Königin Luise. Gertrude Aretz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Königin Luise - Gertrude Aretz страница 6
Am 24. Dezember, abends 6 Uhr, fand im Weißen Saal des Berliner Schlosses die Trauung Luises unter den althergebrachten Zeremonien statt und wurde vom Konsistorialrat Sack vollzogen. Die Braut sah entzückend aus. »Schön wie ein Engel«, meinte Prinzessin Radziwill. »Die diamantene Königskrone auf dem aschblonden Haar stand ihr bezaubernd.« Der Kronprinz war trotz seines kühlen und ernsten Wesens so von seinem Glück durchdrungen, daß man es ihm ansah.
Nach der Trauung fand im Rittersaal ein großes Bankett statt, bei dem nach überlieferter Sitte die Generale Graf Brühl und von der Marwitz di« Speisen auftrugen und Kammerherren und Hofdamen bei Tisch bedienten, bis die königliche Familie den ersten Trunk getan hatte. Dann zogen sich die Höflinge an die Marschallstafel zurück, um dort ebenfalls zu speisen. Nach der Tafel fand der gleichfalls seit alters gebräuchliche Fackeltanz im Weißen Saale statt. Voran schritten zu Paaren die achtzehn Staatsminister, jeder eine Wachskerze in Form von Fackeln in der Hand. König Friedrich Wilhelm II. führte die Braut, der Kronprinz beide Königinnen, seine Mutter und die Witwe Friedrichs des Großen. Danach folgten die übrigen Prinzen und Prinzessinnen mit ihren Hofdamen und Kavalieren.
Luise und ihre Schwester, deren Trauung erst am 26. Dezember stattfand, tanzten den bis dahin am preußischen Hof streng verpönten Walzer, und tanzten ihn mit aller Anmut und Grazie ihrer Jugend. Der König und alle Herren waren entzückt. Es entstanden Parteien, welcher von beiden Prinzessinnen der Preis der Schönheit zukomme. Nur die Königin war empört über die »Indezenz« eines solchen Tanzes, besonders aber, weil ihn ihre Schwiegertöchter am Hofe einführten. Sie verbot ihrer Tochter aufs strengste, Walzer zu tanzen, und wandte sich voll Abscheu ab, um nicht sehen zu müssen, wie die anderen »walzten«. Erst, nachdem die Neuvermählten in ihre Privatgemächer geleitet worden waren und die Oberhofmeisterin von Voß erschien, um jedem Zeugen der Hochzeitsfeier das bewußte Stück Strumpfband der Kronprinzessin zu zeigen, zogen sich die Gäste aus dem Schlosse zurück.
Bei der Trauung hatten in den großen Räumen neben dem Rittersaal alle Klassen der Bevölkerung Zutritt, und es waren viele Menschen versammelt, um die neue Kronprinzessin zu bewundern. Hatte doch der König besonders befohlen, daß »alle zugelassen werden sollten, die einen ganzen Rock anhätten«. Und dabei kam er selbst in die Enge mit seiner großen breiten Gestalt, die mit den Jahren immer mehr an Fülle zugenommen hatte. Durch die Menschenmassen mußte der König sich mit seiner Dame, der Witwe Friedrichs des Großen, durchschlängeln. Er gebrauchte dabei tüchtig seinen linken Ellenbogen, während er am rechten Arm die verwitwete Königin nach sich zog: »Braucht euch nicht zu genieren, Kinder,« rief er den dichtgedrängten Bürgern zu, »der Hochzeitsvater darf sich heute nicht breiter machen als die Brautleute.« Die Illumination hingegen hatte der aller Verschwendung und allem Aufwand abholde Kronprinz in Hinsicht auf die schweren Kriegszeiten abgelehnt. Er hatte es den Berliner Bürgern anheimgestellt, das Geld, das sie zur Erleuchtung ihrer Häuser bestimmt hatten, lieber zur Unterstützung armer Kriegerwitwen und Waisen zu verwenden. Und so geschah es auch. Der Hof selbst beteiligte sich daran, und die Einnahme der Vorstellung im Hoftheater wurde ebenfalls zu diesem Zwecke verwendet.
Vom Augenblick ihres Einzugs in Berlin an gewann Luise eine Popularität, wie sie vor ihr nur noch die erste Königin von Preußen, die reizende Sophie Charlotte, die Gattin Friedrichs I., besessen hatte. Unzufrieden waren die Berliner nur mit der Zusammensetzung des Hofstaats der Kronprinzessin, der hauptsächlich aus Mecklenburgern bestand. Die Oberhofmeisterin Voß verdankte ihre Stellung besonders dem Umstand, daß sie mit der Gräfin Jugenheim, der einen morganatischen Gattin des Königs, verwandt war. Die beiden Fräulein von Viereck, Henriette und Doris, wurden zur ersten und zweiten Ehrendame ernannt. Die eine davon, so hieß es, sei die Mätresse des Königs gewesen. Major von Massow wurde Hofmarschall und Herr von Schilden Kammerherr der Kronprinzessin. Er war früher beim Prinzen Ferdinand von Preußen, dem Vater Louis Ferdinands, ebenfalls Kammerherr gewesen.
Eine solche Wahl fand natürlich die schärfste Kritik im Volke. Aber Luises sympathisches Wesen überbrückte alle Unzufriedenheit. Hauptsächlich war es das glückliche Familienleben, das man am Berliner Hofe seit langem vermißt hatte, das sie dem Volke näherbrachte. Weder in der Ehe Friedrichs des Großen noch Friedrich Wilhelms II. hatte man so etwas erlebt. Im Gegenteil, Eifersuchts- und Skandalszenen waren besonders in der Umgebung des Königs, Luises Schwiegervaters, an der Tagesordnung. Er war zweimal morganatisch verheiratet. Das eine Mal mit Fräulein von Voß, der späteren Gräfin Ingenheim, das zweitemal mit der Gräfin Dönhoff, die ihm zwei Kinder gebar. Und die Ritz, alias Gräfin Lichtenau, führte als Hauptmätresse noch immer das Zepter. Auch sie hatte von ihm zwei Kinder, den Grafen und die Gräfin von der Mark. König und Königin führten getrennte Hofhaltungen, und es herrschte zwischen ihnen ein strenges Zeremoniell.
Es muß für die junge Kronprinzessin nicht leicht gewesen sein, sich in diese, für sie vollkommen neue Welt zu finden. Wenn auch nicht alle Mätressen zu gleicher Zeit im der Umgebung des Königs lebten, so erschien doch immer mal eine und machte ihm eine Szene. Die Dönhoff war zwar nach 1791 in die Schweiz geflohen, aber ab und zu fuhr sie wie der Blitz mitten unter die Gesellschaft des Königs, um ihn wieder für sich zu gewinnen. Ein höchst merkwürdiges Licht wirft folgende Szene auf das Leben am preußischen Hof zur Zeit der jungen Ehe Luises. Eines Tages fand im Marmorpalais von Sanssouci ein Konzert beim König statt, an dem wie immer Madame Ritz und ihre Tochter, die Gräfin von der Mark, teilnahmen. Plötzlich wurden die Türen aufgerissen, und Gräfin Dönhoff, die in der Schweiz einem Mädchen das Leben gegeben hatte, erschien mit ihren beiden Kindern im Salon. Sie wollte sich mit Friedrich Wilhelm II. wieder aussöhnen. Alle Anwesenden waren wie vom Donner gerührt, als sich die aufgeregte Frau mit ihren Kindern dem König zu Füßen stürzte und ihm vor allen Leuten die fürchterlichste Szene machte. Er war in höchster Verlegenheit und hatte die größte Mühe, die Gräfin in ein Nebengemach bringen zu lassen, über diesen kühlen Empfang war die Dönhoff so außer sich, daß sie nichts mehr von ihren Kindern wissen wollte, sie dem König in die Arme warf, wütend hinausstürmte, ihren Wagen bestieg und nach Berlin abfuhr. Darauf reiste sie sogleich auf Nimmerwiedersehen nach Lausanne. Ihre Kinder nahm Madame Ritz in Obhut und erzog sie auf Verlangen des Königs.
Nicht nur am Hofe, sondern auch in Berlin unter der Bevölkerung war das Leben ziemlich demoralisiert. Die Ehen wurden unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. außerordentlich leicht geschieden, und die Frauen »waren so verdorben, daß selbst vornehme adlige Damen sich zu Kupplerinnen herabwürdigten, junge Mädchen und Weiber von Stande an sich zu ziehen, um sie zu verführen.« ... Bei Hoffesten plünderten die eingeladenen jungen Offiziere ganz ungeniert die Tafeln und Büfette und benahmen sich wie im Felde vor den Marketenderbuden. »Der Offizierstand, der schon früher ganz dem Müßiggang hingegeben, den Wissenschaften entfremdet war, hat es am weitesten unter allen in der Genußfertigkeit gebracht. Sie treten alles mit Füßen, diese privilegierten Störenfriede, was sonst heilig genannt wurde: Religion, eheliche Treue, alle Tugenden der Häuslichkeit der Alten. Ihre Weiber sind unter ihnen Gemeingut geworden, die sie verkaufen und vertauschen und sich wechselweise verführen.« So die vertrauten Briefe.
Es war kein Wunder, daß man die junge Kronprinzessin in ihrer Unverdorbenheit und Natürlichkeit wie ein vom Himmel gesandtes Wesen betrachtete. Wie aber hat sie sich selbst in dieser Welt zurechtgefunden?
Zunächst half ihr das gesunde fröhliche Naturell, das sie besaß, über alles hinweg. Ferner war ihre große Jugend vielleicht die natürlichste Schranke, die sich zwischen ihr und dem verdorbenen Milieu Friedrich Wilhelms II. aufbaute, ohne daß Luise es selbst wüßte. Wie man vom Salamander annimmt, daß er unbeschädigt durchs Feuer gehen