C -Die vielen Leben des Kohlenstoffs. Dag Olav Hessen
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Der älteste Graphit, den wir kennen, ist möglicherweise auch ein Beweis für das älteste Leben hier auf diesem Planeten. Er wurde in einer Schicht von 3,8 Milliarden Jahre alten Sedimentgesteinen in Grönland gefunden und ist so rein, dass man damit schreiben kann. Er enthält das Isotop 13C (auf das wir noch zu sprechen kommen werden), was ein starker Hinweis auf seinen biologischen Ursprung ist. Einen abschließenden Beweis dafür werden Page 44wir aber nie erhalten. Der Graphit besteht aus Schichten von zu Sechsecken verbundenen Kohlenstoffatomen. Die Schichten werden von schwachen Bindungskräften zusammengehalten, sodass sie sehr leicht getrennt werden können. Dafür reicht schon die Reibung der Mine auf dem Papier. Im Diamant hingegen sind die Kohlenstoffatome in einem nahezu unangreifbaren Netz miteinander verbunden und bilden so einen der härtesten Stoffe, die wir kennen.
Abbildung 4: Diamant, Graphit und Fulleren sind die drei Hauptformen von reinem Kohlenstoff. Während der Diamant seine souveräne Stärke durch das Kristallgitter erhält, ist die Weichheit des Graphits auf dessen Schichtstruktur zurückzuführen. Das Fulleren hingegen ist wie ein Fußball aufgebaut und setzt sich aus 60 C-Atomen zusammen.
Diamant entsteht unter extremem Druck bei hohen Temperaturen. Natürliche Diamanten stammen sozusagen aus Druckkammern tief im heißen Inneren der Erde. Bei synthetischen Diamanten versucht man diese Bedingungen nachzuahmen, in dem man Kohlenstoffgas im Labor hohen Temperaturen und hohem Druck aussetzt. Chemisch gesehen sind auch das echte Diamanten, aber da sie auf künstlichem Wege entstanden sind, werden sie auf dem Edelsteinmarkt viel weniger geschätzt. Es ist interessant zu betrachten, welchen Vorrang das Natürliche vor dem Künstlichen hat. Das Natürliche gilt als »echt«, während das Synthetische als »unecht« dargestellt wird – egal ob das Produkt chemisch gesehen Page 45komplett identisch ist. Vermutlich akzeptieren wir nur in der Pharmazie die synthetischen Kopien der für die Gesundheit relevanten komplexen natürlichen Kohlenstoff verbindungen.
Es wird heftig diskutiert, wer als erster künstliche Diamanten hergestellt hat. Sicher ist, dass es bereits 1955 der General Electric Company gelungen ist, künstliche Diamanten in großem Stil herzustellen, wodurch der Wert der Firmenaktien an einem Tag um 300 Millionen Dollar anstieg.21 Heute übersteigt die jährliche Produktion synthetischer Diamanten 100 Tonnen pro Jahr. In erster Linie werden sie für industrielle Zwecke verwendet.
Mehr als 200 Jahre nach Lavoisier stellte sich heraus, dass der Kohlenstoff mit noch weiteren Überraschungen aufwarten kann. Kohlenstoff existiert nämlich nicht nur in den reinen Formen Diamant und Graphit. 1985 wurde eine völlig andere Form einer C-Verbindung entdeckt: Das Fulleren. Der merkwürdige Name leitet sich von dem noch seltsameren ursprünglichen Namen Buckminsterfulleren ab, benannt nach dem Architekten Richard Buckminster Fuller22, der fantastische Kuppeln entwarf, die aus Fünf-und Sechsecken zusammengesetzt waren.
Die Entdeckung des ersten Fullerens basierte auf einem Zufall. Es war das unerwartete Nebenprodukt eines komplizierten Versuches. Um langkettigen Kohlenwasserstoffen auf die Spur zu kommen, wie sie im Inneren von Sternen entstehen, wurden die Prozesse im Inneren eines Gasplaneten simuliert. Bei der Auswertung des Experiments entdeckte man Moleküle aus exakt 60 Page 46Kohlenstoffatomen. Ein chemisches Retortenbaby, das sich in allem von der bis dato bekannten Kohlenstoffchemie unterschied. Kohlenstoff kann sehr vielfältige Strukturen mit einer extrem unterschiedlichen Anzahl von Kohlenstoffatomen annehmen. Die Tatsache, dass all diese Moleküle exakt 60 Atome enthielten, deutete darauf hin, dass es sich um eine spezielle Struktur, eine Art geschlossene Einheit, handelte. (Leider ist das nichts, was man so einfach unter dem Mikroskop untersuchen kann.)
Die Versuche wurden in mehreren Varianten wiederholt, und die geheimnisvollen 60-C-Moleküle tauchten dabei immer wieder auf. Die einzig logische Erklärung für 60 reine C-Atome war ein fußballähnliches Molekül, bestehend aus 12 Fünfecken und 20 Sechsecken. Harold Kroto und seine Mitarbeiter an der Rice University in Texas beschrieben die Struktur als »… ein Polygon mit 60 Ecken und 32 Oberflächen … dieses Objekt wird für gewöhnlich wie ein Fußball … beschrieben.« Dieser »Fußball«, abgebildet »on Texas grass«, wurde unter Chemikern zu einer Ikone. Auch der Titel des Artikels blieb unvergesslich: 60-C: Buckminsterfulleren.23 Die Zeitschrift Nature stellte im November 1985 ihre Titelseite für eine Abbildung des ikonischen Kohlenstofffußballs zur Verfügung.
Wie durch einen Zufall entstand zur gleichen Zeit in der Wüste von Arizona die ultimative, von Menschenhand geschaffene Fulleren-Kuppel. Die Zeichnung und die Pläne für Biosphäre 2 waren allerdings bereits gemacht, als das Fulleren das Cover des Wissenschaftsmagazins schmückte. Das Gebäude selbst entstand jedoch erst 1987. Biosphäre 224 war der Versuch, ein sich selbst erhaltendes, Page 47intaktes Ökosystem in einer Glaskuppel zu schaffen. Das aufsehenerregende Gebäude beinhaltete 1900 m2 Regenwald, 850 m2 Meer mit einem Korallenriff, 1300 m2 Savanne, 1400 m2 Wüste und 2500 m2 Ackerland. Integriert war ein fortschrittliches Zirkulationssystem für Luft und Wasser. Die Energie wurde durch die Sonneneinstrahlung durch das Glas gewonnen. Am 26. September 1991 schlossen sich die Türen hinter den vier Männern und vier Frauen, die zwei Jahre in dieser Blase verbringen sollten. Streng genommen war Biosphäre 2 damit auch ein soziales Experiment, bei dem vieles überraschend gut funktionierte und das sowohl in biologischer als auch in sozialer Hinsicht. Die acht Menschen kamen gut mit dem zurecht, was sie selbst im Glashaus anbauten und ernteten, und auch das Zusammenleben bot keine größeren Probleme. Der Kohlenstoffkreislauf hingegen war deutlich schwerer zu handhaben.
Während in der Biosphäre 1, also auf der Erde, die Konzentration an CO2 und O2 seit vielen Tausend Jahren auffallend konstant ist, gab es bei den Gaskonzentrationen in dem geschlossenen Ökosystem ein stetes Auf und Ab. Die Tagesschwingungen der CO2-Konzentration konnten 600 ppm übersteigen, mit niedrigen Werten am Tag (wenn die Pflanzen CO2 aufnahmen) und hohen Werten in der Nacht. Noch drastischer wurde es im Winter während der geringsten pflanzlichen Aktivität. Die CO2-Konzentration erreichte in dieser Zeit mit 4.500 ppm einen Wert, der dem Zwölffachen des Niveaus auf der Außenseite entsprach. Da man sich im Inneren eines Treibhauses mit einem Lüftungssystem befand, trug das CO2 nicht zur Erwärmung bei, und als Gas ist CO2 nicht giftig.
Negativ war allerdings die zunehmende Müdigkeit bei den acht Bewohnern der Kuppel, die allerdings nicht auf Page 48die hohe CO2-Konzentration, sondern auf den geringen Sauerstoffgehalt zurückzuführen war, der von 21 Prozent auf 4,5 Prozent gesunken war. Dieser Wert entspricht einem Aufenthalt in 4000 Metern Höhe, wo Gedanken und Bewegungen wie durch Sirup gebremst werden. Ein Erklärungsansatz war, dass der kohlenstoffhaltige Boden CO2 abgab und gleichzeitig wegen des bakteriellen Abbaus organischer Materialien O2 verbrauchte. Das Fundament bestand überdies aus kalkhaltigem Beton; dieser fixierte CO2 infolge einer Reaktion frei, der wir noch mehrfach begegnen werden: Ca(OH)2+CO2→CaCO3+H2O.
Diese Reaktion wirkte sich nicht sonderlich auf den extrem hohen CO2-Gehalt der Kuppelatmosphäre aus. Sie fungierte aber über den im CO2