Praxis Dr. Norden Box 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Doch daran verschwendete sie im Augenblick keinen Gedanken. Wie jedes Mal, wenn sich der Schlüssel im Schloss der schweren Holztür drehte, veränderte sich Tatjanas Gesichtsausdruck. Wie verzaubert wanderte sie durch die Zimmer. Genoss das Geräusch, das ihre Absätze auf den schwarz-weiß gemusterten Steinfliesen machten. Lauschte auf das Knarren der Holzdielen und das Zwitschern der Vögel in den alten Bäumen im Garten. Stundenlang hätte sie durch die noch spärlich möblierten Räume wandern und träumen können. Schweren Herzens besann sie sich auf den Grund, wegen dem sie gekommen war. In ihrem Lager über der Bäckerei war sie auf einen Küchenwagen aus Holz gestoßen. Auf Rollen, mit solider Arbeitsplatte und Schubladen für Arbeitsbesteck. Ob er wohl in die Küche der Villa passte? Zu diesem Zweck zückte Tatjana den Zollstock und wollte sich an die Arbeit machen, als ein tiefer Gong durch das Erdgeschoss hallte. Tatjana zögerte. Sollte sie wirklich öffnen, oder lieber ihre Arbeit machen? Schließlich konnte sie nicht ewig hierbleiben. Titus und Florentina brauchten ihre Unterstützung in der Bäckerei. In diese Überlegungen hinein läutete es wieder. Seufzend machte sich Tatjana auf den Weg zur Tür. Und bereute es zwanzig Sekunden später zutiefst.
»Evelyn.« Ausgerechnet ihre Nachbarin.
Sie hielt Tatjana einen Kaktus im Topf hin.
»Kleines Geschenk zum Einzug.«
»Danke.« Tatjana sah Evelyn Eckert nach, die an ihr vorbei durch den Flur schlenderte. Bei jedem Schritt klimperte und klirrte es. Sollte sie zum Angriff übergehen? Andererseits war ein Nachbarschaftskrieg nicht gerade erstrebenswert. Vielleicht war es besser, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
»Ich wollte mal sehen, wie ihr euch so einrichtet«, hallte Evelyns Stimme durch das Erdgeschoss.
Tatjana stellte den Kaktus auf einen der Umzugskartons, die sich in jeder Ecke stapelten, und nahm die Verfolgung auf.
»Wir müssen ja beide arbeiten. Deshalb haben wir beschlossen, den Umzug Stück für Stück zu machen.«
Evelyn war im Wohnzimmer angekommen. Langsam drehte sie sich um die eigene Achse.
»Interessante Wandfarbe. Aber das kommt wahrscheinlich dabei heraus, wenn sich ein halbblinder Mensch als Innenarchitekt versucht.«
»Die Wände sind weiß, Evelyn.« Tatjanas Lächeln passte nicht recht zu ihrer spitzen Stimme. »Schlicht und ergreifend weiß.«
»Bisschen langweilig, findest du nicht?«
»Beruhigend.«
»Na ja.« Evelyn verstand den Wink mit dem Zaunpfahl nicht. Sie ließ die Fingerspitzen über Möbelstücke gleiten. Entdeckte das Gitterbett im Kinderzimmer und blieb davor stehen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. »Das ist nicht euer Ernst, oder?« Sie drehte sich um und deutete aus dem Fenster. »Mein Büro liegt in dieser Richtung. Ich kann nicht arbeiten, wenn es zu laut ist.«
»Dann hoffen wir mal, dass Fynn bei deinem Anblick nicht erschrickt«, platzte Tatjana heraus.
Evelyn schnaubte sehr undamenhaft. Sie machte auf dem Absatz kehrt und stöckelte aus dem Zimmer. Ihr Schmuck klimperte und klirrte im Takt ihrer Schritte. Wenig später fiel die Haustür ins Schloss. Tatjana konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Obwohl sie ganz genau wusste, dass das erst der Anfang gewesen war.
*
»Du hattest Glück im Unglück.« Dr. Danny Norden zog ein Papiertuch aus dem Spender und wischte das durchsichtige Gel von Maltes Knie. Ein zweites Tuch diente zur Reinigung des Schallkopfes. Mit Hilfe des Ultraschalls konnte Danny Norden Weichteile wie Schleimbeutel, Sehnen und Muskulatur sichtbar machen. »Die Hautwunde ist nur oberflächlich und dein Knie lediglich geprellt.« Er nickte hinüber zu Janine.
Die verstand die stumme Aufforderung und verließ das Zimmer, um eine Kühlkompresse zu holen. PECH hieß die Behandlung der Wahl. Pause, Eis, Compression, Hochlagern. All diese Maßnahmen waren nötig, um den Schaden der Verletzung so gering wie möglich zu halten.
Malte versuchte, sich aufzusetzen. Das Vorhaben misslang.
»Warum tut das dann so weh?«, keuchte er und sank auf die Liege zurück.
Danny nahm den Ausdruck aus dem Fach und zeigte ihn dem jungen Mann. Mehr als ein Gewimmel aus allen erdenklichen Grauschattierungen konnte Malte nicht erkennen. Danny Norden sah ihm die Ratlosigkeit an.
»Das liegt daran, dass bei dem Sturz das weiche Gewebe unter der Haut gegen die harte Kniescheibe gedrückt wurde. Diese Prellung verursacht Risse von mittelgroßen und kleinen Blut- und Lymphgefäßen.« Mit dem Zeigefinger umkreiste er die entsprechenden Stellen auf dem Ultraschallbild. »Das Blut fließt durch die Gefäßrisse in die vorhandenen Zwischenräume, es bilden sich ein Bluterguss und eine Schwellung.«
»Und wie lange dauert der Spaß?«
Janine kehrte mit dem Kühlkissen zurück. Danny dankte ihr mit einem Lächeln.
»In ungefähr sechs Wochen bist du wieder einsatzfähig.«
»Sechs Wochen?« Malte sog die Luft durch die Lippen. »Das kriegt mein Dad bestimmt schneller hin.«
»Nichts für ungut. Aber zaubern kann dein Vater auch nicht«, gab Dr. Norden zu bedenken. Ganz im Gegenteil schien Arndt Stein bei seinem Sohn beide Augen zuzudrücken. Wie sonst ließ sich erklären, dass der Teenager so erschreckend mager war? Er saß vor der Behandlungsliege und betrachtete seinen Patienten nachdenklich. »Sag mal, kann es sein, dass nicht die Musik Schuld war an dem Sturz?«
Malte legte den Kopf schief.
»Wie meinen Sie das?«
»Ist dir vorhin schwindlig geworden? Oder kurz schwarz vor Augen?«
Die Miene des Jungen verschloss sich. Er drehte den Kopf weg.
»Nein. Wieso?«
Sollte Danny Norden seine Gedanken laut aussprechen? Doch das konnte bedeuten, dass er das Vertrauen des jungen Mannes komplett verspielte.
Janine verstand die Not ihres Chefs. Sie selbst war erschrocken, als unter dem Hosenstoff das Storchenbein zum Vorschein gekommen war.
»Dein Blutdruck ist ungewöhnlich niedrig. Deshalb nehme ich dir ein bisschen Blut ab«, eilte sie Dr. Norden zu Hilfe. »Wie sieht es denn mit deinem Appetit aus?« Sie legte den Stauschlauch um den Arm.
»Ach, das meinen Sie.« Malte lachte. Es klang nicht echt. »Ich kann richtig reinhauen. Auch wenn man mir das nicht ansieht.«
»Das tut man wirklich nicht.« Jenny desinfizierte die Stelle in der Armbeuge. »Achtung, jetzt piekst es ein bisschen.«
Malte zuckte noch nicht einmal zusammen, als sie die Nadel unter der Haut versenkte.
»Da lasse ich mir lieber zehn Mal Blut abzapfen, als mir ein Mal das Knie zu prellen.«
Janine