Das Geheimnis der gelben Narzissen. Edgar Wallace

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Das Geheimnis der gelben Narzissen - Edgar  Wallace

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ohne Unterlaß, und niemals habe ich dieselben Menschen zweimal gesehen.«

      »Was hat denn aber der Mann mit dem schlauen Gesicht zu meinem Brief gesagt?«

      »Herr, er schwieg. Er las ihn immer wieder und machte dann ein Gesicht wie dieses.« Ling Chu ahmte Mr. Milburghs Lächeln nach. »Und dann schrieb er das auf, was du hier siehst.«

      Tarling starrte einen Augenblick ins Leere, stützte sich dann auf seinen Ellenbogen und nahm die Teetasse, die Ling Chu gebracht hatte.

      »Hast du etwas Neues über den Mann mit dem weichen weißen Gesicht erfahren, Ling? Hast du auch ihn aufgesucht?«

      »Jawohl, Herr, ich sah ihn«, antwortete der Chinese ernst. »Er ist ein Mann ohne Himmel.«

      Tarling nickte. Denn die Chinesen brauchten das Wort »Himmel« für »Gott«, und er wußte, daß Ling Chu scharf beobachtet hatte und damit sagen wollte, daß Thornton Lyne keine geistigen Fähigkeiten besaß. Er trank den Tee und erhob sich.

      »Ling, diese Stadt und dieses Land sind sehr öde und traurig, und ich glaube nicht, daß ich lange hier wohnen werde.«

      »Will der Herr wieder nach Schanghai zurückgehen?« fragte der Chinese, ohne auch nur im mindesten über diese Mitteilung erstaunt zu sein.

      »Ja, ich denke. Jedenfalls ist dieses Pflaster zu langweilig. Diese paar elenden Fälle von kleinen Gelddiebstählen und Eheaffären - ich mag nichts mehr davon hören.«

      »Die sind nur kleine Dinge«, sagte Ling Chu mit philosophischer Ruhe. »Aber der Meister -«, er meinte den großen Philosophen Konfuzius -»hat gesagt, daß alles Große aus kleinen Dingen kommt. Und vielleicht will ein kleiner Mann einem großen den Kopf abschneiden, und dann wird man dich rufen, um den Mörder zu fangen.« Tarling lachte.

      »Du bist ein großer Optimist, Ling. Ich glaube nicht, daß man hier meine Hilfe bei der Entdeckung eines Mörders wünscht. In England werden Privatdetektive dazu nicht zugezogen.« Ling schüttelte den Kopf.

      »Aber mein Herr muß Mörder fangen, oder er wird nicht mehr länger Lieh Jen, der Jäger der Menschen, sein.«

      »Du bist blutdürstig«, sagte Tarling plötzlich auf englisch, das Ling nur sehr schlecht verstand, obgleich er lange in hervorragenden Missionsschulen unterrichtet worden war. »Ich werde jetzt ausgehen«, fuhr Tarling wieder auf chinesisch fort, »und werde die kleine Frau besuchen, die das Weißgesicht begehrt.«

      »Darf ich dich begleiten, Herr?« fragte Ling. Tarling zögerte.

      »Ja, du kannst mitkommen, aber du mußt hinter mir bleiben und darfst dich nicht sehen lassen.«

      Carrymore Mansions ist ein großer Häuserblock, der zwischen zwei vornehmen und noch größeren Gebäuden in der Edgware Road eingeschlossen liegt. Das Erdgeschoß ist an Ladeninhaber vermietet. Wahrscheinlich verbilligen sich dadurch die Mieten der Wohnungen. Trotzdem vermutete Tarling, daß die Mieten doch ziemlich hoch sein müßten, besonders für ein Ladenmädchen, wenn sie nicht etwa bei ihrer Familie wohnte. Aber als er den Portier fragte, erhielt er die Aufklärung. Sie hatte eine kleinere Wohnung im Zwischengeschoß, wo die Räume niedriger waren, und zahlte infolgedessen keine große Miete.

      Er stand bald vor einer polierten Mahagonitür und überlegte sich, welche Entschuldigung er vorbringen könnte, daß er eine junge Dame so spät am Abend noch aufsuchte. Daß er ihr eine Erklärung geben mußte, sah er an ihrem Blick, als sie ihm die Tür öffnete.

      »Ja, ich bin Miss Rider«, sagte sie.

      »Kann ich Sie einige Minuten sprechen?«

      »Es tut mir leid, ich bin allein in der Wohnung und kann Sie nicht hereinbitten.«

      Das war ein schlechter Anfang.

      »Ist es nicht möglich, daß Sie ein wenig mit mir ausgehen?« fragte er besorgt.

      Trotz der merkwürdigen Situation mußte sie lächeln. »Es ist mir ebenso unmöglich, mit jemand auszugehen, den ich früher nie gesehen habe.«

      »Ich sehe die Schwierigkeiten ein. Hier ist meine Karte. Ich fürchte, daß ich hier in England nicht genügend bekannt bin -Sie werden meinen Namen nicht kennen.« Sie nahm die Karte und las.

      »Privatdetektiv?« fragte sie erschrocken. »Wer hat Sie zu mir geschickt? Doch nicht etwa Mr. -«

      »Nein, nicht Mr. Lyne.«

      Sie zögerte einen Augenblick, dann öffnete sie die Tür etwas weiter.

      »Bitte, treten Sie näher -wir können ja hier im Vorraum sprechen. Ich habe Sie doch eben richtig verstanden. Mr. Lyne hat Sie nicht zu mir geschickt?«

      »Mr. Lyne wünschte allerdings vorher, daß ich Sie aufsuchen sollte, und ich mißbrauche sein Vertrauen in gewisser Weise. Aber ich glaube nicht, daß er auf meine Verschwiegenheit rechnen darf. Ich weiß eigentlich nicht, warum ich hierhergekommen bin und Sie störe, aber ich möchte Ihnen raten, auf Ihrer Hut zu sein.«

      »Wovor?«

      »Sie müssen sich vor den Ränken eines Herrn in acht nehmen, den Sie -«, er zögerte einen Augenblick. »Beleidigt haben«, ergänzte sie.

      »Ich weiß ja nicht, was Sie ihm gesagt haben«, meinte er lächelnd, »aber ich nehme an, daß Sie Mr. Lyne aus dem einen oder anderen Grund verletzt haben und daß er sich jetzt an Ihnen rächen will. Ich will Sie nicht fragen, was vorgefallen ist, denn ich verstehe, daß Sie es mir nicht sagen möchten. Aber ich muß Ihnen mitteilen, daß Mr. Lyne wahrscheinlich eine Anklage gegen Sie vorbereitet, daß er irgend etwas erfindet, um Sie wegen Diebstahls anzuzeigen.«

      »Diebstahl?« rief sie entrüstet. »Er will mich anzeigen? Aber es ist doch unmöglich, daß er so schlecht ist.«

      »Oh, es ist gar nicht so unmöglich, daß jemand außerordentlich schlecht ist«, erwiderte Tarling. Sein Gesicht war undurchdringlich, wenn auch ein leichtes Lächeln in seinen Augen lag. »Jedenfalls weiß ich es und habe es mit eigenen Ohren gehört, daß er Mr. Milburgh dazu veranlaßte, einige Aussagen darüber zu machen, daß Gelddiebstähle bei der Hauptgeschäftskasse vorgekommen seien.«

      »Das ist doch ganz unmöglich«, sagte sie entsetzt. »Mr. Milburgh würde das nie sagen, das ist ausgeschlossen!«

      »Mr. Milburgh wollte es ursprünglich auch nicht tun, das will ich gerne zugeben.« Er erzählte ihr kurz von den Vorgängen im Konferenzzimmer der Firma Lyne, er verschwieg aber alle Verdachtsgründe gegen Mr. Milburgh selbst.

      »Sie sehen also«, schloß er, »daß Sie sehr auf Ihrer Hut sein müssen. Ich möchte Ihnen sogar raten, sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen und ihm die ganze Sache zu übergeben. Gegen Mr. Lyne selbst brauchen Sie nicht vorzugehen, aber es würde Ihre Lage sehr stärken, wenn Sie die ganze Sache schon einer öffentlich bekannten Persönlichkeit auseinandergesetzt hätten.«

      »Ich bin Ihnen zu größtem Dank verpflichtet, Mr. Tarling«, sagte sie warm und schaute ihn an. Dabei war ihr Lächeln so süß, so beredt und so hilflos, daß Tarling sonderbar ergriffen war.

      »Und wenn Sie keinen Anwalt nehmen wollen, dann können Sie sich auf mich verlassen. Ich werde Ihnen immer helfen, wenn Sie irgendwie in Gefahr oder Unannehmlichkeiten kommen.«

      »Sie

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