitzeugen

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mir?«, fragte Jacqueline.

      »Du kannst Stroh bekommen«, sagte Wenzel. »In der Scheune ist es sicher kalt – zu kalt für das Baby, oder?«

      »Was wollen Sie von mir?«

      Wenzel trat näher, beugte sich vor, und seine Stimme klang heiser: »Dumme Frage! Du kannst soviel Milch haben, wie du willst. Nicht nur Milch. Anderes … ich kann dir geben, was du brauchst, verstehst du? Verstehst du mich? Milch! Haferflocken! Zehn Dosen, zwanzig …« Er griff nach ihren Armen, näherte sein Gesicht dem ihren. »Du kannst haben, was du willst … alles … Komm!«

      Jacqueline wehrte sich verbissen, verzweifelt, sie begann zu schreien, aber er hielt ihr den Mund zu, sie bekam keine Luft mehr, verstummte, und dann hörte sie eine Stimme, die wie aus weiter Ferne rief: »Oberscharführer Wenzel! Oberscharführer Wenzel!«

      Wenzel ließ sie fluchend los. Sie sank zu Boden, lehnte sich an den Baumstamm neben Wenzels Wagen und hörte durch wie durch einen Nebel zwei leise Stimmen.

      »Ein Leutnant«, meldete Glebsch.

      »Was will er von mir?«, fragte Wenzel.

      »Wir müssen weg. Er will die Gräben besetzen. Die Amerikaner … Er hat’s eilig.«

      »Ja, ja, ich komm’ ja schon!«

      Jacqueline fühlte sich emporgerissen, und Wenzel sagte: »Geh jetzt! Wir sprechen uns noch. Hier hast du die Milch. Los, geh!«

      Kaum eine Stunde später fuhr der Autobus mit seiner zusammengepferchten Menschenfracht ratternd und schlingernd über die Feldwege auf den roten Widerschein am Himmel zu, hinter dem die deutsche Stadt Aachen lag.

      Die Kuppel des Befehlsbunkers, sorgsam bedeckt mit tarnenden Rasenstücken, erhob sich inmitten einer von hohen Fichten und immer noch sommergrünen Buchen umsäumten Lichtung. Auf der steil in die Tiefe führenden Bunkertreppe begegnete Feldwebel Klingler einem Melder.

      »Wo ist Hauptmann Geis?« Klingler bemühte sich mit Erfolg um einen gleichgültigen Ton.

      »Sie, Herr Feldwebel?« Der Melder vergaß, den Mund zuzumachen.

      »Wie du siehst!« Klingler hätte den anderen am liebsten umarmt.

      »Aber wie …?«

      »Später«, sagte Klingler. »Also, wo finde ich den Hauptmann?«

      »Ganz hinten – sechste Tür. Er schreibt wieder an seinem Tagebuch, aber von Ihnen lässt er sich bestimmt dabei stören!«

      Am Ende des Stollenganges klopfte Klingler an eine Tür aus Stahlblech.

      Eine bekannte Stimme rief: »Herein!«

      Klingler öffnete die Tür, trat über die Schwelle, grüßte und meldete: »Feldwebel Klingler aus amerikanischer Gefangenschaft zurück.«

      Und es passierte genauso, wie Klingler sich das ausgemalt hatte: Der Hauptmann fuhr überrascht zusammen, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn wieder, fuhr sich mit der Hand über die Wangen, als wollte er seine Überraschung und Freude verbergen, aber es gelang ihm nicht ganz, und er sagte: »Ach, du liebes bisschen! Klingler, Sie?«

      »Jawohl, Herr Hauptmann.«

      Hauptmann Geis kam langsam auf den Feldwebel zu und betrachtete ihn unverwandt, wie um sich zu vergewissern, dass er es auch wirklich war.

      Sie waren etwa gleich groß. Der Hauptmann war nur wenige Jahre älter als der Feldwebel. An der linken Wange hatte er eine Narbe, die sich rötete, wenn er zornig war – ein Streifschuss. Sein EK I, das er fast zur gleichen Zeit wie Klingler in Russland erhalten hatte, besaß Seltenheitswert: Ein Querschläger hatte das Hakenkreuz in der Mitte zum großen Teil weggeschliffen.

      »Mensch, Klingler, wie haben Sie denn das nur geschafft?«

      »Schwein gehabt, Herr Hauptmann.« Das war alles. Schwein gehabt. Das Gleiche sagte sich Klingler die ganze Zeit über, seit er im Niemandsland von einem deutschen motorisierten Spähtrupp angehalten worden war. Mehr Glück als Verstand! Auf seiner wilden Fahrt war er dreimal beschossen worden. Eine amerikanische MG-Garbe hatte die Vorderscheibe zertrümmert – und er hatte nicht mal einen Kratzer abbekommen. Der Wagen sah wie ein Sieb aus, aber der Motor war unbeschädigt geblieben. Seine Rechnung war aufgegangen.

      Die Amerikaner, so hatte er sich gesagt, waren viel zu schnell vorgestoßen, um alle Straßen kontrollieren zu können. Darin hatte seine Chance gelegen. Dass aber er, der auf gut Glück nach Osten gefahren war, ausgerechnet die unbewachten Straßen finden würde, das war eben jenes »Schwein« gewesen, das man zu jener Zeit zum Überleben brauchte.

      »Sie müssen mir mal die ganze Geschichte genau erzählen … Verflucht – schon wieder!« Das galt dem schrillen Läuten des Telefons. Der Hauptmann hob ab. »Geis. Ja? Haben Sie Verbindung? Nein? Gut. Ende.«

      Er legte auf und kurbelte ärgerlich ab.

      »Nichts klappt in diesem verdammten Westwall. Alles verrottet und vergammelt. Kann das Korps einfach nicht an die Strippe kriegen.«

      Jetzt war er wieder ganz dort, wo er vor Klinglers Ankunft gewesen war: bedrückt von Sorgen, müde, unausgeschlafen und bedrängt von Fragen, für die es keine Lösung gab.

      »Sind Sie sehr müde, Klingler?«

      »Nein, Herr Hauptmann.«

      Er braucht mich, dachte Klingler. So wie früher. Wie immer. Er war wieder zu Hause.

      »Gut, dass ich Sie wieder habe … Draußen in der Fichtenschonung stehen Meldekräder. Nehmen Sie eins und fahren Sie nach Würselen zum Stab des 81. Armeekorps. Vielleicht haben die auch schon Stellungswechsel gemacht. Melden Sie sich beim Ia. Ich brauche klare Befehle. Und …« Er sah Klingler an, und über sein narbiges Gesicht huschte ein Lächeln: »Sie müssen sich neu ausstaffieren lassen. Sturm hat alles auf Lager … Dann holen Sie sich den Marschbefehl. Ich gebe Ihnen auch eine Karte mit. Sie müssen durch Aachen fahren.«

      Durch die Waldstraße kam Klingler im flotten Tempo vorwärts. Dann aber begann die Quälerei. Der Wald blieb zurück und gab den Blick auf den Talkessel frei, in dem Aachen lag. Über der Stadt hingen schmutziggraue Schwaden aus Staub, Rauch, Brandqualm und Pulverdampf. Und über die Straße quälten sich Marschkolonnen, Flüchtlinge, schreiende und fluchende Offiziere, Unteroffiziere, Feldgendarmen, Flüchtlinge, Frauen, Kinder … Nahm denn dieses Durcheinander überhaupt kein Ende?

      Weit voraus flogen amerikanische Bomber vom Typ »Marauder« in Dreierketten an. Explodierende Flakgranaten betupften den Himmel mit Wattebäuschchen. Dann fielen, winzig klein und harmlos anzusehen, die Bomben.

      Eine Straßenkreuzung war hoffnungslos verstopft. Ein großer Autobus mit vernagelten und vergitterten Fenstern war, aus einem Feldweg kommend, mit den Hinterrädern in den Straßengraben gerutscht und kam nicht mehr frei. Klingler stieg ab und ging zu dem Knäuel von Fahrzeugen, um die laut streitende und gestikulierende Männer standen. Ein Oberscharführer des SD stritt aufgeregt mit einem Feldgendarmen.

      »Ist denn der Autobus beladen?«, fragte Klingler.

      »Mischen Sie sich nicht rein!«, fauchte ihn Oberscharführer Wenzel an.

      »Natürlich

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