Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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sehr be­un­ru­higt heim. Man frag­te nach Herrn Fol­len­vie, aber das Mäd­chen er­klär­te, dass der Herr we­gen sei­nes Asth­ma’s nie vor zehn Uhr auf­stän­de. Er hat­te so­gar aus­drück­lich ver­bo­ten ihn frü­her zu we­cken; aus­ser im Fal­le ei­nes Bran­des.

      Man wünsch­te den Of­fi­zier zu spre­chen; aber das war ab­so­lut un­mög­lich, ob­schon er im Hôtel wohn­te. Er ver­han­del­te in Zi­vil-An­ge­le­gen­hei­ten nur mit Herrn Fol­len­vie. So muss­te man denn war­ten. Die Da­men be­ga­ben sich wie­der auf ihre Zim­mer und such­ten sich die Zeit zu ver­trei­ben, so gut es ging.

      Cor­nu­det setz­te sich an den Herd in der Kü­che, wo ein mäch­ti­ges Feu­er brann­te. Er ließ sich dort einen klei­nen Kaf­fee­tisch und eine Fla­sche Bier hin­brin­gen; dann zog er sei­ne Pfei­fe her­vor die bei den De­mo­kra­ten bei­na­he eben­so in An­se­hen stand, wie er selbst; als ob sie dem Va­ter­lan­de diente, weil Cor­nu­det sie im Ge­brauch hat­te. Es war eine präch­ti­ge Meer­schaum­pfei­fe, herr­lich an­ge­raucht, eben­so schwarz wie die Zäh­ne ih­res Herrn, wohl­rie­chend, ge­krüm­melt, glän­zend, hand­lich und ganz zu sei­nem Ge­sicht pas­send. So sass er still vor sich hin, die Au­gen bald auf das Herd­feu­er bald auf den Schaum in sei­nem Gla­se ge­hef­tet. Je­des Mal wenn er ge­trun­ken hat­te, fuhr er sich mit sei­nen lan­gen ha­ge­ren Fin­gern be­frie­digt durch das lan­ge fet­ti­ge Haar, und wisch­te sich dann den Schaum aus dem Schnurr­bart.

      Loi­seau be­gab sich un­ter dem Vor­wand, sich Be­we­gung zu ma­chen hin­aus und ver­such­te bei den Kneip­wir­ten des Or­tes sei­nen Wein an­zu­brin­gen. Der Graf und der Fa­bri­kant un­ter­hiel­ten sich über Po­li­tik; ihr Ge­spräch dreh­te sich um die Zu­kunft Frank­reichs. Der eine bau­te sei­ne Hoff­nun­gen auf die Or­leans der an­de­re auf ir­gend einen un­be­kann­ten Ret­ter, einen Held, der ih­nen im letz­ten Au­gen­blick der Verzweif­lung ent­ste­hen wür­de: Ei­nen du Gue­sclin, eine Jean­ne d’Arc etwa, oder einen zwei­ten Na­po­le­on. Ja, wenn der kai­ser­li­che Prinz nicht noch so jung wäre. Cor­nu­det hör­te ih­nen mit dem Lä­cheln ei­nes Man­nes zu, der wei­ter in die Zu­kunft blickt. Der Dampf sei­ner Pfei­fe hüll­te die Kü­che ein.

      Als es zehn Uhr schlug, er­schi­en Fol­len­vie. Man be­stürm­te ihn mit Fra­gen; aber er wie­der­hol­te drei bis vier­mal ge­nau die­sel­be Ge­schich­te. »Herr Fol­len­vie,« hat der Of­fi­zier zu mir ge­sagt. »Sie wer­den ver­bie­ten, dass man mor­gen den Wa­gen die­ser Rei­sen­den an­spannt. Ich will nicht, dass sie ohne mei­ne Er­laub­nis ab­rei­sen; ver­ste­hen Sie? Gut also.«

      Nun woll­te man den Of­fi­zier auf­su­chen. Der Graf schick­te ihm sei­ne Kar­te, auf der auch Herr Carré-La­ma­don sei­nen Na­men samt al­len Ti­teln und Wür­den ver­merk­te. Der Preus­se ließ zu­rück­sa­gen, dass er den bei­den Herrn ge­stat­ten wür­de, ihn nach sei­nem Früh­stück, d. h. um ein Uhr auf­zu­su­chen.

      Die Da­men er­schie­nen wie­der und trotz der all­ge­mei­nen Mis­s­tim­mung nahm man et­was zu sich. Fett-Kloss schi­en krank und sicht­lich sehr ver­wirrt.

      Als man mit dem Kaf­fee fer­tig war, er­schi­en eine Or­do­nanz, um die Herrn zu ho­len, de­nen sich Loi­seau als drit­ter an­schloss. Cor­nu­det da­ge­gen, den man um der Sa­che mehr Fei­er­lich­keit zu ge­ben, eben­falls zur Be­tei­li­gung auf­for­der­te, er­klär­te ent­schie­den, dass er kei­ne Be­zie­hun­gen mit den Preus­sen zu ha­ben wün­sche. Er zog sich wie­der an sei­nen Ka­min zu­rück und be­stell­te eine neue Fla­sche.

      Die drei Herrn gin­gen hin­auf und wur­den in das schöns­te Zim­mer des Gast­hofs ge­führt, wo sie der Of­fi­zier, auf ei­nem Ses­sel ru­hend, die Füs­se am Ka­min aus­ge­streckt und eine lan­ge Por­zel­lan­pfei­fe im Mun­de, emp­fing. Ein grel­ler Zim­mer­rock, ohne Zwei­fel aus der ver­las­se­nen Woh­nung ir­gend ei­nes Spiess­bür­gers ge­raubt, des­sen schlech­ter Ge­schmack sich an ihm be­kun­de­te, um­gab ihn statt der Uni­form. Er er­hob sich we­der, noch be­grüss­te er sonst die Herrn; er wür­dig­te sie nicht ein­mal ei­nes Blickes. Es schi­en als woll­te er ih­nen mal eine Pro­be von der den sieg­rei­chen Sol­da­ten ei­ge­nen Ro­heit ge­ben.

      »Was wün­schen Sie?« frag­te er nach ei­ni­ger Zeit end­lich.

      »Wir möch­ten ab­rei­sen, mein Herr,« nahm der Graf das Wort.

      »Nein.«

      »Darf ich nach der Ur­sa­che der Ver­wei­ge­rung fra­gen?«

      »Weil ich nicht will.«

      »Ich möch­te Ih­nen, mein Herr, aber er­ge­benst be­mer­ken, dass Ihr kom­man­die­ren­der Ge­ne­ral uns die Er­laub­nis zur Rei­se nach Diep­pe be­wil­ligt hat; wir hät­ten, däch­te ich, nichts be­gan­gen, um die­sel­be zu ver­wir­ken.«

      »Ich will aber nicht … Da­mit gut … Sie kön­nen gehn.«

      Die drei Herrn ent­fern­ten sich un­ter ei­ner Ver­beu­gung.

      Der Nach­mit­tag ver­lief sehr trau­rig. Man konn­te den Ein­fall des Deut­schen nicht be­grei­fen, und kam auf die son­der­bars­ten Ide­en. Alle Welt hielt sich jetzt in der Kü­che auf und man be­sprach sich fort­ge­setzt un­ter den un­glaub­lichs­ten Ver­mu­tun­gen. Woll­te man sie viel­leicht als Gei­seln zu­rück­hal­ten? – aber zu wel­chem Zweck? Oder sie als Ge­fan­ge­ne fort­schlep­pen? – Wo­hin? Oder woll­te man eine ge­hö­ri­ge Brand­schat­zung bei ih­nen vor­neh­men? Bei die­sem Ge­dan­ken er­starr­te ih­nen das Blut. Die Reichs­ten wa­ren die Furcht­sams­ten. Sie sa­hen sich schon im Geis­te Hau­fen von Gold in die Hän­de die­ser zü­gel­lo­sen Sol­da­tes­ka le­gen, um nur ihr Le­ben zu ret­ten. Sie zer­bra­chen sich den Kopf um nur eine glaub­haf­te Lüge zu er­sin­nen, ih­ren Reich­tum zu ver­heim­li­chen und für arm, ganz arm zu gel­ten. Loi­seau nes­tel­te sei­ne Uhr­ket­te los und ver­barg sie in der Ta­sche. Die ein­bre­chen­de Nacht ver­mehr­te noch ihre Furcht. Die Lam­pe wur­de an­ge­zün­det und Ma­da­me Loi­seau schlug eine Par­tie Ein­und­dreis­sig vor, da es noch zwei Stun­den bis zum Di­ner war. Das wäre doch we­nigs­tens eine Zer­streu­ung. Der Vor­schlag wur­de an­ge­nom­men. So­gar Cor­nu­det, der aus Höf­lich­keit sei­ne Pfei­fe hat­te aus­ge­hen las­sen, be­tei­lig­te sich.

      Der Graf schlug die Kar­ten – gab – und Fett-Kloss hat­te auf den ers­ten An­hieb Ein­und­dreis­sig. Bald ver­scheuch­te das In­ter­es­se am Spiel die Furcht, die sie be­seelt hat­te. Cor­nu­det be­merk­te so­gar, dass das Ehe­paar Loi­seau mo­gel­te.

      Als man sich zu Ti­sche set­zen woll­te, er­schi­en Herr Fol­len­vie wie­der.

      »Der preus­si­sche Of­fi­zier lässt Fräu­lein Eli­sa­beth Rous­set fra­gen, ob sie ihre An­sicht noch nicht ge­än­dert habe,« sag­te er mit sei­ner hei­se­ren Stim­me.

      Fett-Kloss blieb ganz bleich ste­hen. Dann wur­de sie plötz­lich knall­rot und so von Zorn er­stickt, dass sie an­fangs nicht spre­chen konn­te.

      »Sie wer­den die­ser Ka­nail­le, die­sem Schmutz­fin­ken, die­sem Lum­pen von Preus­sen

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