Oliver Twist. Charles Dickens

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Oliver Twist - Charles Dickens

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herunter gekommen."

      "Was sagst du da", fragte Oliver schnell aufblickend.

      "Ein ganz heruntergekommenes Frauenzimmer, Armenhäusler", versetzte Noah kühl, "und es ist nur gut, dass sie auf diese Weise starb, sonst hätte sie sicher im Gefängnis oder am Galgen geendet."

      Glutrot im Gesicht, sprang Oliver auf und Noah an die Kehle, nahm dann seine ganze Kraft zusammen und schmetterte ihn mit einem Schlag zu Boden.

      "Er bringt mich um!" schrie Noah. "Charlotte! Frau Sowerberry! Hilfe, Hilfe! Oliver mordet mich! Er ist verrückt geworden! Char – lotte!"

      Noahs Hilfegeschrei wurde durch ein lautes Kreischen Charlottens, und ein noch lauteres der Meisterin erwidert. Erstere eilte durch eine Seitentür in die Küche, während Frau Sowerberry so lange auf der Treppe stehen blieb, bis sie sich überzeugt hatte, dass keine Gefahr für ihr Leben zu fürchten sei.

      "Du verfluchter Lump", schrie Charlotte, indem sie Oliver mit kräftiger Faust packte, "du undankbarer, meuchelmörderischer, nichtswürdiger Schurke", dabei schlug sie unbarmherzig auf ihn ein. Nun stürzte auch noch Frau Sowerberry in die. Küche und zerkratzte Oliver das Gesicht. Diesen günstigen Stand der Angelegenheit machte sich Noah zunutze, er sprang auf und knuffte Oliver von hinten.

      Als alle drei müde waren und nicht mehr weiter prügeln konnten, schleppten sie den sich wehrenden, aber keineswegs entmutigten Oliver in den Keller und schlossen ihn da ein. Frau Sowerberry sank in einen Stuhl und brach in Tränen aus.

      "Himmel, sie stirbt", rief Charlotte. "Schnell, liebster Noah, ein Glas Wasser."

      "Ach, Charlotte", stöhnte die Meisterin, "wir müssen Gott danken, dass wir nicht alle in unseren Betten ermordet wurden."

      "Ja, der arme Noah war schon halbtot, als ich hinzukam."

      "Armer Junge!" sagte Frau Sowerberry mitleidig. "Doch was machen wir nun? Der Meister ist nicht zu Hause, und in zehn Minuten wird Oliver die Tür eingestoßen haben!"

      Seine Fußtritte hörte man auch schon gegen diese donnern.

      "Ich glaube, das Beste wäre, man holte die Polizei" , meinte Charlotte.

      "Oder das Militär", fügte Herr Noah Claypole hinzu.

      "Nein", rief Frau Sowerberry, die sich plötzlich an Olivers alten Freund erinnerte, lauf zu Herrn Bumble, Noah, und bitte ihn, er möge unverzüglich hierherkommen. Renne, eine Mütze brauchst du nicht."

      Ohne Zeit zu verlieren, stürzte Noah fort.

      Noah Claypole rannte ohne Aufenthalt nach dem Armenhause, wo er atemlos ankam. Nachdem er sich einige Minuten an der Tür ausgeruht hatte, setzte er eine klägliche Miene auf und klopfte dann laut an das Pförtchen. Nachdem man ihm geöffnet hatte, schrie Noah in ängstlichem Tone:

      "Herr Bumble, Herr Bumble!" Dieser eilte herbei.

      "Ach, Herr Bumble!" rief Noah, "Oliver hat – –"

      "Was, – doch nicht etwa weggelaufen?"

      "Nein, Herr, weggelaufen ist er nicht, aber ganz bösartig ist er geworden. Er hat mich umbringen wollen, und dann wollte er auch Charlotte und die Meisterin ermorden. Es war ganz schrecklich." Noah fing laut zu heulen an. Der Herr mit der weißen Weste ging gerade über den Hof; er trat auf Bumble zu und fragte, was mit dem Jungen los sei.

      "Es ist ein Junge aus der Armenschule", versetzte Herr Bumble, "der von dem jungen Twist beinahe ermordet worden wäre, jawohl, Herr."

      "Donnerwetter", rief der Herr, "habe ich's nicht gesagt? Ich hatte immer das Gefühl, dass Oliver Twist mal gehängt werden würde."

      "Er wollte auch die Köchin umbringen", fuhr Herr Bumble bleichen Gesichts fort.

      "Und die Meisterin auch", fügte Noah hinzu.

      "Und den Meister ebenfalls –, so, sagtest du doch, Noah?" ergänzte Herr Bumble.

      "Nein, der war ausgegangen, sonst würde er ihn auch ermordet haben. Er sagte aber, er wolle –"

      "So, sagte er das wirklich, er wolle", fragte der Herr mit der weißen Weste.

      "Ja, Herr!" erwiderte Noah, "und die Meisterin wünscht zu wissen, ob Herr Bumble Zeit hat, hinüberzukommen und Oliver durchzuprügeln. Der Meister ist nämlich nicht zu Hause."

      "Gewiss, mein Junge, gewiss!" sagte der Herr und streichelte Noahs Kopf. "Du bist ein guter Junge. Hier hast du einen Penny. Gehen Sie schnell mit Ihrem Stock zu Sowerberrys und schonen Sie Oliver Twist nicht."

      "Gewiss nicht, Herr", sagte Bumble und holte dann seinen Hut. Er begab sich in aller Eile, soweit es sich mit seiner Würde vertrug, nach der Werkstatt des Leichenbesorgers.

      Hier hatte sich der Stand der Dinge nicht geändert. Da Oliver fortfuhr, mit ungeminderter Kraft gegen die Kellertüre zu stoßen, so hielt es Herr Bumble für klug, erst zu parlamentieren, bevor er die Tür öffnete. Er rief deshalb durchs Schlüsselloch:

      "Oliver!"

      "Lassen Sie mich raus", erwiderte dieser von innen.

      "Kennst du meine Stimme?" fragte Herr Bumble.

      "Und du fürchtest dich nicht, Junge? Zitterst nicht?"

      "Nein!"

      Eine solche Antwort hatte Herr Bumble nicht erwartet. Er war baff.

      "Wissen Sie, Herr Bumble sagte Frau Sowerberry, der Junge muss verrückt sein, sonst würde er es nicht wagen, so mit Ihnen zu sprechen."

      "Das ist nicht Verrücktheit", versetzte Herr Bumble nach einigen Augenblicken tiefen Nachdenkens, "das ist das Fleisch."

      "Was für Fleisch?" fragte die Meisterin.

      "Jawohl, das Fleisch. Sie haben ihn überfüttert. Daher kommt diese störrische Seele und der Geist des Widerspruchs, die für einen Menschen in seiner Lage nicht passen. Was haben überhaupt Arme mit Seele und Geist zu schaffen. Es ist genug, dass wir ihren Körper leben lassen. Hätten Sie dem Bengel nichts als Haferschleim gegeben, so wäre so etwas nie vorgefallen."

      In diesem Augenblick kam Herr Sowerberry nach Hause, und man erzählte ihm Olivers Verbrechen mit so vielen Übertreibungen, dass er in einen mächtigen Zorn geriet. Er schloss die Kellertür im Nu auf und packte Oliver beim Kragen.

      "Du bist mir ja ein nettes Früchtchen", brüllte der Meister und gab ihm ein paar Maulschellen.

      "Noah schmähte meine Mutter", erwiderte Oliver trotzig.

      "Wenn schon, du Strolch", schrie die Meisterin. "Sie hat's verdient und noch viel mehr."

      "Sie hat's nicht verdient", entgegnete Oliver.

      "Doch", geiferte Frau Sowerberry.

      "Das ist 'ne Lüge", schrie der Junge.

      Frau Sowerberry brach in einen Strom von Tränen aus, und dies ließ dem Meister keine

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