Dombey und Sohn. Charles Dickens
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»Leute, die genug mit ihren eigenen Angelegenheiten zu schaffen haben«, sagte Mr. Dombey, der noch immer nach seinem Sohn hinsah, ohne auf die geheimnisvollen Winke zu achten, die der Kapitän hinter Walter machte, »täten am besten, wenn sie sich mit dem, was ihnen selbst obliegt, begnügten und ihre Stellung nicht dadurch erschwerten, daß sie sich für andere Leute verbindlich machen. Es ist ein Akt der Unehrlichkeit und obendrein der Anmaßung«, fügte Mr. Dombey streng hinzu; »eine große Anmaßung, denn auch der Wohlhabende könnte nicht mehr tun. Paul, komm her.«
Der Knabe gehorchte, und Mr. Dombey nahm ihn auf seine Knie.
»Wenn du jetzt Geld hättest«, sagte Mr. Dombey. »Sieh mich an!«
Paul, dessen Blicke nach seiner Schwester und nach Walter hingewandert waren, schaute jetzt seinem Vater ins Gesicht.
»Wenn du jetzt Geld hättest«, sagte Mr. Dombey – »so viel Geld, wie das, von dem der junge Gay gesprochen hat – was würdest du tun?«
»Es seinem alten Onkel geben«, versetzte Paul.
»Es seinem alten Onkel leihen, he?« entgegnete Mr. Dombey. »Gut! du weißt, wenn du alt genug bist, wirst du mein Geld teilen, und wir benützen es dann gemeinschaftlich.«
»Dombey und Sohn«, unterbrach ihn Paul, dem früh diese Phrase eingelernt worden war.
»Dombey und Sohn«, wiederholte sein Vater. »Möchtest du jetzt schon anfangen, Dombey und Sohn zu sein, und dieses Geld dem Onkel des jungen Gay borgen?«
»O gewiß, Papa, wenn ich darf«, sagte Paul; »und ebenso würde es auch Florence machen.«
»Mädchen haben nichts mit Dombey und Sohn zu schaffen«, erwiderte Mr. Dombey. »Du möchtest also –?«
»Ja, Papa, ja.«
»Dann sollst du auch –« erwiderte sein Vater. »Du siehst nun, Paul«, fügte er mit gedämpfter Stimme bei, »wie mächtig das Geld ist und wie sehr es sich die Leute angelegen sein lassen, welches zu erhalten. Der junge Gay ist so weit gekommen, um darum zu bitten, und du, der du es hast, bist so großmütig, es ihm zu geben. Du erweisest ihm damit eine große Gunst, und er muß dir sehr dankbar sein.«
Paul erhob für einen Moment das alte Gesicht, in dem sich aussprach, daß er den Sinn dieser Worte vollkommen begreife; unmittelbar darauf aber wurde sein Antlitz wieder jung und kindlich. Er glitt von dem Knie seines Vaters herunter und eilte auf Florence zu, um ihr zu sagen, sie solle nicht mehr weinen; denn er gehe jetzt, um dem jungen Gay das Geld zu bringen.
Mr. Dombey trat an einen Seitentisch, schrieb einige Zeilen und versiegelte sie. Inzwischen flüsterten Paul und Florence mit Walter, und Kapitän Cuttle schaute auf das Kleeblatt mit so hochstrebenden und unaussprechlich anmaßenden Gedanken herab, daß Mr. Dombey nie daran geglaubt haben würde. Nachdem dieser mit seiner Note zustande gekommen war, kehrte er nach seinem vorigen Platze zurück und hielt sie Walter hin.
»Das erste, was Ihr morgen früh zu tun habt«, sagte er, »ist, daß Ihr Mr. Carker dies übergebt. Er wird Sorge dafür tragen, daß jemand von meinen Leuten durch Bezahlung des Betrags Euern Onkel aus seiner gegenwärtigen Verlegenheit befreit und für die Rückerstattung Vorkehrungen trifft, wie sie sich mit den Umständen Eures Onkels vertragen. Vergeßt dabei nicht, daß Master Paul das für Euch getan hat.«
In der Freude, die Mittel zur Erlösung seines guten Onkels in der Hand zu haben, wollte Walter die Gefühle seines frohen Dankes aussprechen; aber Mr. Dombey fiel ihm ins Wort.
»Vergeßt nicht, daß es durch Master Paul geschehen ist«, wiederholte er. »Ich habe ihm dies auseinandergesetzt, und er begreift es. Ich wünsche, daß kein Wort mehr darüber falle.«
Da der Chef jetzt nach der Türe hin winkte, so konnte sich Walter nur verbeugen und entfernen, Miß Tor aber, als sie sah, daß der Kapitän das gleiche tun wollte, legte sich ins Mittel.
»Mein teurer Sir«, sagte sie zu Mr. Dombey, über dessen Großmut sowohl sie als Mrs. Chick in einen reichlichen Tränenguß ausbrachen, »ich glaube, Ihr habt etwas übersehen. Verzeiht mir, Mr. Dombey – ich denke, in dem Edelmut Eures Charakters und in dem hohen Ziele, das Ihr Euch setztet, habt Ihr eine Kleinigkeit außer acht gelassen.«
»Wirklich, Miß Tor?« versetzte Mr. Dombey.
»Der Gentleman mit dem – – Instrument«, fuhr Miß Tor fort, indem sie nach Kapitän Cuttle hinsah, »hat neben Euch etwas auf dem Tisch gelassen – –«
»Gütiger Himmel!« sagte Mr. Dombey, das Eigentum des Kapitäns vor sich wegstreifend, als wären es in der Tat nur Brotkrumen gewesen. »Nehmt diese Dinge zurück. Ich bin Euch verbunden, Miß Tor; ich sehe darin ganz Eure gewöhnliche Besonnenheit. Habt die Güte, diese Gegenstände wegzunehmen, Sir!«
Dem Kapitän blieb keine andere Wahl, als zu willfahren. Die Großmut Mr. Dombeys übrigens, der die neben ihm aufgehäuften Schätze zurückwies, erfüllte ihn dermaßen, daß er, sobald er die Teelöffel samt Zuckerzange in der einen, das bare Geld in der andern und die silberne Uhr in der eigens für sie angefertigten Tasche versorgt hatte, sich nicht enthalten konnte, die rechte Hand dieses Gentleman mit der ihm noch gebliebenen Linken zu ergreifen. Während er sie noch offen in seinen gewaltigen Fingern hielt, brachte er in einem Übermaß von Bewunderung den Hut auf den Kopf, und diese Berührung von warmem Gefühl und kaltem Eisen machte auf Mr. Dombey einen Eindruck, daß ihm ein Schauder durch alle Adern rann.
Kapitän Cuttle schwenkte sodann mehreremal mit größter Zierlichkeit und Galanterie seinen Hut gegen die Damen, nahm ganz besonders Abschied von Paul und Florence und folgte Walter nach. Florence wollte in der Fülle ihres Herzens gleichfalls hinaus, um dem alten Sol einen Gruß sagen zu lassen; aber Mr. Dombey rief ihr zu und befahl ihr zu bleiben, wo sie sei.
»Wirst du nie eine Dombey werden, mein liebes Kind?« sagte Mrs. Chick im Ton pathetischen Vorwurfs.
»Liebe Tante, seid nicht böse«, versetzte Florence. »Ich bin dem Papa so dankbar.«
Wie gerne wäre sie auf ihn zugelaufen und hätte ihre Arme um seinen Hals geschlungen; aber sie wagte es nicht, sondern entsandte nur einen Blick des Dankes gegen ihn, wie er sinnend dasaß. Zuweilen schaute er unruhig nach ihr hin; hauptsächlich aber hatte er Paul im Auge, der mit frohem Stolz im Zimmer umherstolzierte, weil er dem jungen Gay das Geld gegeben hatte.
Und der junge Gay – Walter – was ist mit ihm?
Er war überfroh, daß es in seiner Macht lag, das Heim des alten Mannes von Auspfändern und Gerichtsdienern zu reinigen; er eilte daher zurück, um seinem Onkel die gute Kunde zu bringen. Welche Wonne, daß am andern Morgen noch vor dem Mittagessen alles bereinigt und beseitigt sein sollte – daß er abends wieder mit dem alten Sol und dem Kapitän im kleinen Hinterstübchen sitzen – daß er Zeuge sein konnte, wie der Instrumentenmacher wieder auflebte und einer besseren Zukunft entgegensah, in dem Bewußtsein, daß der hölzerne Midshipman noch immer sein Eigentum war. Ohne daß übrigens seiner Dankbarkeit gegen Mr. Dombey dadurch ein Abtrag geschehen wäre, müssen wir doch gestehen, daß sich Walter gedemütigt und niedergeschlagen fühlte. Wenn unsere knospenden Hoffnungen unwiederbringlich durch einen rauhen Windstoß geknickt sind, fühlen wir uns am meisten geneigt,